23.09.2020
Ingenieure verbinden Gehirne mit Computern über gedruckte 3D-Implantate
Die Verbindung des menschlichen Gehirns mit einem Computer ist normalerweise nur in der Science-Fiction zu sehen, aber jetzt hat ein internationales Team von Ingenieuren und Neurowissenschaftlern der Universität Sheffield (Großbritannien), der Staatlichen Universität St. Petersburg (Russland) und der Technischen Universität Dresden (Deutschland) die Möglichkeiten des 3D-Drucks genutzt, um die Technologie einen Schritt näher an die Realität heranzuführen.
In einer neuen Studie, die in Nature Biomedical Engineering veröffentlicht wurde, hat das Team unter der Leitung von Professor Ivan Minev (ein Alumnus des BIOTEC, TU Dresden, jetzt am Department of Automatic Control and Systems Engineering, Universität Sheffield) und Professor Pavel Musienko (St. Petersburg State University) einen Prototyp eines neuronalen Implantats entwickelt, das zur Entwicklung von Behandlungsmethoden für Probleme im Nervensystem eingesetzt werden könnte.
Das Nervenimplantat wurde zur Stimulation des Rückenmarks von Tiermodellen mit Rückenmarksverletzungen verwendet und könnte nun zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für menschliche Patienten mit Lähmungen eingesetzt werden. Die Proof-of-concept-Technologie hat in der Studie gezeigt, dass sie auch gut auf die Oberfläche eines Gehirns, des Rückenmarks, peripherer Nerven und Muskeln passt und somit Möglichkeiten bei anderen neurologischen Erkrankungen eröffnet.
Das menschliche Gehirn über eine neuronale Schnittstelle mit einem Computer zu verbinden, ist ein Ziel vieler Forscher in Wissenschaft, Technik und Medizin, wobei jüngste Berichte in den Medien die Bemühungen zur Entwicklung der Technologie hervorheben. Die Innovation auf diesem Gebiet wird jedoch durch die enormen Kosten und die lange Entwicklungszeit für die Herstellung von Prototypen behindert, die für die Erforschung neuer Behandlungsmethoden benötigt werden.
Die Technologie verspricht ein großes Potenzial für neue medizinische Behandlungen von Verletzungen des Nervensystems auf der Grundlage einer Fusion von Biologie und Elektronik. Die Vision stützt sich auf Implantate, die kleinste elektrische Impulse im Gehirn und im Nervensystem wahrnehmen und liefern können.
Das Team hat gezeigt, wie mit Hilfe des 3D-Drucks Prototypen von Implantaten viel schneller und kostengünstiger hergestellt werden können, um die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zu beschleunigen. Die Implantate können leicht an bestimmte Bereiche oder Probleme innerhalb des Nervensystems angepasst werden.
Mit der neuen Technik kann ein Neurowissenschaftler einen Entwurf in Auftrag geben, den das Ingenieurteam in ein Computermodell umformen kann, das die Anweisungen an den Drucker weiterleitet. Der Drucker trägt dann eine Palette biokompatibler, mechanisch weicher Materialien auf, um den Entwurf zu realisieren. Das Implantat kann schnell geändert werden, wenn Änderungen erforderlich sind, so dass Neurowissenschaftler ihre Ideen für mögliche Behandlungen schneller und kostengünstiger testen können.
Ivan Minev, Alumnus des BIOTEC, TU Dresden, jetzt als Professor for Intelligent Healthcare Technologies am Department of Automatic Control and Systems Engineering, Universität Sheffield, sagte: "Die Forschung, die wir an der TU Dresden begonnen haben und hier in Sheffield fortführen, hat gezeigt, wie der 3D-Druck genutzt werden kann, um Prototypen von Implantaten mit einer Geschwindigkeit und zu Kosten herzustellen, wie es bisher nicht möglich war, und das alles unter Beibehaltung der Standards, die für die Entwicklung eines nützlichen Geräts erforderlich sind. Die Leistungsfähigkeit des 3D-Drucks bedeutet, dass die Prototyp-Implantate schnell geändert und bei Bedarf wieder reproduziert werden können, um die Forschung und Innovation im Bereich der neuronalen Schnittstellen voranzutreiben".
Die Forscher haben gezeigt, dass 3D-Drucker Implantate herstellen können, die mit Gehirn und Nerven kommunizieren können. Im Anschluss an diese frühen Arbeiten will das Team zeigen, wie robust die Geräte sind, wenn sie über lange Zeiträume implantiert werden.
Das Ziel des Teams ist es jedoch, in die Klinik zu gehen und Neurochirurgen die Möglichkeiten der personalisierten Medizin zu eröffnen.
Professor Minev fügte hinzu: "Die Patienten haben unterschiedliche anatomische Gegebenheiten, und das Implantat muss an diese und ihre besonderen klinischen Bedürfnisse angepasst werden. Vielleicht wird das Implantat in Zukunft direkt im Operationssaal bedruckt werden, während der Patient auf die Operation vorbereitet wird".
Veröffentlichung:
Nature Biomedical Engineering: „Rapid prototyping of soft bioelectronic implants for use as neuromuscular interfaces“, Autoren: Dzmitry Afanasenkau, Daria Kalinina, Vsevolod Lyakhovetskii, Christoph Tondera, Oleg Gorsky, Seyyed Moosavi, Natalia Pavlova, Natalia Merkulyeva,, Allan V. Kalueff, Ivan R. Minev, Pavel Musienko
https://www.nature.com/articles/s41551-020-00615-7#article-info, doi: https://doi.org/10.1038/s41551-020-00615-7
Das Biotechnologische Zentrum (BIOTEC) wurde 2000 als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der TU Dresden mit dem Ziel gegründet, modernste Forschungsansätze in der Molekular- und Zellbiologie mit den in Dresden traditionell starken Ingenieurswissenschaften zu verbinden. Seit 2016 ist das BIOTEC eines von drei Instituten der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung Center for Molecular and Cellular Bioengineering (CMCB) der TU Dresden. Das BIOTEC nimmt eine zentrale Position in Forschung und Lehre im Forschungsschwerpunkt Molecular Bioengineering ein und verbindet zellbiologische, biophysikalische und bioinformatische Ansätze miteinander. Es trägt damit entscheidend zur Profilierung der TU Dresden im Bereich Gesundheitswissenschaften, Biomedizin und Bioengineering bei.
www.tu-dresden.de/biotec
www.tu-dresden.de/cmcb
Informationen für Journalisten:
Dr. Magdalena Gonciarz
Center for Molecular and Cellular Bioengineering (CMCB)
PR Officer
Tel.: 0351 458-82065
Emma Griffiths
The University of Sheffield
Media and PR Assistant
+44 114 222 1034