Oct 09, 2015
Physik-Nobelpreis für Wissenschaftler am Sudbury Neutrino Observatory
Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an zwei Neutrinophysiker, Takaaki Kajita und Arthur B. McDonald. Die beiden Physiker erhalten die Auszeichnung für ihre Beiträge zur Neutrinophysik, die sie am Super-Kamiokande-Detektor in Japan und am Sudbury Neutrino Observatory (SNO) in Kanada geleistet haben. Auch Kai Zuber, Professor für Kernphysik an der TU Dresden, arbeitet seit 15 Jahren bei SNO mit. „Das ist eine großartige Auszeichnung für die Neutrinophysik“, freut sich Kai Zuber. „Neutrinos sind faszinierende Elementarteilchen. Sie können Materie nahezu ohne jede Wechselwirkung durchqueren und sind daher extrem schwer nachzuweisen. Doch die Neutrinophysik hat in den letzten beiden Jahrzehnten fantastische Fortschritte gemacht und fundamentale Fragestellungen beantworten können. Diese wurden nun letztendlich ausgezeichnet.“
Die nun mit dem Nobelpreis dekorierten Neutrinoforscher konnten ein Rätsel lösen, das die Wissenschaft lange beschäftigt hatte. Zählte man die Neutrinos, die aus der Sonne oder aus der Atmosphäre auf der Erde eintrafen, war die Messrate viel geringer bzw. das Verhältnis anders als erwartet. Dank der Arbeiten von Kajita und McDonald, die Sprecher der Kollaborationen an den beiden Experimenten waren, weiß man heute warum: Die Teilchen entwischten ihnen, weil sie sich vorher umwandelten. Denn Neutrinos kommen in drei verschiedenen Sorten vor: als Elektron-, Myon- und Tau-Neutrino. Und diese können sich permanent ineinander umwandeln. Deshalb findet man viel zu wenig Teilchen, wenn man beispielsweise allein nach Elektron-Neutrinos Ausschau hält. Am SNO-Detektor in Kanada wurden erstmals sämtliche Neutrinos gemessen, die von der Sonne stammen und dort in Kernfusionsprozessen entstehen. Dabei zeigte sich, dass die Gesamtzahl mit der Zahl übereinstimmten, die theoretische Berechnungen aufgrund der Fusion in der Sonne vorhersagen. Damit war der Nachweis erbracht, dass sich die kleinen Teilchen ineinander umwandeln können, was die Fachleute als Neutrinooszillation bezeichnen und womit man auch das ungewöhnliche Verhältnis in der Atmosphäre erklären kann. Und noch eine weitere wesentliche Erkenntnis ergab sich daraus: Damit dieser Vorgang abläuft, müssen die winzigen Teilchen eine Masse besitzen, auch wenn diese äußerst gering ist. Zuvor hatte man stets angenommen, dass Neutrinos masselos sind.
Das Sudbury Neutrino Oberservatory befindet sich zwei Kilometer tief unter der Erdoberfläche in einer Nickelmine. Das SNO-Experiment, das bis 2006 in Betrieb war, besteht aus einem riesigen kugelförmigen Behälter, der mit tausend Tonnen schwerem Wasser gefüllt ist. Elektron-Neutrinos, die bis zu dem Tank unter die Erde durchdringen, erzeugen beim Durchgang durch das Wasser einen Lichtblitz, der von den Photodetektoren, die um den Tank herum angeordnet sind, registriert wird. Für Myon- und Tau-Neutrinos gibt es zusätzliche spezielle Nachweismöglichkeiten durch Erzeugung von Neutronen. Dadurch lassen sich die Elektron-Neutrinos von den anderen beiden Sorten unterscheiden, und die Forscher um Arthur McDonald, den Leiter des Experiments, konnten erstmal den gesamten Neutrinofluss messen und somit die Neutrinooszillationen nachweisen.
Kai Zuber ist einer von zahlreichen Wissenschaftlern im vielköpfigen und internationalen Forscherteam bei SNO: „Ich kam 2002 in der Phase dazu, als die Datennahme gerade richtig angefangen hatte.“ Der Dresdner Physiker erinnert sich gerne an die Zusammenarbeit mit dem nun frisch gebackenen Nobelpreisträger: „Art McDonald war Sprecher der gesamten Kollaboration und außergewöhnlich oft in Nord-Ontario am Experiment. Wenn es offene Fragen gab oder etwas nicht gut lief, war er immer da und hat mit extrem guten Ideen und persönlicher Stärke und Ruhe alles wieder auf die Reihe gebracht. Er ist ein fantastischer Physiker und Mensch.“
Die Dresdner Kernphysiker um Kai Zuber arbeiten nun am Nachfolgeexperiment, genannt SNO+, das derzeit in derselben Mine in Betrieb genommen wird. Außerdem sind Zuber und seine Gruppe an weiteren Neutrino-Experimenten wie z.B. GERDA oder COBRA beteiligt. Die Untersuchungen haben unter anderem zum Ziel, die genauen Werte der Neutrinomassen zu bestimmen.
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. Kai Zuber
TU Dresden
Institut für Kern- und Teilchenphysik
Tel.: 0351 463-42250
E-Mail: