17.12.2018
Eine wunderbare Ausnahme - TUD-Absolvent Frank Bartsch ist leitender Ingenieur und Jazztrompeter auf Spitzenniveau
Mathias Bäumel
Absolventen der TU Dresden, die in ihren MINT-Berufen, also auf den Gebieten Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, überregional Erfolg hatten und haben, gibt es in ganz Deutschland; sogar schon vor der Wende war die TUD auch im Westen für ihre top-ausgebildeten Absolventen nahezu berühmt.
Ehemalige der TU Dresden, die hier zwar MINT-Berufe studiert haben, jedoch umsattelten und bis heute im künstlerisch-kulturellen Bereich ihr berufliches Glück gefunden haben, sind ebenfalls bekannt – so der Schriftsteller Jens Wonneberger, die Schmuckhändlerin Marion Bogda, der Architekt und Panoramakünstler Yadegar Asisi, die Karikaturistin Barbara Henniger, der leider bereits verstorbene Musikpublizist Peter Zacher, der als »betrunkener Sachse« populär gewordene Kabarettist Olaf Böhme, der Komponist und Computermusiker Friedbert Wissmann, der Musiker, Fernsehjournalist und Schriftsteller Jürgen Magister ...
»Zweigleisige« jedoch, die einerseits ihren Fachberuf mit großem Erfolg dauerhaft ausüben und dennoch auch als Künstler weithin anerkannt sind, gibt es sehr wenige. Dazu gehörte der TUD-Professor vom Institut für Festkörpermechanik Klaus-Georg »Jockel« Eulitz, Banjo-Spieler und Sänger der Blue Wonder Jazzband, und eben Frank Bartsch, seit vielen Jahren einer der leitenden Wissenschaftler beim Unternehmen Großmann Ingenieur Consult (GICON), der als Jazztrompeter und -Flügelhornist sogar überregional eine feste Größe ist.
Unter Dresdner Jazzfreunden so richtig bekannt geworden sein dürfte Bartsch mit seinem Spiel in der Kult-Bigband The Real Monday Night Long Island Icetea Jazzfanatics Orchestra, die seit über zwanzig Jahren nahezu jeden Montag in Dresden auftritt. Durchgängig seit 1983 bläst Bartsch bei den Elb Meadow Ramblers in die »Kanne«, einer der führenden Dixieformationen in Deutschland. Stilistisch nahezu entgegengesetzt sind seine Projekte mit Andreas Scotty Böttcher und Lou Grassi (CD »Noises from an Open Window«) oder im Duo mit Scotty. Hier zeigen die Beteiligten, was freiere Improvisationen sein können, ohne in die »Kaputtspiel-Ästhetik« abzugleiten. Swing und Modern Jazz vom Feinsten zelebriert Bartschs Band EinheiZpartei, ebenfalls mit Scotty sowie Claas Larsen (dr) und Oliver Klemp (b). Und immer wieder tritt Bartsch auch im Projekt »Zwischen Bach und Blues« des Cellisten Ulrich Thiem auf – eine CD aus dem Jahre 2004 dokumentiert dies.
Seine erste wirklich eigene Band, das Frank Bartsch Quintett, gründete der Musiker im Jahre 2002. Anlass war das JazzFest Dresden, das anlässlich des 25. Geburtstages der IG Jazz stattfand, für das eigens eine Gruppe mit – überwiegend – Dresdner Musikern zusammengestellt werden sollte – neben Bartsch der Pianist Andreas Gundlach, der Bassist Tom Götze, der Schlagzeuger Heiko Jung sowie der Thüringer Altsaxofonist Stanley Blume. Seit den Erstauftritten dieses Quintetts hat sich bis heute die Besetzung von Bartschs Gruppen natürlich verändert.
Konzerte führten Bartsch bisher nach Bulgarien, China, Cuba, Deutschland, Großbritannien, Italien, Lettland, Polen, Schweiz, Teneriffa und Tschechien. Er spielt Jazz aller Stilrichtungen von traditionell bis free, in Duos ebenso wie in Bigbands. Bartschs Ton klingt weich und dennoch kräftig, erinnert an Chet Baker und an Clark Terry. Phrasierung und Sound klingen betörend, weise (ja, er kennt die Musik der großen Vorgänger!) und lebendig.
Interessant ist, dass Bartsch seine Biografie als Musiker bereits als Knirps startete – in Leipzig. Erst sieben Jahre alt, entdeckte er die Musik und das Musizieren für sich. Mit sechzehn spielte er in einer Gruppe unter dem Leipziger Gewandhauscellisten Karl-Heinz Werchau, später dann – zumindest hin und wieder – in einer Jazz-Bigband, die der ehemalige Posaunist der DDR-Kult-Band Panta Rhei, Ralph Stolle, leitete.
Als Bartsch 1983 von Leipzig nach Dresden zog und hier an der TUD sein Studium begann, nahm seine Karriere als Musiker Fahrt auf; er stieg bei den Elb Meadow Ramblers ein. In einer Beziehung war das für den Trompeter besonders folgenreich: Die »Ramblers« durften 1989 – noch vor der Wende – zu den Festlichkeiten »800 Jahre Hamburger Hafen« zwei Wochen lang auf dem Elbdampfer »Dresden« spielen, der im Hamburger Hafen lag. Dort in dieser Metropole sah er die Annonce der Konzerte von Clark Terry in »Dennis Swing Club«, besuchte drei dieser Clark-Terry-Konzerte und wurde seither vom Trompetenspiel dieses Großen der Jazzgeschichte »verzaubert«. Frank Bartsch fand so zu seinem Ton und seinem Stil!
Da war er beruflich wissenschaftlicher Assistent im Bereich Mess- und Automatisierungstechnik an der TU Dresden, in den späteren Jahren ab 1990 Mitarbeiter eines Ingenieurunternehmens, ab 1994 Fachbereichsleiter und dann Geschäftsbereichsleiter Technische Informatik bei GICON. Seine fachlichen Schwerpunkte sind Datenbanksysteme zur Erfassung und Abfrage von Umweltdaten, für Grundwasser- und Anlagenmanagement-Systeme sowie online-Immissionsüberwachung.
Beides, das Technisch-Berufliche wie das Musizieren, kann vom Ingenieur und Trompeter auf hohem Niveau nur geleistet werden durch Disziplin und durch die Akzeptanz seitens des Arbeitgebers und auch der Familie. »Auf der Trompete geübt wird täglich, wegen des Jobs dann eben oft auch erst spät abends«, so Bartsch, der ergänzt: »Ich habe nie wegen der Musik etwas Berufliches anbrennen lassen.« Andererseits akzeptiert GICON-Chef Jochen Großmann den künstlerischen Zweitberuf Bartschs: »Jochen Großmann hat nie gefragt, wann die Leistungen erbracht werden, Hauptsache war immer, dass die Arbeit erledigt wird. So konnte ich auch mal Proben, zum Beispiel im Schauspielhaus, tagsüber besuchen.«
Angetrieben wird Bartsch durch das Wesen des Jazz, wie er es versteht – klingendes Symbol eines menschlichen Miteinanders: »Jazz, wie ich ihn liebe, geht nur und ausschließlich durch Interaktion mit den Musikerkollegen. Er ist in der konkurrenzgesteuerten Welt von heute eine wunderbare Ausnahme.«
Bartschs Trompeten- bzw. Flügelhorn-Spiel kann auf gegenwärtig etwa zehn CDs nachgehört werden. Besser noch, man besucht (mindestens) einen seiner Live-Auftritte. Der nächste ist das Weihnachtskonzert am zweiten Weihnachtstag.
Das Konzert findet am 26. Dezember 2018, 16 Uhr: »Swinging Christmas« mit
Frank Bartsch, Tobias Hörig,
Lars Födisch und Patrick Neumann
in der Weinbergkirche Pillnitz statt.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 20/2018 vom 11. Dezember 2018 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.