Dec 19, 2013
Amborella trichopoda
Die Blütenpflanzen sind nicht nur die Grundlage unserer Ernährung, sie spielen auch für die pflanzlichen Biodiversität mit etwa 350.000 Arten die wichtigste Rolle. Neben den charakteristischen Blüten besitzen die Pflanzen Samenanlagen, die in Fruchtblätter eingeschlossen sind. Evolutionsbiologisch stellen die Blütenpflanzen eine große Herausforderung dar, denn ihr Ursprung, den schon Charles Darwin erforschte, liegt noch weitgehend im Dunkeln. Will man die Entwicklungsgeschichte der Blütenpflanzen wissenschaftlich durchdringen, wecken vor allem die heute noch lebenden ursprünglichsten Vertreter der Blütenpflanzen das Interesse der Forscher.
Darunter spielt ein kleiner immergrüner Strauch mit recht unscheinbaren weißen Blüten, der heute nur auf der Süd-Pazifik-Insel Neukaledonien wächst eine ganz besondere Rolle: Amborella trichopoda. Diese Art ist der einzige überlebende Vertreter einer Entwicklungslinie, die mindestens 160 Millionen Jahre zurückreicht – bis zum Ursprung der Blütenpflanzen.
Ein internationales Forscherteam um den US-amerikanischen Professor Claude dePamphilis von der Pennsylvania State University hat nun das Erbgut dieser einzigartigen Pflanze enträtselt, welches am 20. Dezember 2013 in der Zeitschrift SCIENCE publiziert wird. An der Studie war auch das Institut für Botanik der Technischen Universität Dresden maßgeblich beteiligt.
Die Studie bestätigte, dass der Vorfahre aller Blütenpflanzen und damit auch Amborella, eine „Gesamt-Genom-Duplikation“ erfahren hat und „somit eine doppeltes Repertoire an Genen zur Verfügung hatte“, erklärt Dr. Stefan Wanke, der als Wissenschaftler an der Entschlüsselung des Erbgutes beteiligt war. Der Privatdozent an der TU Dresden erklärt weiter, dass dies nichts Ungewöhnliches sei: „In den unterschiedlichen Entwicklungslinien der Blütenpflanzen kam dies mehrfach vor, wie auch die meisten Pflanzengruppen im Laufe der Evolution des Öfteren diesen Schritt gegangen sind. Meist entstanden dabei keine so prominenten Neuerungen wie die Blüte, wie wir sie heute von Rosen oder Tulpen kennen. Dies gab es vor der Genom-Verdopplung nicht bzw. hat sich nicht erfolgreich durchgesetzt. Der Überschuss an genetischer Information, der durch eine diese Verdopplung entsteht, ermöglicht es Organismen etwas „Neues“ auszuprobieren. So bekommen duplizierte Gene zum Beispiel eine neue Funktion oder erhalten eine Unterfunktion des ursprünglichen Genes. Wenn das Neue keine Vorteile bringt oder sogar nachteilig ist, wird die zusätzliche Information einfach wieder „gelöscht“ oder an einem Ort des Genoms „abgelegt“ wo es keinen Schaden anrichtet.“
Heute gibt es nur noch etwa 15 Populationen von Amborella auf Neukaledonien. Neben zwölf repräsentativen Amborella-Individuen von Neukaledonien wurden auch je eine Pflanze aus den Botanischen Gärten der Universität Bonn und dem Botanischen Garten der Universität von Kalifornien, Santa Cruz, USA entschlüsselt. Populationsgenetische Analysen zeigen, dass Amborella im Laufe der letzten 900.000 Jahre mehrfach durch einen genetischen Flaschenhals gegangen ist, was jeweils zur genetischen Verarmung geführt hat. Heute sind die Vorkommen von Amborella durch die Abholzung der Wälder am Naturstandort akut bedroht.
„Außer den Botanischen Gärten der Universität Bonn, hat derzeit kein weiterer deutscher Garten ein Exemplar von Amborella in Kultur“, berichtet Professor Christoph Neinhuis, Direktor des Dresdner Botanischen Gartens, der vor kurzem selber diese seltene Art an ihrem Standort untersuchen konnte. „Wir hätten Saatgut oder Stecklinge vom Naturstandort für den Dresdener Garten bekommen können, sind aber derzeit nicht in der Lage, die notwendigen Kulturbedingungen zu schaffen, obwohl es für weitere Untersuchungen und die Lehre sehr interessant wäre, diese außergewöhnliche Pflanze in der Sammlung zu haben.“
Dr. Wanke und Prof. Neinhuis sind mit ihren Mitarbeitern an weiteren ähnlichen Projekten innerhalb dieses multinationalen Forscherteams beteiligt.
Informationen für Journalisten:
PD Dr. Stefan Wanke
Institut für Botanik
Tel. 0351 643-34281