Oct 09, 2017
Schüler forschen für 14 Tage am CERN
Vom 15. bis 27. Oktober 2017 erfüllt sich für fünf Jugendliche aus Bonn, Dresden, Erlangen, Mainz und München ein Traum: Sie reisen nach Genf und forschen an eigenen Projekten am CERN, dem Europäischen Forschungszentrum für Teilchenphysik. Eingebettet in internationale Arbeitsgruppen nehmen die Schülerinnen und Schüler an den Projektwochen teil, die Netzwerk Teilchenwelt für besonders motivierte und begabte Jugendliche organisiert.
Alle fünf Teilnehmer haben sich bereits einige Jahre in ihrer Freizeit mit Astroteilchenphysik und Teilchenphysik beschäftigt. Sie haben an Veranstaltungen von Netzwerk Teilchenwelt teilgenommen und sich darüber hinaus engagiert, indem sie beispielsweise an ihren Schulen Workshops organisierten, Vorträge über Teilchenphysik hielten, Schülerforschungsarbeiten anfertigten und so etliche Stunden ihrer Freizeit in die Welt der kleinsten Teilchen investierten. Ein Einsatz, der sich gelohnt hat! Die fünf Schülerinnen und Schüler haben sich für die Projektwochen qualifiziert und einen der begehrten Plätze erhalten.
Über den Sommer haben die Jugendlichen Kontakt mit einer Forschungseinrichtung in ihrer Region aufgenommen und Fragestellungen entworfen, die sie in ihren Projekten untersuchen werden. Nach dem CERN-Aufenthalt wollen sie, mit den Ergebnissen ihrer Forschung am CERN, die Arbeiten zuhause fertigstellen – auf diese Weise entstehen Beiträge für Jugend forscht oder eine „Besondere Lernleistung“. Die Erfahrung am CERN ist dabei ein zentraler Anreiz: Im Herzen der Teilchenphysik-Forschung in Europa nicht nur als Besucher dabei zu sein, sondern eigene Messungen auf der Suche nach Phänomenen wie Dunkler Materie oder seltenen Teilchen anstellen zu können und zwei Wochen auf dem Gelände zu leben, das fasziniert die jungen Menschen. „Die Zeit während der Projektwochen zählt zu den schönsten und interessantesten Erfahrungen meines Lebens“, erinnert sich Fabian Schneider, Physikstudent aus Heidelberg, der 2015 bei den Projektwochen am CERN war. „Selbst am renommiertesten Teilchenphysikinstitut der Welt zu forschen und sich abends mit ebenfalls hoch motivierten Jugendlichen auszutauschen war ein unvergleichbares Erlebnis!“
Unterstützt werden die Jugendlichen dabei durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Netzwerk Teilchenwelt und von CERN. Dass sich hierbei für alle Beteiligten eine win-win Situation ergibt, betont der Projektleiter und Gründer von Netzwerk Teilchenwelt, Prof. Dr. Michael Kobel von der Technischen Universität Dresden: „Es ist für uns eine große Bereicherung, diese junge Menschen in unsere Forschung zu integrieren. In einigen Fällen leisten sie wichtige Beiträge zu unseren Vorhaben und bringen frischen Wind in die Forschungsgruppen, indem sie uns immer wieder hinterfragen.“
An den Projektwochen von Netzwerk Teilchenwelt nehmen teil:
Sophie Li (Universität Bonn): Die rätselhafte dunkle Materie hat es der Schülerin Sophie Li der Bonn International School (Jahrgangsstufe 12) angetan. Bei ihrem Projekt mit der Universität Bonn möchte sie mögliche Verbindungen zwischen SUSY (Supersymmetrie) und der Dunklen Materie untersuchen. Die Jagd nach der Dunklen Materie, die bisher noch nicht erklärt werden kann, wird sie über theoretische Überlegungen bis hin zu den verschiedensten Ansätzen zur Untersuchung dieses Mysteriums führen. Sophie ist ebenfalls seit einigen Jahren in ihrer Freizeit aktiv in Sachen Teilchenphysik und hat auch schon eine Facharbeit u.a. zu kosmischen Myonen geschrieben.
Tim Hebenstreit (TU Dresden): Der Schüler des Gymnasiums Luisenstift Radebeul Tim Hebenstreit besuchte schon mit 14 die erste Veranstaltung zur Teilchenphysik an der TU Dresden (Schülerforschungstag International Masterclass). Das Thema hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen, im Institut für Kern- und Teilchenphysik der TU Dresden ist er bereits ein alter Bekannter. Er absolvierte hier ein Praktikum und fertigte eine Facharbeit an, in der er Daten vom ATLAS-Detektor untersuchte (ausgezeichnet mit einem Dr. Hans Riegel-Fachpreis). Tim Hebenstreit erklärte aber auch Besuchern der Langen Nacht der Wissenschaften in Dresden die Welt der kleinsten Teilchen und großen Beschleuniger. Am CERN wird er sich gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am ATLAS-Experiment mit der Suche nach hypothetischen schweren Teilchen befassen, sogenannten Z-prime-Bosonen, die von verschiedenen Theorien vorhergesagt werden.
Matteo Kumar (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Goethe-Universität Frankfurt): Auch in der 11. Klasse des Gymnasiums Roth findet sich ein Teilchenphysik-Enthusiast. Schon seit einiger Zeit befasst sich Matteo Kumar in Erlangen aktiv mit dem Thema. Zurzeit fertigt er eine Seminararbeit an mit dem Titel: „Bausteine unserer Welt: Punktteilchen oder schwingende Saiten - ein Überblick über Standardmodell und Stringtheorie“. Matteo wird am CERN beim ALICE-Experiment arbeiten und dort bei der Erneuerung der Ausleseelektronik an der Spurendriftkammer, einem zentralen Detektorbestandteil, mithelfen.
Elisabeth Walter (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz): Elisabeth Walter ist Schülerin der 12. Klasse am Paul Pfinzing-Gymnasium Hersbruck. Seit Jahren nutzt sie jede Gelegenheit, um sich mit Teilchenphysik zu beschäftigen. Mit den Teilchenphysikern an der Uni Mainz steht sie eng in Kontakt, im Sommer hat sie dort an Programmen zur Datenauswertung beim ATLAS-Experiment mitgearbeitet. Außerdem absolvierte sie ein Praktikum an der Universität Uppsala und war dort beteiligt an der Entwicklung und den Tests neuer Detektoren. Am CERN wird sie sich mit einer neuen Sorte neutraler Teilchen („X“) beim NA62-Experiment beschäftigen. Mit diesem Projekt ist sie auch bei „Jugend forscht“ im Rennen.
Jan Eckerlein (LMU München/ MPI für Physik): Der Zehntklässler vom Thomas-Mann-Gymnasium München begeistert sich vor allem für die Schnittstelle von Informatik und Physik. Dieses Interesse hat Jan Eckerlein schon bei drei Praktika am MPI für Physik und der LMU München vertieft, wo unter anderem Tests für einen neuen Beschleuniger durchgeführt wurden. Am CERN wird sich auch sein Forschungsprojekt mit dieser Thematik befassen, da in seinem Team an Analysemethoden von Daten des ATLAS-Experiments gearbeitet wird.
Beteiligte Institutionen:
Netzwerk Teilchenwelt
Im Netzwerk Teilchenwelt haben sich 29 Universitäten und Forschungsinstitute in Deutschland zusammengeschlossen, um Teilchenphysik und Astroteilchenphysik an Jugendliche und Lehrkräfte zu vermitteln. Schülerinnen und Schüler können an Projekttagen Originaldaten vom CERN auszuwerten. Außerdem können sie mit speziell entwickelten Detektoren zur Messung kosmischer Teilchen eigene Daten aufnehmen. Mit seinen mobilen Angeboten erreicht Netzwerk Teilchenwelt alle Regionen Deutschlands. Das Stufenprogramm umfasst Projekttage in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, Forschungswochen sowie Workshops und Projektwochen am CERN und ermöglicht damit sowohl Breiten- als auch Spitzenförderung. Das Projekt ist ein Teil der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Forschung am Large Hadron Collider LHC am CERN und wird an der Technischen Universität Dresden geleitet. Seine Aktivitäten werden vom BMBF sowie der Dr. Hans Riegel-Stiftung gefördert, Schirmherrin ist die Deutsche Physikalische Gesellschaft.
CERN
Das Labor des CERN in Genf (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) ist das größte Forschungszentrum für Teilchenphysik der Welt. Rund 11000 Wissenschaftler von mehr als 600 Universitäten und Forschungsinstituten aus aller Welt erforschen hier mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern, woraus das Universum besteht und wie es funktioniert. CERN betreibt den Large Hadron Collider LHC. Der LHC, ein 27 Kilometer langer Ringbeschleuniger in rund 100 Metern Tiefe im Grenzgebiet der Schweiz und Frankreichs gelegen, ist der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Mit seiner Hilfe wollen Wissenschaftler in den nächsten Jahren grundlegende Erkenntnisse über unsere Welt und ihren Ursprung gewinnen und eine Vielzahl neuer theoretischer Hypothesen überprüfen.
Informationen für Journalisten:
Netzwerk Teilchenwelt (Projektkoordination TU Dresden)
Anne Rockstroh
Institut für Kern- und Teilchenphysik
Tel.: +49 (0) 351-463-32957