Mar 01, 2022
Lehre sollte Lernenden und Lehrenden Spaß machen
Prof. Stefan Odenbach ist einer der besten TUD-Hochschullehrer – und legt viel Wert auf die Meinung seiner Studierenden
Beate Diederichs
Vor einigen Wochen erhielt der Hochschullehrer Prof. Stefan Odenbach im Rahmen des Lehrpreises für das Studienjahr 2020/21 eine gesonderte Anerkennung. Dafür hatte sich eine Gruppe seiner Studierenden an der Fakultät Maschinenwesen eingesetzt. Das zeigt: Die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure schätzen die Lehre des Professors sehr. Anlässlich der Ehrung berichtet Stefan Odenbach, was aus seiner Sicht einen guten Hochschuldozenten ausmacht, warum hochwertige Lehre wichtig ist und wie eine durchdachte Mischung aus analogem und digitalem Unterrichten aussehen könnte.
Zur Person: Stefan Odenbach wurde in Leverkusen geboren und ist 57 Jahre alt. Er hat seit 2005 die Professur für Magnetofluiddynamik, Mess- und Automatisierungstechnik an der Fakultät Maschinenwesen der TUD inne. Seit 2012 ist er Studiendekan für Maschinenbau und seit 2016 Studiendekan des Aufbaustudiengangs Textil- und Konfektionstechnik.
UJ: Herr Odenbach, wie würden Sie sich selbst als Hochschullehrer beschreiben?
Prof. Odenbach: Mir ist es wichtig, wirklich ein Lehrer an der Hochschule zu sein, also jemand, der Wissen vermittelt, natürlich auf der Basis einer stabilen Forschung. Ich bemühe mich stets, innovativ zu unterrichten. So zeichne ich bereits seit zehn Jahren meine Vorlesungen auf, um sie auch einem Publikum zugänglich zu machen, das nicht vor Ort ist. Zu Beginn der derzeitigen Krise musste ich zudem schnell kreative Lösungen finden, meinen Stoff online zu vermitteln. Bei meiner Vorlesung zur Mess- und Automatisierungstechnik mit Praktikum, an der meist eine größere dreistellige Zahl Studierender teilnimmt, konnte ich zum Beispiel das Praktikum zum ersten Mal nicht in Präsenz an der Uni durchführen. So gab ich den Studierenden eine Versuchsanleitung für Experimente an die Hand, mit der sie die Versuche bei sich zu Hause aufbauen, machen und auswerten konnten. Das funktionierte gut. Man muss manchmal einfach den Mut haben, Dinge auszuprobieren.
Innovativ und kreativ zu sein, gehört also für Sie zu einer guten Hochschullehre dazu. Was ist sonst noch wichtig?
Die Grundlage der Arbeit ist: Wissen zu vermitteln, das die Studierenden für ihren Abschluss und in ihrer späteren Tätigkeit brauchen. Doch das bildet nur das Minimum dessen, was gute Lehre leisten muss. Es sollte den Lernenden Spaß machen zu lernen und, das ist essenziell, auch den Lehrenden Freude machen zu lehren. Man muss seine Veranstaltungen so gestalten, dass sie zeitgemäß sind, und dabei beachten, wie die Studierenden heutzutage Wissen aufnehmen. Dazu analysiere ich zu Beginn jeder Lehrveranstaltung ihr Lernverhalten. Fachlich muss ich als Hochschullehrer selbstverständlich auf dem neuesten Stand sein und möglichst bereits auf technische Entwicklungen eingehen, die erst in ein paar Jahren voll zum Tragen kommen werden – nämlich dann, wenn die Studierenden im Beruf stehen. So sollten beispielsweise angehende Messtechnikerinnen und Messtechniker wissen, inwiefern Daten zuverlässig sind, die man erhält, wenn man Gebäude mit Thermokameras vermisst, und wo dieses Verfahren fehleranfällig oder verfälschbar ist.
Die Studierenden schätzen Ihre Lehre sehr. Daher haben sie sich dafür eingesetzt, dass Sie im Rahmen des Lehrpreises fürs Studienjahr 2020/21 eine von fünf gesonderten Anerkennungen erhalten. Dies passierte dann auch. Wie zeigt Ihnen Ihre Zielgruppe noch, dass Sie ein guter Hochschullehrer sind?
Die Studierenden haben dafür gesorgt, dass ich 2010, 2016 und 2020 den fakultätsinternen »Preis für Innovation in der Lehre« erhielt. Das hat mich sehr gefreut, weil ich so sah, dass ich etwas bewirke. Außerdem bekomme ich pro Semester rund 30 bis 40 Mails von Studierenden, in denen sie sich bei mir für meine Lehrveranstaltungen bedanken. Ein Beispiel dazu, das mir gerade einfällt: Ein Student hat durch eine hochwertige Präsentation bei der Diplomprüfung seine Endnote entscheidend verbessert. Zuvor hatte er eine Veranstaltung von mir besucht, in der er lernte, wie man anschauliche und ansprechende Präsentationen erstellt. Er schrieb mir gleich nach der Prüfung und dankte mir. Kritik bekomme ich natürlich auch manchmal. Dafür bin ich sehr dankbar, denn so kann ich meine Lehre weiter verbessern. Daher finde ich auch die Evaluationsbögen der Studierenden so wertvoll. Wenn sie darin schreiben, welchen Teil meiner Erklärungen sie nicht verstanden haben, kann ich dort konkret ansetzen. Manche Zusammenhänge sind für einen Dozenten, der die Materie schon lange unterrichtet, sonnenklar. Doch man darf nicht vergessen, dass die Studierenden sich erst in unsere Wissenschaft einarbeiten müssen.
Stichwort: Lehre weiter verbessern. Was investieren Sie, um auf dem neuesten didaktischen Stand zu sein?
Als ich Studiendekan wurde, war meine erste Amtshandlung, für mich und meine Kollegenschaft eine Fortbildung zur Lehre im Maschinenbau zu organisieren. Ich wusste ja: Als Dozent an der Hochschule ist man diesbezüglich meist eher autodidaktisch unterwegs. Außerdem bin ich dabei, die Konferenz »Lessons Learned« zu etablieren. Darin werden die Erfahrungen und Modelle aus der Onlinelehre vor allem seit 2020 zusammengetragen und interessierten Lehrenden als Anregungen präsentiert. Aus meiner Sicht geht es in Zukunft darum, intelligente Konzepte zu entwickeln, Präsenz- und Onlineelemente zu verknüpfen, also gute Hybridlehre zu bieten. Die digitalen Formate werden nicht wieder verschwinden und sind für viele Zwecke sehr hilfreich. So kann man nicht nur Lehrstoff asynchron, also zeitversetzt, zugänglich machen, sondern auch Formate kreieren, die die selbstständige Arbeit massiv fördern. Sie regen nämlich beispielsweise zu eigenständiger Recherche an, die über das hinausgeht, was in der Vorlesung vermittelt wird. Doch bei der Präsenzlehre tauschen sich junge Menschen und ihre Lehrkräfte auf akademischem Niveau direkt miteinander aus. Hier sozialisieren sie sich innerhalb des Hochschulbetriebs, zum Beispiel bei Diskussionen. Wenn wir nur Fernunterricht anböten, würden wir dies verlieren.
Was raten Sie anderen Lehrkräften, die innovativer unterrichten möchten?
Es kommt tatsächlich öfter jemand aus der Kollegenschaft auf mich zu, der oder die diesen Wunsch hat und meinen Rat möchte. Das war vor allem zu Beginn des Onlineunterrichts 2020 der Fall, weil man wusste: Ich drehe seit Jahren Videos meiner Veranstaltungen. Also habe ich bereits Erfahrung in der Fernlehre. Wir aus der Fakultät Maschinenbau haben unsere Konzepte gezielt untereinander ausgetauscht. Ansonsten kann ich nur die erwähnte Konferenz »Lessons Learned« empfehlen. Wer Ideen zur innovativen Lehre braucht, sollte daran teilnehmen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 4/2022 vom 1. März 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.