10.01.2015
Nächste Generation Teilchenbeschleuniger
Bei den Wissenschaftlern der Kryotechnikgruppe am
Bitzer-Stiftungslehrstuhl für Kälte-, Kryo- und
Kompressorentechnik der TU Dresden startete zum Jahreswechsel
ein neues Projekt: Unter der Federführung des europäischen
Kernforschungszentrum CERN bei Genf werden die technischen
Voraussetzungen für einen Teilchenbeschleuniger der nächsten
Generation erarbeitet. Mit diesem Future Circular Collider
(FCC) sollen am Standort CERN später Endenergien von 100 TeV,
d.h. ein Vielfaches der heutigen Grenze, erreicht werden. Der
Beitrag der TU Dresden hat ein neuartiges und hocheffizientes
Konzept zur Realisierung der notwendigen Tieftemperaturkühlung
zum Inhalt.
Vor zwei Jahren ging die Nachricht um die Welt: Beim
europäischen Kernforschungszentrum CERN wurde ein wichtiger
Baustein der Materie gefunden, das sogenannte Higgs-Teilchen.
Dafür gab es 2013 den Physik-Nobelpreis. Technische Basis für
diese Entdeckung war der LHC-Teilchenbeschleuniger (Large
Hadron Collider), ein ringförmiges, hochevakuiertes Strahlrohr
mit 27 km Umfang. Dieses ist umgeben mit supraleitenden
Magneten, welche die Teilchen auf eine Kreisbahn zwingen. Die
Magnete müssen, um ihre Funktion zu erfüllen, auf eine
Temperatur von -271 °C abgekühlt werden, d.h. eine Temperatur
nur 2 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Zur Kühlung werden
bereits hier acht riesige Helium-Kälteanlagen benötigt, von
denen jede einzelne die größte Kälteanlage der Welt wäre. Gemäß
derzeitigem FCC-Design wird aufgrund der hohen Teilchenenergien
ein zusätzlicher thermischer Schild und damit eine zusätzliche
Kühlstufe bei 40 – 60 K erforderlich. Effiziente
Großkälteanlagen für diesen Temperaturbereich gibt bislang noch
nicht. An diesem Punkt kommt die TU Dresden ins Spiel.
„Vor einigen Jahren haben wir in einem ganz anderen
Zusammenhang – es ging um die optimale Prozessgestaltung für
künftige kommerzielle Wasserstoffverflüssigungsanlagen – eine
Idee für einen neuartigen Kältekreislauf erarbeitet. Maßgeblich
beteiligt war Prof. Hans Quack, der damalige Leiter der
Professur. Kernpunkt ist die Verwendung einer passenden
Mischung von Neon und Helium („Nelium“), die ein überlegenes
Kältemittel für exakt diesen Temperaturbereich darstellen kann.
Wie wir bemerkten, ist dieses Konzept zufällig auch bestens
geeignet für die benötigte 'beam screen cooling' beim FCC.
Unser Vorschlag, die benötigten Betriebs- und
Investitionskosten mittels neuartigen Kühlsystems deutlich zu
reduzieren, stieß beim CERN auf großes Interesse. Immerhin geht
es bei den Antriebskompressoren auch um
Dauer-Eingangsleistungen im Bereich von zirka 20 MW“, so PD
Christoph Haberstroh, Projektleiter an der TU Dresden.
An der Konzeptstudie sind eine große Anzahl von
Forschungseinrichtungen und Universitäten weltweit beteiligt,
darunter fast ausschließlich Teilchen- und
Beschleunigerphysiker. Die Wissenschaftler der TUD-Fakultät
Maschinenwesen ergänzen das Projektteam als Experten für die
nötige Tieftemperatur-Kühltechnik. Spätestens 2018 soll die
komplette Konzeptstudie zum Teilchenbeschleuniger der Zukunft
fertig ausgearbeitet sein.
Informationen für Journalisten:
Dr. Christoph Haberstroh
Tel.: +49 (0)351 463-33406, Fax: -37247