10.10.2023
Steile These: Dein Studium wird chaotisch, stell dich schon mal drauf ein.
Das neue Semester beginnt. Es wird das Semester sein, in dem du dich endlich strukturiert auf deine Veranstaltungen vorbereiten, regelmäßig die wichtigsten Stoffe rekapitulieren und dir frühzeitig einen Lernplan erstellen wirst. Ein Semester Zeit, um dir all die prüfungsrelevanten Inhalte über einen längeren Zeitraum in konsumierbaren Häppchen einzuflößen, um eben nicht kurz vor knapp alles auf einmal in dich reinzudreschen.
Der Schlüssel zu alldem ist dir bekannt: Zeitmanagement. Und dir ist völlig klar, dass es unendlich viele Methoden gibt, zum Manager über deine Zeit zu werden. Methoden, die dein Werkzeug dafür sein sollen, nicht mehr Getriebene:r der Fristen, Deadlines und Termine, sondern ihnen voraus zu sein. Schon nach einer kurzen Recherche im Internet hast du alles beisammen, was du für einen effektiven Zeitplan benötigst.
Du kannst z.B. mit der 18-Minuten-Regel anfangen, die so heißt, weil sie nur 18 Minuten in Anspruch nimmt: Fünf Minuten morgens den Tag planen, dann während der Arbeitszeit nach jeder Stunde (insgesamt acht Mal) eine Minute reflektieren, was lief gut und was schlecht, dann zum Abschluss noch mal fünf Minuten den Tag Revue passieren lassen, dabei schon mal verstohlen den nächsten Tag in den Blick nehmen. Fertig.
Dieses grobe Außengerüst kannst du selbstredend mit eat-the-frog-first verdichten. Was nichts anderes heißt, als immer den Frosch zuerst zu essen. Was heißt, immer die wichtigste Aufgabe zuerst zu erledigen. Und um wiederrum zu wissen, was dein Frosch ist, erstellst du dir einfach die Eisenhower-Matrix. Komischer Name? Egal. Eisenhower-Matrix bedeutet einfach, du ordnest alle deine anstehenden Aufgaben nach den beiden Parametern Wichtigkeit und Dringlichkeit. Wichtig UND Dringend = Frosch! Essen. Jetzt.
Du kommst nicht ins Arbeiten rein? Kein Problem. Du erstellst dir einfach ein Pomodoro-Zeitraster, also ein klares Zeitraster aus 25 Minuten Frösche essen und fünf Minuten Pause. Der Clou: All das, was unter die Kategorie Zeiträuber fällt, also "im Internet surfen“, "putzen“ oder "mit Freunden schnacken“, machst du einfach in den jeweiligen fünf Minuten Pause. Damit ist das geregelt und du kannst dich immer jeweils 25 Minuten voll auf die Arbeit fokussieren.
Für längerfristige Aufgaben brauchst du zudem SMARTE Ziele. Damit schaffst du dir selbst Zwischenziele, die Spezifisch, Messbar, Akzeptiert, Realistisch und Terminiert sind. Schon hast du mithilfe greifbarer Zwischenziele deine großen Aufgaben zerkleinert, was nichts anderes heißt, als dass du sie eher angehst.
Ich könnte jetzt noch ewig so weitermachen und all das mit einem schicken Zitat von Studienscheiss.de abschließen: "[P]roduktives Studieren kann man lernen. Wenn du effizient arbeitest und die wichtigsten Produktivitätstechniken regelmäßig in deinen Alltag integrierst, wirst du automatisch erfolgreicher im Studium – ohne eine zusätzliche Sekunde Zeit zu investieren.“1
Das mag ja sein.
Ich will das auch gar nicht in Abrede stellen. In den genannten Methoden ist alles dabei, was man für gute Planung braucht: Selbstreflexion in der 18-Minuten-Regel, Priorisierung in eat-the-frog-first und der Eisenhower-Matrix, Pausenmanagement im Pomodoro-Zeitraster und die Schaffung von Zwischenzielen in den SMARTEN Zielen.
Angesichts dieser vielen großartigen Methoden kann es nun aber schnell passieren, dass man sich richtig blöd vorkommt, wenn man sie alle kennt und trotzdem im Chaos versinkt.
Man sollte daher nie vergessen, dass diese "Produktivitätstechniken“ nicht alle Schwierigkeiten auflösen können, die im Studium aufkommen. Manchmal kann man damit gut eine intensive Lern- oder Schreibphase planen. Manchmal hilft aber auch keine einzige von ihnen und man braucht stattdessen einfach nur einen Kommilitonen oder eine Kommilitonin neben sich. Manchmal muss man mal drei Abende richtig weggammeln, um wieder produktiv zu werden und manchmal setzt man sich an den Schreibtisch und legt los. Einfach so.
Phasen von Unproduktivität, von Zweifel, von Chaos sind im Studium part of the game. Vielleicht ist nach vier Semestern auf einmal alle Motivation verschwunden; vielleicht hat man einen bestimmten Satz aufgeschnappt, der einen plötzlich am eigenen Lebensweg zweifeln lässt; vielleicht wacht man eines Morgens mit dem Entschluss auf, nie wieder einen wissenschaftlichen Text zu lesen oder will sofort im Wald unter einem Wasserfall leben. Das alles und noch viel mehr ist möglich.
Der für mich wahrscheinlich nachhaltigste Ratschlag ist an Banalität eigentlich nicht zu übertreffen - und doch war es ein Moment, an dem es bei mir Klick gemacht hat. Vor ein paar Jahren habe ich den ersten Teil von Barack Obamas Autobiographie gelesen und darin schreibt er an irgendeiner Stelle ganz nebenbei, er erzähle jungen Menschen immer, er habe sich "im Laufe der Zeit darin geübt, langfristig zu planen, und wie wichtig es sei, sich auf seine Ziele zu konzentrieren, anstatt sich über die täglichen Höhen und Tiefen den Kopf zu zerbrechen.“2
Die Höhen und Tiefen kenne ich, wir kennen sie alle. Wenn man sich aber den langfristigen Blick antrainiert, lassen sich die kleinen und größeren Krisen des Alltags besser akzeptieren. Dasselbe gilt für Überraschendes oder Überrumpelndes, was einen immer wieder erreichen kann, für das Zurückfallen und wieder Aufholen in den eigenen Plänen und Zielen.
Mein Tipp: Nimm das Chaos einfach an und betrachte es als genuinen Teil deiner Ausbildung. Nutze Produktivitätstechniken. Für manche Phasen. Sie helfen nicht immer. Wenn sie nicht helfen, mach was anderes. Der langfristige Blick, inwieweit er denn möglich ist, steht sowohl über der 18-Minuten-Regel als auch über dem plötzlichen Wunsch im Wald zu leben.
Quellen:
1: https://www.studienscheiss.de/zeitmanagement-studenten-tipps/. Abgerufen am 05.10.2023
2: Barack Obama: Ein verheißenes Land. Penguin Verlag 2020, S. 169.
Wissenschaftliche Hilfskraft
NameRobert Bosse
Schreibberatung, Workshops
Eine verschlüsselte E-Mail über das SecureMail-Portal versenden (nur für TUD-externe Personen).
Dieser Beitrag erschien anlässlich des Schreibzentrumsnewsletters im Oktober 2023. Diese und weitere Newsletterausgaben sind im Newsletter-Archiv des Schreibzentrums verlinkt.
Schreibzentrum der TU Dresden
Eine verschlüsselte E-Mail über das SecureMail-Portal versenden (nur für TUD-externe Personen).
Besuchsadresse:
Fritz-Foerster-Bau, Raum 108 Mommsenstr. 6
01069 Dresden
Postadresse:
Technische Universität Dresden
Zentrum für Weiterbildung/
Schreibzentrum der TU Dresden
01062 Dresden
Das Schreibzentrum der TU Dresden (SZD) unterstützt Studierende und Lehrende mit Angeboten zum Planen und Schreiben verschiedener Texte im Studium wie Belege, Protokolle, Seminar- und Abschlussarbeiten und zur Vermittlung des akademischen Schreibens in Lehre und Betreuung. Alle Informationen zu Angeboten und Möglichkeiten der Unterstützung sind in den Bereichen für Studierende und Lehrende zu finden.