Nov 18, 2021
BMBF-Zukunftscluster SaxoCell erforscht Therapiemöglichkeiten bislang unheilbarer Krankheiten
Die Vision von SaxoCell besteht darin, in Sachsen einen eigenständigen Industriezweig aufzubauen, der sich auf „lebende Arzneimittel“, also zellbasierte Therapieansätze, fokussieren wird. Hierbei handelt es sich um einen der innovativsten Bereiche der modernen Medizin, in dem die Therapie bislang unheilbarer Erkrankungen im Fokus steht. Die Herstellung und Anwendung von spezialisierten Zellen mit genau definierten Funktionen soll als Medizin der Zukunft flexibel und erschwinglich einsetzbar sein. Hierbei wird sich Sachsen als führender Forschungs- und Entwicklungsstandort mit hoher internationaler Sichtbarkeit etablieren.
"Endlich geht es los! Gemeinsam mit unseren Partnern und zwölf Projekten sind wir mit einem Kick-off Meeting am 16. November 2021 in Dresden gestartet", freuen sich die Sprecher:innen des BMBF Zukunftsclusters SaxoCell, Ulrike Köhl und Ezio Bonifacio.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat Clusters4Future ins Leben gerufen, um den Transfer von exzellenter Forschung in den Alltag zu beschleunigen und die lokale Wirtschaft zu stärken. Die Initiative zielt darauf ab, neue Industriezweige zu schaffen, die einen großen und nachhaltigen Einfluss auf die Gesellschaft der Zukunft haben werden. Basis hierfür ist die Förderung regionaler Netzwerke, die Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringen.
SaxoCell ist eines von sieben Clustern aus ganz Deutschland, das in der ersten Runde des Clusters4Future-Wettbewerbs des BMBF aus 137 Bewerbern ausgezeichnet wurde. Das Cluster stellt einen einzigartigen Verbund von Universitäten, Instituten und Kliniken aus Leipzig, Dresden und Chemnitz dar und ist mit dem Ziel angetreten, nicht nur einzelne Einrichtungen oder Städte, sondern vielmehr die gesamte Region Sachsen zu stärken. Jedes der sieben Cluster, die sich auch mit Schwerpunkten wie Umwelt und Mobilität beschäftigen, erhält bis zu 15 Millionen Euro für eine dreijährige Förderperiode, die auf bis zu neun Jahre verlängert werden kann.
"Der Körper verfügt über Zellen mit ausgezeichneten Selbstheilungseigenschaften. Unsere Aufgabe ist es, solche Zellen mit genau definierten Funktionen und einem hohen Sicherheitsprofil für die Anwendung am Patienten im industriellen Maßstab und zu gesellschaftlich verträglichen Kosten herzustellen. Das ist eine wunderbare Chance für ein Miteinander aus akademischer Forschung und Industrie in Sachsen", sagt Ezio Bonifacio, Professor am Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD) und Clustersprecher der TU Dresden.
Zu den bisherigen klinischen Erfolgen der Branche gehören T-Zell-Therapien, insbesondere unter Verwendung von CAR-T-Zellen, in deren Produktion die Biotech- und Pharmaindustrie hier in Sachsen schon investiert hat und deren klinische Erprobung und Anwendung bereits durch die SaxoCell-Partnerinstitute und -kliniken erfolgt. "Im nächsten Schritt müssen wir die technologischen Hindernisse überwinden, um eine breite Anwendung zu ermöglichen", betont Ulrike Köhl, Professorin und Leiterin des Instituts für Klinische Immunologie der Universität Leipzig und des Fraunhofer IZI, als Clustersprecherin auf Leipziger Seite.
Um diese Hindernisse technologieübergreifend zu überwinden, beinhaltet SaxoCell nicht nur Forschungsprojekte aus dem Bereich der Gen- und Zelltherapie, sondern auch Technologieplattformen wie SaxoCell Systems oder SaxoCell Omics. In diesen Plattformen sollen methodische Innovationen und relevante Infrastrukturen gebündelt und weiterentwickelt werden. Auch die Automatisierung von Herstellungsverfahren ist ein Thema im Cluster. Darüber hinaus sollen durch eine Vielzahl innovationsbegleitender Maßnahmen wie zum Beispiel Transferberatung, Vertragsunterstützung und Weiterbildung sowie unter Einbeziehung regulatorischer Expertisen, Wissenschaft und Industrie näher zusammengebracht werden, um einzigartige Wertschöpfungsketten in Sachsen zu etablieren.
Die Kraft in Sachsen
Eine wesentliche Stärke von SaxoCell liegt in der Bündelung der wissenschaftlichen und medizinischen Exzellenz führender sächsischer Forschungspartner, der TU Dresden, der Universität Leipzig, dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig sowie dem Klinikum Chemnitz. Die Unterstützung von SaxoCell durch die sächsische Landesregierung schafft ein äußerst attraktives Umfeld für lokale Start-ups aber auch für die Ansiedlung von nationalen und internationalen Unternehmen. "Ich verwende gerne den Begriff 'inspirierend', wenn ich den Schmelztiegel von SaxoCell beschreibe", sagt Martin Bornhäuser, Professor am Universitätsklinikum der Medizinischen Fakultät an der TU Dresden und Co-Sprecher von SaxoCell in Dresden.
Innovative Medizin – Zell- und Gentherapeutika
SaxoCell fokussiert sich insbesondere auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Genmodifikation, insbesondere von Immunzellen. Diese modifizierten oder editierten Zellen können, wenn sie beispielsweise mit spezifischen tumorerkennenden Rezeptoren ausgestattet werden, Tumor- und andere krankheitsverursachende Zellen vernichten. Solche chimären Antigenrezeptoren, oder einfach CARs, sind in der Vision von SaxoCell der Schlüssel zur Herstellung "lebender Arzneimittel". CARs können das Immunsystem auf fast jedes beliebige Ziel umleiten. Nach gentechnischer Modifikation, entweder der eigenen Zellen des Patienten oder von Zellen, die für alle Patienten verwendet werden können (sogenannte allogene Ansätze), kann es theoretisch möglich werden, viele ernsthafte Erkrankungen erstmals wirklich ursächlich zu heilen.
Uwe Platzbecker, Professor am Universitätsklinikum Leipzig und Co-Sprecher von SaxoCell an der Universität Leipzig sagt: "Nur durch das Zusammenkommen vieler unterschiedlicher Partner ist es möglich, solche hochkomplexen neuartigen Therapeutika zu entwickeln, mit denen wir hoffentlich in vielen verschiedenen neuen Indikationen erstmals Patienten wirklich heilen könnten".
Bislang wurden CARs bei T-Lymphozyten zur Behandlung bestimmter Blutkrebsarten eingesetzt. SaxoCell wird die Flexibilität CAR-basierter Therapien erhöhen, indem es den Einsatz der CAR-Technologie auf andere Zelltypen wie NK-Zellen, Makrophagen und regulatorischen T-Zellen ausweitet. Zurzeit können solche neuartigen Verfahren nur zur Behandlung sehr seltener Krankheiten eingesetzt werden, unter anderem auf Grund ihrer immensen Herstellungskosten. SaxoCell möchte vor allem gentechnisch veränderte Zelltherapeutika erschwinglicher als bisher machen, damit sie zu einer auch globalen Standardtherapieoption werden können. Zu diesem Zweck entwickelt der Cluster auch neuartige, kostengünstigere Methoden zur Genmodifikation von Zellen und investiert in die Automatisierung und Industrialisierung entsprechender Herstellungsprozesse.
Eine Industrie der Zukunft
Letztlich soll SaxoCell in Sachsen eine breit aufgestellte und innovative Zell- und Gentherapiebranche etablieren, in der exzellente Forschung stattfindet und Hand in Hand mit industriellen Partnern völlig neuartige Therapieverfahren für Deutschland, Europa und die Welt entwickelt werden. Diese Industrie möchte maßgeschneiderte Zellen produzieren, die mit einer Vielzahl von molekularen Werkzeugen ausgestattet sind, um unheilbare Krankheiten zu bekämpfen. Die Förderung durch das BMBF ermöglicht die Realisierung dieser Vision in Sachsen, die Etablierung eines europäischen Zentrums für die Zell- und Gentherapie. Indirekt werden dadurch in Sachsen vorteilhafte regionalökonomische Effekte generiert, unter anderem werden mittel- bis langfristig zahlreiche hochqualifizierte Ausbildungs- und Arbeitsplätze in dieser Zukunftsbranche geschaffen.