Jun 18, 2013
Kalzium auf die Präzisionswaage gelegt
Ein internationales Physikerteam hat die Massen von
exotischen Nukliden des Elements Kalzium experimentell
bestimmt. Die Wissenschaftler, darunter auch Forscher um Kai
Zuber von der TU Dresden, nutzten dazu das ISOLTRAP Experiment
am Europäischen Forschungszentrum CERN. Die Physiker fanden
heraus, dass die Atomkerne besonders stabil sind, wenn sie 32
Neutronen aufweisen. Die Ergebnisse sind bedeutend für den
Abgleich mit Theorien über die Struktur des Atomkerns und
werden diese Woche im Wissenschaftsjournal „Nature“
vorgestellt.
Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen. Phänomene wie
Radioaktivität oder Kernspaltung lassen sich mit Reaktionen
dieser Teilchen erklären. Doch was sich dabei ganz genau im
Atomkern abspielt, ist theoretisch sehr schwer zu beschreiben.
So gibt es mehrere konkurrierende Modelle über den Aufbau von
Atomkernen. Seit einiger Zeit gilt eine neue Theorie als
erfolgversprechender Ansatz: die sogenannte Effektive
Feldtheorie. Die Forschergruppe hat nun die Massen der
exotischen Nuklide 53Ca und 54Ca auf ein Promille genau
gemessen. Dabei zeigte sich, dass die Messdaten exakt zu den
Vorhersagen der neuen Theorie passen. Kai Zuber bewertet die
Ergebnisse als großen Erfolg: „Wir konnten zeigen, dass die
Effektive Feldtheorie offenbar ein gutes Modell ist, um auch
solche instabilen Atomkerne zu beschreiben.“
Für ihre Versuche produzierten die Physiker die beiden Nuklide
53Ca und 54Ca, indem sie Uran mit hochenergetischen Protonen
beschossen. Die entstehenden Isotope wurden in ein
Präzisionsmassenspektrometer gelenkt, das die einzelnen Sorten
von Atomkernen sehr effektiv voneinander separieren kann. Der
Ionenstrahl wird dazu viele Male innerhalb des Bauteils
reflektiert, so dass die Teilchen Flugwege von mehreren
Kilometern zurücklegen. Ähnlich wie die unterschiedlich starken
Läufergruppen bei einem Marathon-Wettkampf trennen sich dabei
die verschiedenen Nuklide voneinander. Die zu untersuchenden
Teilchen werden anschließend in eine Penning-Falle gelenkt, wo
man ihre Massen bestimmen kann. Ein Magnetfeld zwingt die Ionen
in der Falle auf eine kreisförmige Bahn. Aus der Frequenz
dieser Kreisbewegung lässt sich die Masse der Teilchen präzise
bestimmen.
Die Messungen sind nicht nur wichtig für den detaillierten Test
von konkurrierenden Modellen über die Struktur von Atomkernen.
Sondern sie berühren auch ein zentrales Thema der
astrophysikalischen Forschung: die Entstehung der chemischen
Elemente. Sämtliche schweren Elemente im Kosmos bilden sich
durch Kernreaktionen in den Sternen. Bei diesen Prozessen
fangen stabile Atomkerne Neutronen oder Protonen ein, wodurch
stabile Nuklide entstehen, die wieder zerfallen und dabei in
schwerere Elemente übergehen. Beeinflusst werden diese Vorgänge
ganz entscheidend durch die Kernmassen. Somit sind genau
bestimmte Massen der Schlüssel dazu, die Entstehung von
Elementen nachzuvollziehen und ihre Häufigkeitsverteilung
erklären zu können.
Die Studie ist unter folgendem Originaltitel im Fachmagazin
Nature erschienen:
Frank Wienholtz et al: Masses of exotic calcium isotopes pin
down nuclear forces,
Nature, Vol. 498, No 7454, p. 346 – 349,
http://dx.doi.org/10.1038/nature12226
Abbildung: Kristalle von reinstem (99,99 Prozent) Kalzium.
Aus: Alexander C. Wimmer: "Die Chemischen Elemente", SMT, 2011,
ISBN: 978-3-200-02434-2 (Wikipedia).
Kontakt:
Prof. Kai Zuber, TU Dresden,
Institut für Kern- und Teilchenphysik,
Tel.: 0351 463-42250,