Jan 28, 2020
Reparieren statt Wegwerfen!
Beim ersten RepairCafé an der TU Dresden konnten fast alle »Problemfälle« gelöst werden
Beate Diederichs
An einem Abend im Januar wurde die Werkstatt der Professur für Grundschulpädagogik zum RepairCafé. Besitzer von kaputten Plattenspielern, Fönen, Laptops, Taschen oder Puppenmöbeln aus Holz konnten diese Gegenstände hier mit sachkundiger Hilfe selbst reparieren. »Damit möchten wir den Menschen zeigen: Man kann diese Dinge wieder ganz machen, muss sie nicht wegwerfen und neu kaufen«, sagt Mitinitiatorin Ines Herr, Umweltkoordinatorin an der TUD.
Kaffeeduft weht durch den Raum und wetteifert mit dem Geruch nach Holz. Auf einem Tisch in der Werkstatt der Professur für Grundschulpädagogik im Keller des Universitätsgebäudes am Weberplatz steht ein Tablett mit leckerem Kuchen. Doch Bernd Zastrau gönnt dem Gebäck gerade keinen Blick. Er beugt sich gemeinsam mit zwei Mitarbeitern des RepairCafés Dresden/Freital über einen aufgeschraubten Plattenspieler. »Das gute Stück ist von 1977. Leider dreht sich der Plattenteller nicht, und es gibt kein elektrisches Signal«, bedauert der Besitzer des Geräts. Seit rund fünfzig Minuten suchen die Männer den Defekt im Plattenspieler. Bis jetzt haben sie ihn nicht gefunden. Doch auch wenn das Gerät nicht repariert werden kann, bereut Bernd Zastrau nicht, dass er an diesem Abend ins RepairCafé kam. »Wenn man gemeinsam mit Experten ein Gerät aufschraubt, lernt man viel.«
Falls der Plattenspieler ein hoffnungsloser Fall sein sollte, wäre er beim ersten RepairCafé an der TUD in der Minderheit. »Etwa zwanzig Leute sind bis jetzt mit zwölf kaputten Gegenständen zu uns gekommen«, sagt Ines Herr, Umweltkoordinatorin der TUD und Mitinitiatorin der Aktion, eine Stunde vor Schluss. Sie blättert in den Protokollen: Laptop, Fernseher, Mixer, Fön, Plattenspieler, Handtasche, Puppenmöbel, Playstation, Wasserkocher, Fax-Telefon … »Bisher hatten wir nahezu hundert Prozent Reparaturerfolg«, fügt Ines Herrs Kollege Stephan Schöps hinzu. »Nur der Fön war nicht mehr zu retten.« Im Protokoll steht: »Gerissene Rotorblätter.« Da konnten auch die versierten Tüftler des RepairCafé-Vereins nichts machen. Das Konzept sieht vor, dass die Besitzer der Geräte Werkzeug und Ersatzteile zur Verfügung gestellt bekommen und unter Anleitung ihre Computer, Kocher oder Mixer selbst reparieren. »Das funktioniert aber nicht bei jedem Gerät gleich gut: Der Besitzer der Playstation hat es komplett alleine geschafft. Dagegen benötigte der Eigentümer des Wasserkochers relativ viel Hilfe«, berichtet Ines Herr. Sechs Männer vom RepairCafé und die zwei studentischen Hilfskräfte des Studienfaches Werken an Grundschulen unterstützen die Gäste heute.
Für Ines Herr und Stephan Schöps passt dieses erste RepairCafé an der TUD gut ins Konzept des Umweltmanagements der Uni und ist daher als Aktionstag innerhalb diesem deklariert. Die Idee der Cafés stammt aus den Niederlanden und ist auch in Deutschland schon länger etabliert. In Dresden existieren eine Handvoll RepairCafés. »Irgendwann wurden wir gefragt, ob wir auch hier mal eines durchführen könnten. Wir fanden den Gedanken gut. Denn so können wir die Studenten und Beschäftigten der TUD für die Themen des Umweltmanagements sensibilisieren und zeigen: Man kann kaputte Sachen reparieren und muss sie nicht wegwerfen und neu kaufen, was ja bekanntlich der Umwelt schadet, wenn es im großen Stil passiert«, kommentiert Ines Herr. Die Veranstaltung am achten Januar von 16 bis 19.30 Uhr ist eine Kooperation der Universität mit dem RepairCafé Dresden/Freital: Die Fakultät Erziehungswissenschaften stellt die Werkstatt, der Verein die Expertise.
Die Aussage über die Expertise ist allerdings nicht ganz korrekt: Denn zu dieser trägt auch Georg Flade etwas bei, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Grundschulpädagogik. Er ist im Fachbereich Werken tätig und unter anderem für die Holzwerkstatt verantwortlich. Flade ist beim ersten RepairCafé selbstverständlich anwesend und zieht das erste Fazit: »Wir wussten ja gar nicht, wie viele Leute kommen würden, zumal die Werkstatt nicht so leicht zu finden ist. Vor diesem Hintergrund sind wir total zufrieden mit der Resonanz. Mehr Leute dürften es auch gar nicht sein, denn eine komplizierte Reparatur kann schon mal zwei oder drei Stunden dauern. So muss niemand warten.« Ines Herr findet es gut, dass Menschen mit Uni-Bezug und welche »von außen« gekommen sind. »So hat sich die Hochschule geöffnet.« Auch wenn es noch keine konkreten Pläne dafür gibt, können sich beide regelmäßige Fortsetzungen vorstellen. Dabei ist Georg Flade der größte Visionär: Er denkt beispielsweise an generationsübergreifende Projekte mit Studenten und älteren Menschen oder daran, dass die Arbeit in RepairCafés zu einem der Inhalte einer festen Lehrveranstaltung werden könnte. So würde die Uni dazu beitragen, dass noch mehr Menschen diese nachhaltige Idee kennenlernen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 2/2020 vom 28. Januar 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.