May 31, 2013
Viel Wirbel um „magnetische Wirbel“
Ein vor 80 Jahren postuliertes physikalisches Phänomen, die Existenz magnetischer Monopole, könnte den entscheidenden Schritt zur Realisierung neuartiger extrem kompakter und langlebiger Datenspeicher durch magnetische Wirbel, sogenannte Skyrmionen, liefern. In der heutigen (31.5.2013) Ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift Science beschreiben Forscher der Technischen Universität Dresden, der Technischen Universität München und der Universität zu Köln die Beobachtung künstlicher magnetischer Monopole, die allerdings nur innerhalb des Festkörpers existieren. Mehr noch, die Skyrmionen lassen sich mit Hilfe solcher Monopole sogar löschen.
Jeder kennt den Schulversuch, bei dem Eisenspäne auf ein Blatt Papier verteilt werden, unter dem ein Stabmagnet versteckt ist. Die Späne ordnen sich dabei entlang der magnetischen Feldlinien aus und zeigen so Nord- und Südpol des Magneten an. Egal wie oft man den Magneten teilt und verkleinert, er weist immer einen Nord- und einen Südpol auf. Anfang der 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts jedoch postulierte der Physiker Paul A. M. Dirac ein Teilchen, das als magnetisches Pendant des Elektrons nur einen magnetischen Pol besitzen und nur eine magnetische Elementarladung tragen sollte. Seither ist es jedoch keinem Forscher gelungen, einen freien magnetischen Monopol nachzuweisen.
Eine spezielle Klasse von magnetischen Objekten sind nun Skyrmionen, die als magnetische Wirbel besonders stabil sind. Gerade für magnetische Datenspeicher wäre das von großem Vorteil. In den letzten Jahren suchen die Forscher daher intensiv nach Materialien, in denen sich solche Skyrmionen ausbilden können. Für deren Nachweis ist es wichtig zu wissen, dass diese magnetischen Wirbel die Bewegung der Elektronen genau so beeinflussen, wie das magnetische Felder tun. Es liegt daher nahe diese Wirbel und die Kräfte, die sie auf Elektronen ausüben, als künstliche Magnetfelder zu beschreiben; auch wenn das keine „echten“ Magnetfelder sind, kann man sie trotzdem in ihrer Wirkung auf Elektronen genau wie normale Magnetfelder experimentell vermessen.
Die Forscher stellten sich nun dieser Herausforderung solche
Wirbel an der Oberfläche des Materials zu vermessen, und weiter
noch, sie stellten sich die Frage was denn passieren würde,
wenn man versuchte solche magnetischen Wirbel zu zerstören.
Dazu untersuchte die Arbeitsgruppe um Prof. Eng von der TU
Dresden die magnetischen Wirbel mit einem magnetischen
Kraftmikroskop: Eine winzige magnetische Spitze tastet die
Oberfläche der Probe ab, bestimmt die Richtung der
Magnetisierung, und macht so die winzigen magnetischen Wirbel
sichtbar. Dabei wurde ebenfalls beobachtet, wie die Wirbel an
der Oberfläche verschmelzen.
Aber was passiert dabei im Inneren des Materials? Messungen an der Forschungs-neutronenquelle FRM II durch die Gruppe von Prof. Pfleiderer in München zeigten, dass dort ähnliche Prozesse wie an der Oberfläche ablaufen, aber einzelne Wirbel können mit dieser Methode nicht beobachtet werden. Deshalb führte die Arbeitsgruppe um Prof. Rosch an der Universität zu Köln Computersimulationen durch, welche belegen, dass der im Experiment an der Oberfläche beobachtete Verschmelzungsvorgang benachbarter Wirbel auch im Inneren des Materials statt findet: „Die Skyrmionen sind lange Linien, die sich durch das komplette Material hindurch ziehen, ähnlich parallel angeordneter Schläuche. Verbinden sich nun zwei Skyrmionen, so schiebt sich der Kontaktpunkt komplett durch den gesamten Kristall, genau so wie wir das von einem Reißverschluss her kennen (siehe Abbildung) ...“ erklärt Prof. Eng. Da jeder Wirbel ein solches künstliches Magnetfeld mit sich trägt, bedeutet dies dass am Kontaktpunkt zweier Wirbel ein künstlicher magnetischer Monopol sitzen muss. „Wenn wir also im Experiment beobachten wie sich zwei Wirbel vereinen dann ist da gerade ein künstlicher magnetischer Monopol, also genau ein Quant, durch die Oberfläche geflogen“.
Was die Teilchenphysiker lange vergeblich gesucht haben, konnte nun in einem Festkörper aus Eisen-Kobalt-Silizium studiert und fundamental erklärt werden. „Es ist faszinierend, dass etwas so Grundlegendes wie ein magnetischer Monopol in einem einfachen Material realisiert werden kann“, sagen die Forscher. Aber wie sieht es mit Anwendungen aus?
Kompakte und langlebige Datenspeicher
Eine wichtige Anwendung der magnetischen Wirbel könnten
zukünftige, extrem kompakte und langlebige Datenspeicher sein.
Während man für ein magnetisches Speicherbit einer modernen
Festplatte etwa eine Million Atome braucht, sind die kleinsten
bekannten Skyrmionen in magnetischen Materialien nur etwa 15
Atome groß. Gleichzeitig benötigt das Verschieben der Wirbel
rund 100.000 mal weniger Strom als das Löschen von magnetischen
Speicherbits in konventionellen Materialien, so dass man
Informationen mit Hilfe solcher magnetischer Wirbel besonders
gut kontrollieren und verarbeiten könnte. Die vielleicht
interessanteste Eigenschaft der Skyrmionen ist jedoch, dass sie
wie ein Knoten in einer Schnur, besonders stabil sind. „Zu
verstehen, wie die Skyrmionen gelöscht werden, ist ein
wichtiger Schritt in Richtung einer technischen Nutzung.“
Die Arbeiten wurden gefördert aus Mitteln des European Research Council, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Australian Research Council, der TUM Graduate School und der Bonn-Cologne Graduate School.
Publikation in Science:
Unwinding of a Skyrmion Lattice by Magnetic Monopoles P. Milde,
D. Köhler, J. Seidel, L. M. Eng, A. Bauer, A. Chacon,
J. Kindervater, S. Mühlbauer, C. Pfleiderer, S. Buhrandt,
C. Schütte, and A. Rosch
Science 31 May 2013: Vol. 340 no. 6136 pp. 1076-1080
DOI:10.1126/science.1234657
Bildmaterial: Verschmelzung von Skyrmionen (Christoph Schütte / Universität zu Köln) http://pressestelle.file3.wcms.tu-dresden.de/pm/bild
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. Lukas M. Eng
Technische Universität Dresden, Institut für Angewandte
Photophysik,
Tel.: +49 351 463-33427,
Dr. Peter Milde
Technische Universität Dresden, Institut für Angewandte
Photophysik,
Tel.: +49 351 463-33740,