Sep 30, 2022
Mehr als nur Bahnhof verstehen: Die Arbeit des Translation Office der TU Dresden
Zum Internationalen Tag des Übersetzens, der jedes Jahr am 30. September gefeiert wird, stellt sich das Translation Office der TU Dresden vor und gibt einen Einblick in seine Arbeit, die viel mehr ist als reine Übertragung von Wörtern.
„Vielen ist unklar, was eine Übersetzung eigentlich beeinhaltet. Die reine Erstübersetzung nimmt nur einen Teil der Zeit ein, die wir mit einem Text verbringen,“ sagt Peter Krüger, Leiter des Translation Office. Er kam 2016 mit der Gründung des Office an die TU Dresden, nachdem er ursprünglich Politikwissenschaften und Französisch in London studiert hat und anschließend lange im privaten Sektor tätig war, wo das Übersetzen immer mit zu seinen Aufgaben gehörte. Teammitglied Eliot Reiniger, der in den USA Sprachwissenschaften und in Germersheim Übersetzen studiert hat, bestätigt, dass insbesondere bei Fachtexten die Recherche im Internet oder Fachwörterbüchern einen wesentlichen Teil des Übersetzens ausmacht. Ein weiter wichtiger Teil ihrer Arbeit ist aber die redaktionelle Bearbeitung der Texte. Egal, ob es um eine Pressemitteilung oder eine Webseitenübersetzung geht, „wir schauen immer: Gibt es einen Spannungsbogen, sind die Begriffe einheitlich? Unser Anspruch ist immer, dass auch jemand, der kein Deutsch spricht, aus dem Text selbst den Inhalt versteht,“ fasst Peter Krüger zusammen.
Das ist bei wissenschaftlichen Texten und insbesondere deutschen Verwaltungsdokumenten mitunter eine größere Herausforderung, die zu detaillierten Abwägungen der einzelnen Wortdefinitionen im Team führen kann. Gerade das schätzen die Mitglieder des Translation Office aber besonders. Der Brite Ash Guest, der in Leipzig seinen Master in Japanologie gemacht hat, freut sich, jeden Tag mit Menschen arbeiten zu können, die wie er Spaß am Umgang mit der Sprache haben und das gemeinsame Rätseln beim Übersetzen mögen. Auch die internationale Zusammensetzung des Teams erweist sich dabei von Vorteil, so können die Englisch-Muttersprachler:innen gerade bei komplizierteren Texten immer auf ihre deutschen Kolleg:innen zukommen, wenn sie trotz ihrer hervorragenden Deutschkenntnisse einmal Probleme mit der Übersetzung haben.
Übersetzen ist ohnehin grundsätzlich Teamarbeit. So gibt es nicht nur eine ISO-Norm, die das Vier-Augen-Prinzip für Übersetzungen vorschreibt. Auch im Translation Office folgt nach der Erstübersetzung besonders bei Großprojekten eine Besprechung des Entwurfs im gesamten Team. Die Diskussionsergebnisse fließen in den Text ein, der dann final korrekturgelesen wird. Und wenn selbst die Diskussion im Team nicht hilft, die Bedeutung eines Textes zu verstehen, kann es auch zu Rückfragen an die Verfasser:innen kommen. „Wenn wir den deutschen Satz nicht verstehen, können wir ihn nicht übersetzen,“ sagt Peter Krüger. „Ich frage dann: Können Sie mir das in eigenen Worten noch einmal erläutern? Dabei kommt es durchaus vor, dass auch der deutsche Text noch einmal angepasst wird. Frustrierend wird es aber, wenn die Textverantwortlichen dann dennoch sagen ‚Das haben wir schon immer so geschrieben‘ und nichts ändern.“
So kann es durchaus sein, dass ein englisches Dokument leichter verständlich ist als das deutsche Original. Anne Flämig, die nach ihrem Übersetzerstudium weltweit gearbeitet hat, bevor sie an die TU Dresden kam, kann selbst der Übersetzung von Verwaltungsdokumenten etwas abgewinnen, denn für internationale Wissenschaftler:innen sind diese eine große Hilfe im Umgang mit der deutschen Bürokratie.
Gerade bei standardisierten Texten wie Datenschutzverordnungen, die als IT-Dokumente in den Verantwortungsbereich von Ash Guest und dem ehemaligen Lehrer für Englisch und Russisch, Holger Pöhlmann, fallen, greift das Translation Office auch auf technische Hilfe zurück: Das spezielle Übersetzungstool beinhaltet ein Translation Memory System, das schon einmal übersetzte Texte speichert, sowie eine Terminologie-Datenbank, mit der man Vokabellisten anlegen kann. Für neu zu bearbeitende Texte schlägt es dann bereits vorhandene und geprüfte Übersetzungen vor. Da das System aber auf Basis von händischen Übersetzungen arbeitet, hat das nichts mit online verfügbarer Übersetzungssoftware zu tun, die man stets mit Vorsicht genießen sollte.
Obwohl auch das Lektorat und Korrektorat von auf Englisch verfassten Texten zu den Serviceleistungen des Translation Office gehören, bitten die Teammitglieder geschlossen darum, auf solche Vorübersetzungen zu verzichten. Eliot Reiniger erklärt: „Die maschinelle Übersetzung wird zwar immer besser, aber wir haben spezifische Fachtermini und Benennungen an der Uni, mit denen Google oder DeepL überhaupt nicht klarkommen. Da kann diese Vorübersetzung auch verwirren. Dazu kommt, dass manche Texte auch im Deutschen nicht perfekt sind und nur wir als fühlende, denkende Menschen können auch mitdenken und herausfinden, was eigentlich gemeint ist oder Rückfragen stellen.“ Außerdem freuen sich die Mitglieder des Translation Office, wenn für Übersetzungsanfragen genügend Zeit eingeplant wird. Vor allem bei größeren Projekten wie Imagebroschüren und Marketingmaterialien werden sie gern von Anfang an in den Prozess einbezogen, bei kleineren Texten genügt aber die Zusendung der finalen Fassung, wenn möglich als Word- oder auch Powerpointdatei, nicht als PDF.
Neben dem Lektorat oder der Übersetzung von Pressemitteilungen, Verwaltungstexten, Videountertiteln und Marketingmaterialien gehört zum Serviceangebot auch das Dolmetschen bei Veranstaltungen und die sogenannte Transkreation. Dabei müssen die Übersetzer:innen besonders kreativ werden, weil eine wörtliche Übersetzung nicht möglich ist, so wird beispielsweise aus dem „TU-was-Pfad“ am Hörsaalzentrum der „Highway-TU-Health“. Außerdem ist das Translation Office für die Übersetzung der zentralen Webseiten zuständig und unterstützt auf Anfrage auch bei den dezentralen Seiten. Speziell für diese Aufgabe wurden im letzten Jahr Eliot Reiniger und seine Kollegin Larissa McCurrie angestellt. Davor hat Larissa McCurrie Deutsch und Französisch in England studiert und kam schließlich durch ihre Arbeit in einem Dresdner Unternehmen in die Stadt. Eine Besonderheit beim Übersetzungsservice für Webseiten: Wenn ihnen die entsprechenden Rechte übertragen werden, pflegen Larissa McCurrie und Eliot Reiniger die Übersetzung direkt in das WebCMS ein.
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