Aug 28, 2015
Forschungsprojekt „Pilotlinie 64“ liefert echte Weltneuheiten
Zur Ergänzung des leistungsfähigen elektrischen
Stadtbahnnetzes stellen Hybridbusse für die Dresdner
Verkehrsbetriebe (DVB) einen sinnvollen Zwischenschritt auf dem
Weg zum Elektrobusbetrieb dar. Die Herausforderung besteht
heute in der Erweiterung rein elektrisch zurückgelegter
Strecken. Das schont Ressourcen, reduziert Emissionen und
steigert die Wirtschaftlichkeit.
Während die Entwicklung effizienterer Batterien weltweit in
vollem Gang ist, verfolgen Wissenschaftler der Technischen
Universität Dresden (TUD) und Fachleute der DVB im Rahmen
des Projektes „Pilotlinie 64“ gemeinsam zwei andere
vielversprechende Ansätze. Zum einen muss die im Bus vorhandene
Energie besser genutzt werden. Zum anderen soll die
Fahrzeugmasse verringert werden. Wenn bei den „Energiefressern“
wie Heizung, Lüftung und Klimatisierung Strom eingespart wird,
kann der Bus längere Strecken elektrisch fahren. Ohne den
Dieselmotor für die Nachladung zu starten. Diese Forschungen
werden auch von den Fahrzeugherstellern mit großer Spannung
verfolgt.
Erstmalig im Bus eingebaut: Die Luft-Wärmepumpe
Was Hausbesitzer schon lange kennen, findet jetzt auch bei
einem DVB-Linienbus vom Typ MB-Citaro G BlueTec Hybrid
Anwendung: Das Prinzip der umweltfreundlichen Luft-Wärmepumpe.
Diesen Stand der Fahrzeugtechnik kann man deutschlandweit
bisher nur in Dresden finden. Neben dem Antrieb ver-brauchen
Heizung, Lüftung und Kühlung die meiste Energie im Bus. Schon
in der Übergangszeit wird im Wagen geheizt, im Winter noch mit
einer Heizöl-Zusatzheizung. Im Vergleich zu Dieselbussen, deren
ständig laufender Motor mit viel Hubraum eine größere
Energiemenge zur Heizung liefert, verbrau-chen Hybridbusse mit
ihren kleinen nur zur Nachladung der Batterien bestimmten
Maschinen im Win-ter knapp zehn Liter Heizöl pro 100 Kilometer
– etwa sieben Mal mehr als ein Dieselbus. Viel Potenzial, um
Energie zu sparen. Die nun eingebaute vollelektrisch betriebene
Anlage der Firma Spheros entzieht der Außenluft Wärme, die zur
Heizung des Fahrgastraums benutzt wird. Es gibt keinen
Unterschied hinsichtlich der Behaglichkeit im Passagierraum.
Eine Zusatzheizung mit Heizöl oder – ebenfalls als Gegenstand
der aktuellen Forschung – Infrarotstrahlern ist dann nur noch
bei tiefen Temperaturen nötig. Im Sommer ergibt sich der
umgekehrte Effekt. Die Wärmepumpe wirkt als Klimaanlage und
kühlt den Fahrgastraum angenehm ab. Umweltfreundlich,
elektrisch und bei Bedarf abschaltbar. Allein beim Heizöl
rechnen die Wissenschaftler mit einer Einsparung zwischen 10
und 20 Prozent.
Gut eingeprägt: Steuersoftware denkt schon voraus
Seit November 2014 fährt der von den Wissenschaftlern mit
117 zusätzlichen Sensoren verdrahtete Hybridbus auf der Linie
64 durch die sächsische Landeshauptstadt. Die Geber erfassen
Daten wie Tem-peraturen, Drücke, Durchflüsse, Ströme,
Spannungen und Helligkeiten. Außerdem wird durch GPS-Ortung die
jeweilige Position des Busses festgehalten. Das dient dem
Abgleich mit äußeren Einflüssen und der Streckentopografie. Auf
Basis der gesammelten Sensordaten haben die Wissenschaftler ein
linienbezogenes Programm geschrieben. Beispielsweise erkennt
die Software die Zahl der Fahrgäste im Bus und schaltet die
Innenraumheizung ab, wenn sie nicht benötigt wird. Ebenso denkt
die Steuerung schon voraus. Die Software kennt die Strecke und
kann so Nebenverbraucher anhand der Topografie ein- oder
ausschalten. Zum Beispiel weiß das System genau, wann ein
Gefälle mit hohem elektrischem Nachladepotenzial durch
Energierückgewinnung befahren wird. Zunächst bis zum Sommer
2016 wird das Programm ausgiebig getestet und bei Bedarf weiter
präzisiert.
Weltneuheit: Karbon-Aluminium-Felge als Prototyp für Omnibusse
Weniger Gewicht bedeutet beim Hybridbus weniger Energie und
damit eine größere Reichweite im elektrischen Betrieb. Viel
Masse lässt sich an den Rädern einsparen – immerhin haben
Gelenkbusse mit einer normalen und zwei Zwillingsachsen bis zu
zehn davon. Basis für die Masseeinsparung bildet eine
hocheffiziente hybride Mischbauweise aus
kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen für das Fel-genbett
und dem Leichtmetall Aluminium für den Radstern. Gemeinsam mit
ThyssenKrupp Carbon Components GmbH in Kesselsdorf haben die
TUD-Forscher alle Bestandteile der innovativen Felge im
Freistaat Sachsen hergestellt und zum kompletten Rad montiert.
Für die Nutzfahrzeugbranche erreicht diese hybride Felge, die
etwa je zur Hälfte aus Karbon und Aluminium besteht, eine neue
Leichtbaudimension. Bei deutlich unter 20 Kilogramm ist sie
mehr als 50 Prozent leichter als eine herkömmliche Stahlfelge.
Ein Gelenkbus mit zehn Rädern wiegt dadurch immerhin rund 250
Kilogramm weniger. Mit der Masseeinsparung ist das Leichtbaurad
für Nutzfahrzeuge eine echte Weltneuheit „Made in
Saxony“.
Momentan befinden sich die ersten Prototypen der Verbundfelge
zu Belastungs-, Festigkeits- und Ermüdungstests auf den
Prüfständen. Bis zum Ende des Projektzeitraumes Ende Juli 2016
sollen alle erforderlichen Genehmigungen und die TÜV-Zulassung
eingeholt sein, so dass das Leichtbaurad für den Pilotbetrieb
auf der Linie 64 zum Einsatz kommen kann.
Schaufenster Elektromobilität
Die Bundesregierung hat im April 2012 vier Regionen in
Deutschland, darunter die Freistaaten Bayern und Sachsen, als
„Schaufenster Elektromobilität“ ausgewiesen.
Ein Schwerpunkt des „Schaufensters Bayern-Sachsen
ELEKTROMOBILITÄT VERBINDET“ ist die Weiterentwicklung der
Elektromobilität einschließlich Fahrzeugtechnik und
Energiesystemen. Das Dresdner Projekt „Pilotlinie 64“ hat ein
Volumen von rund 4,5 Millionen Euro. Es ist eines von insgesamt
40 Vorhaben in den beiden Bundesländern. Koordiniert durch die
Sächsische Energieagentur – Saena GmbH wird es mit 4,2
Millionen Euro durch den Freistaat Sachsen
unterstützt.
Informationen für Journalisten:
DVB AG
Falk Lösch
Telefon: +49 351 857-1194
Mobil: +49 172 609-2552
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