Mar 29, 2022
Klöster sind immer anders
Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte und Kino im Kasten zeigen Filmreihe »Klöster im Kino«
Mirko Breitenstein
Das Kino ist ein Ort, der Welten eröffnet – metaphorisch, aber immer auch real. Filme zeigen nicht nur Bilder, sondern produzieren sie und prägen auf diese Weise unser kulturelles Gedächtnis. In Filmen sehen wir, was uns sonst verborgen bleibt – um den Preis freilich, dass sie wiederum solche Bilder überdecken, die wir aus Lektüre oder eigener Anschauung gebildet haben.
Freilich zählen Klöster im 21. Jahrhundert für die meisten Menschen zu jenen Orten, die sie nicht aus eigener Erfahrung kennen – zumindest solche, die sich nicht nur museal präsentieren, sondern in denen Frauen oder Männer noch heute nach einer festen und verbindlichen Ordnung, eben klösterlich, leben. Somit lässt sich sagen: Was wir über Klöster wissen, wissen wir ganz wesentlich durch mediale Vermittlung, wobei dem Film eine besondere Rolle zukommt. Dabei ist es vergleichsweise nebensächlich, ob es sich um einen im Mittelalter angesiedelten Historienfilm oder einen aktuellen Tatort handelt. Was beide verbindet, ist der Charakter des Dargestellten: Klöster sind immer anders.
Warum Klöster anders sind und wie diese Andersheit präsentiert wird, soll nun im Kino selbst erleb- und nachvollziehbar werden: Im kommenden Sommersemester möchte die Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte (FOVOG) der TU Dresden gemeinsam mit dem Kino im Kasten (KiK), dem studentischen Programmkino der TUD, eine auf zwei Semester angelegte Filmreihe »Klöster im Kino« starten. Gezeigt werden insbesondere Spielfilme, in denen klösterliches Leben zentraler Gegenstand ist, aber auch ausgewählte Dokumentationen.
Begleitet wird diese Filmreihe durch eine von der FOVOG und der Professur für Medienwissenschaft und Neuere deutsche Literatur gemeinsam durchgeführte Lehrveranstaltung. In diesem Rahmen sollen Studierende sich nicht nur mit der Welt der Klöster und Orden vertraut machen können, sondern auch eine Einführung in die Methoden der Analyse von Spiel- und Dokumentarfilmen erhalten – denn zu verstehen, wie Filme wirken, heißt auch zu verstehen, wie unser kulturelles Gedächtnis gefüllt wird. Neben den Klöstern geht es somit auch um Theorien fiktionaler Räume, als die die Klöster im Film ja beispielhaft begegnen. Darauf aufbauend wird die Semiotisierung filmischer Räume und die wiederum filmische Reflexion des Bedeutungswandels dieser »anderen Räume« im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen in den Blick genommen.
Ein solcher Zugriff bietet sich aus mehreren Gründen an: Zum einen sind Klöster ein Phänomen mit langer Geschichte und in beständigem Austausch mit der sie umgebenden Welt. Zum anderen aber fungieren sie trotz einer über lange Zeit hohen gesellschaftlichen Prägekraft als Räume des Geheimnisvollen, des Verborgenen. Damit werden Klöster zu Projektionsflächen nicht nur von Bedürfnissen, sondern auch von Phantasien.
Auch wenn ihre gesellschaftliche Bedeutung in der Moderne deutlich zurückgetreten ist, stehen Klöster doch noch immer für ein bestimmtes Lebensmodell der Suche – traditionell nach Gott, heute vielleicht ganz allgemein nach Sinn. Sie sind Orte der Stille und des Gebets, aber ebenso kulturelle, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Zentren. Sie sind Orte des Rückzugs, haben die Welt aber über Jahrhunderte hinweg doch wesentlich mitgestaltet. Sie sind Orte, die immer auch schon anderen, jenseitigen Räumen – dem Trans-zendenten – angehören. Dass Klöster als Orte einer Andersheit heute trotz ihres zunehmenden realen Verschwindens dennoch allgemein bekannt und mit bestimmten Vorstellungen besetzt sind, verdankt sich wesentlich auch ihrer Präsenz im Film.
Die Filmreihe beginnt am 2. Mai, 20 Uhr, im KiK mit Jacques Rivettes Verfilmung von Diderots »Die Nonne« (1966) – einem eindrucksvollen Film über Freiheitsdrang und soziale Konventionen, der bei seinem Erscheinen solches Aufsehen erregte, dass er gleich wieder verboten wurde. Klöster, so wird deutlich, bewegen auch noch die Moderne.
Das Programm der Filmreihe ist unter www.kino-im-kasten.de sowie www.fovog.de abrufbar.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 6/2022 vom 29. März 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.