Oct 05, 2021
Einhundert ist die magische Zahl der Nebenjobs
Für die Studentische Arbeitsvermittlung bringt Corona ein ständiges Auf und Ab
Beate Diederichs
Nebenjobs sind für viele Studierende unverzichtbar, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, oder zumindest ein willkommenes Zubrot. Die derzeitige Situation wirkt sich natürlich auch auf Angebot und Nachfrage auf dem studentischen Arbeitsmarkt aus – in manchen Branchen fallen Jobs fast völlig weg, dafür entstehen einzelne andere Arbeitsbereiche. Amelie Betz, Vermittlerin und Marketingkoordinatorin bei der Studentischen Arbeitsvermittlung (STAV) e. V., berichtet über das Auf und Ab der Jobsituation für Studierende in den letzten anderthalb Jahren und das Für und Wider des Vermittelns auf Distanz.
Einhundert ist die magische Zahl. So viele Nebenjobs stehen normalerweise auf der Homepage der STAV e. V. den Studierenden zur Auswahl. Vor dem Frühjahr 2020 suchten gewerbliche und private Arbeitgeber vor allem Nachhilfe- und Servicekräfte, Haushaltshilfen und Reinigungskräfte, Leute, die bei Umzügen helfen konnten, und welche, die sich mit IT auskannten. »Generell gab es bedeutend mehr Angebote als Studierende, die sich für die Jobs interessierten. Dies war allerdings abhängig von der Semesterphase: Kurz vor den Prüfungen fanden sich verständlicherweise weniger studentische Interessenten und Interessentinnen für die Nebenjobs, während es im September und Oktober, also nach den Prüfungen, recht viele waren. Außerdem kommen zu dieser Zeit diejenigen hinzu, die ihr Studium beginnen«, berichtet Amelie Betz. Die Masterstudentin ist eine der studentischen Vermittlerinnen und Vermittler im rund zehnköpfigen STAV-Team und koordiniert außerdem alles, was mit Marketing zu tun hat. Etwa im April 2020 kam dann der Einbruch auf nur 46 Jobs, die online standen. »Auch wenn wir im September 2020 unser System, die Angebote zu zählen, ein wenig umgestellt haben und die Zahlen vor dieser Zeit nur bedingt vergleichbar mit denen danach sind, war dieser Einbruch doch fühlbar«, so Amelie Betz weiter. Seitdem ist bezüglich des studentischen Arbeitsmarktes an der TUD nur eins beständig: der Wandel. »Es ist ein ständiges Auf und Ab«, resümiert die STAV-Mitarbeiterin. Im Sommer 2020 konnte die Arbeitsvermittlung einige wenige Angebote in der Gastronomie auf ihre Seite stellen. Im Herbst war auch das wieder vorbei. Der September 2020 lief noch vergleichsweise gut, im Oktober und November kam der erneute Einbruch. Zudem entfiel in der Weihnachtszeit das Aushängeschild der STAV, die Weihnachtsmannaktion. »Aufgrund der Auflagen wäre es zu kompliziert gewesen, diese durchzuführen«, sagt Amelie Betz. Auch alle Angebote, die mit Weihnachtsmärkten zu tun hatten, fielen weg, da es so gut wie keine Weihnachtsmärkte gab. Alles, was an Veranstaltungen irgendeiner Art gebunden war: gestrichen. »In der Zeit des Lockdowns gab es allgemein weniger Jobs, da die Angebote in der gesamten Gastronomie und in den anderen Branchen, die von dieser Maßnahme betroffen war, fehlten, also in Museen, bei Führungen, in Hotels und Hostels, im Tourismus und Einzelhandel generell. Arbeit im Büro, in Produktion und Lagern, für Kurierdienste, auf dem Bau und im Handwerk gab es dagegen noch. Dazu kamen einzelne Tätigkeiten in Test- oder Impfzentren«, so die ehrenamtliche Vermittlerin. Von Dezember 2020 bis April 2021 waren je rund 70 bis 80 Jobs online. Im April und Mai 2021 wuchs die Zahl der verfügbaren Jobs wieder: Einzelhandel und Gastronomie spielten hier eine wichtige Rolle. Sie hatten in der Schließzeit viele Aushilfskräfte verloren, die sie nun mit Studierenden ersetzen wollten. »Jetzt, seit dem Sommer, sind wir wieder bei rund 160 Angeboten, die wir online haben. Solche Zahlen haben wir selbst vor dem Frühling 2020 nur selten erreicht«, sagt Amelie Betz.
Und wie sieht es auf der Nachfrageseite aus? »Wir vermuten, dass viele Studierende für das digitale Studium an ihren Heimatorten geblieben sind. Diese interessieren sich dann natürlich nicht für studentische Jobs in Dresden«, beantwortet die STAV-Mitarbeiterin die Frage. Andererseits hätten einige aus dem STAV-Team in der Lockdownzeit mit einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage bei denjenigen Studierenden gerechnet, die in Dresden geblieben waren. Dies passierte nicht. Über die Gründe können Amelie Betz und das Team nur spekulieren. Obwohl viele Freizeitangebote wegfielen, hatten manche vielleicht in ihrer relativ isolierten Situation keine Energie, um zusätzlich noch nach einem Job zu suchen. Ein anderer Grund könnte sein, dass das digitale Studium für manche zeitraubender war als ein Präsenzstudium. Zudem passt nicht jeder Job für jeden Interessenten oder jede Interessentin: Auch wenn statistisch 70 bis 80 Jobs verfügbar sind, entsprechen diese oft nicht dem, was man selbst will oder kann. So konnten Studierende, die auf die Einkünfte aus einem langfristigen Gastronomiejob für ihren Lebensunterhalt angewiesen waren, schnell in eine prekäre Lage geraten, wenn dieser wegfiel. Darüber führt die STAV keine Statistik. Auskunft dazu kann jedoch das Studentenwerk geben. »Wir bearbeiten die Überbrückungshilfe-Anträge von Studierenden aller Hochschulen in unserem Zuständigkeitsbereich«, sagt Regina Heinrich, Geschäftsbereichsleiterin Beratung und Soziales beim Studentenwerk Dresden. Seit Juni 2020 können Studierende diese Anträge stellen. Bisher hat das Studentenwerk mehrere Tausend Anträge bearbeitet und rund 80 Prozent davon bewilligt. »In diesen Monaten ist die Zahl der Erstantragssteller deutlich zurückgegangen. Inzwischen sind 95 Prozent aller Anträge Folgeanträge – das bedeutet: Die meisten dieser Studierenden befinden sich mehr als zwei Monate in einer pandemiebedingten Notlage. Die Hauptgründe für diese Notlage sind entfallene oder pausierte Angestelltenverhältnisse (40 Prozent), entfallene Einkünfte aus Selbstständigkeit (12 Prozent) und entfallene familiäre Unterstützung (33 Prozent)«, so Regina Heinrich weiter. Sie fügt hinzu, dass die entfallenen Jobs beispielsweise zu 25 Prozent im Bereich Gastgewerbe und Transport und zu 13 Prozent im Bereich Groß- und Einzelhandel liegen.
Seit Frühjahr 2020 empfängt die STAV die Studierenden nicht mehr im Büro, um sie zu vermitteln oder um zu erläutern, wie die Vermittlung funktioniert. »Seitdem sind wir nur noch vier Stunden täglich im Büro, das reicht aus«, berichtet Amelie Betz. Alles Wichtige wird telefonisch oder online abgewickelt. Abgesehen von der Zeitersparnis für das Team hat das Vermitteln auf Distanz Vor- und Nachteile. Manche Studierenden kommunizieren lieber von fern. Ihnen kommt diese Arbeitsweise entgegen. Auch sie sparen so Zeit. »Wenn man den Vermittlungsablauf erklären will, ist persönlicher Kontakt allerdings meist hilfreich. Deswegen rufen wir Studierende, die sich neu registrieren, wenigstens einmal an, um direkt auf Fragen reagieren zu können, und regeln nicht alles online«, kommentiert Amelie Betz.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 15/2021 vom 5. Oktober 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.