21.02.2025
Das Leben imitieren: Winzige Roboter verhalten sich wie intelligente Zellen und können verschiedene Formen bilden

Winzige Roboterschwärme organisieren sich zu einer starren Form. Die Abbildung veranschaulicht denkbare Anwendungsbereiche.
Forscher des Exzellenzclusters Physics of Life (PoL) an der Technischen Universität Dresden (TUD) und der University of California Santa Barbara (USCB), haben Robotergruppen entwickelt, die sich wie intelligente Materialien mit regulierbarer Form und Festigkeit verhalten und so lebende Systeme imitieren. Während der Entwicklung eines Embryos haben Zellen die bemerkenswerte Fähigkeit, sich eigenständig anzuordnen und den Organismus zu komplex zu formen – in Hände, Füße oder Konsistenzen wie Hirn und Knochen. Um die Verformungen besser zu verstehen, haben die Forschungsgruppe um Prof. Otger Campàs (Direktor des Exzellenzclusters PoL an der TU Dresden und Mitautor der Studie) und Matthew Devlin (UCSB und Erstautor) einen Weg gefunden, damit sich Roboter-Gruppierungen materialähnlich verhalten. Ihre Ergebnisse haben sie am 20. Februar 2025 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht. „Lebende embryonale Gewebe sind die ultimativen intelligenten Materialien“, sagt Campàs. „Sie haben die Fähigkeit, sich selbst zu formen, sich selbst zu heilen und sogar ihre Materialstärke in Raum und Zeit zu kontrollieren.“ Er und sein Team entdeckten, dass Embryonen wie Glas schmelzen können, um sich selbst zu formen. Seine Arbeit über die physikalische Formung von Embryonen war die Inspiration, ein Robotermaterial zu entwickeln, das steif, dennoch formstark ist und damit auch neue Formen annehmen kann. Wurden Roboter bisher in einer Gruppe fest miteinander verbunden, so war es nicht möglich, das Kollektiv derart umzugestalten, dass einzelne Teile ihre Form fließend ändern konnten – bis jetzt. Die scheibenartigen, autonomen Roboter von PoL und UCSB sehen aus wie kleine Hockey-Pucks. Sie sind so programmiert, dass sie sich zu verschiedenen Formen mit unterschiedlichen Materialstärken zusammensetzen – vergleichbar zur Flexibilität der Embryozellen. Campàs führt aus: „Um einen Embryo zu formen, können die Zellen in den Geweben zwischen flüssigem und festem Zustand wechseln, ein Phänomen, das in der Physik als Steifigkeitsübergänge bekannt ist.“ Die Forscher konzentrierten sich anschließend darauf, drei biologische Prozesse von Zellen auf winzigste Roboter zu übertragen:
In der Welt der Roboter sind Magnete das Äquivalent der Zell-Zell-Haftung. Sie ummanteln eine Robotereinheit und ermöglichen es den Robotern, sich aneinander festzuhalten – dann verhält sich die gesamte Gruppe wie starres Material. Durch die Einführung dynamischer Kräfte zwischen den Einheiten konnte die Herausforderung gemeistert werden, starre Kollektive in verformbare Materialien zu verwandeln, die lebendes embryonales Gewebe widerspiegeln: Zusätzliche Kräfte wie in Zellen wurden durch tangentiale Kräfte zwischen den Robotereinheiten kodiert. Acht motorisierte Zahnräder entlang der runden Außenseite jedes Roboters ermöglichen diese Einwirkung. Mit der Steuerung dieser Kräfte zwischen den Robotern war das Forschungsteam in der Lage, Rekonfigurationen in ansonsten vollständig starren Kollektiven zu ermöglichen. Das Ergebnis: Die Robotergruppen formierten sich neu. Die biochemische Signalgebung gleicht einem globalen Koordinatensystem. „Jede Zelle kennt ihren Kopf und ihr Ende und weiß daher, in welche Richtung sie Kräfte anwenden muss“, erklärt Elliot Hawkes, Professor für Maschinenbau an der UCSB. Auf diese Weise gelingt es dem Zellkollektiv, die Form des Gewebes zu verändern, etwa wenn sie sich nebeneinander aufstellen und den Körper verlängern. In den Robotern wird diese Leistung durch Lichtsensoren mit Polarisationsfiltern auf der Oberseite jedes Roboters vollbracht: Wenn Licht auf die Sensoren fällt, dann bestimmt die Polarisation des Lichts, in welche Richtung die Roboter ihre Zahnräder drehen und ihre Form verändern müssen. „Man kann ihnen unter einem konstanten Lichtfeld einfach sagen, in welche Richtung sie gehen sollen“, fügte Devlin hinzu. Auf diese Weise konnten die Forscher die Gruppe von Robotern so steuern, dass sie sich wie intelligentes Material verhielten: Teile der Gruppe schalteten die dynamischen Kräfte zwischen den Robotern ein und verflüssigten das Kollektiv, während die Roboter in anderen Teilen einfach aneinander festhielten und so ein starres Material bildeten. Indem sie dieses Verhalten über die gesamte Gruppe von Robotern hinweg im Laufe der Zeit steuern, konnten die Forscher Robotermaterialien schaffen, die nicht nur schwere Lasten tragen, sondern sich auch umformen, Objekte manipulieren und sogar selbst heilen können. Derzeit besteht die Proof-of-Concept-Robotergruppe aus nur zwanzig Einheiten. Simulationen, die von Assistenzprofessor Sangwoo Kim (EPFL) im Labor von Campàs durchgeführt wurden, zeigen aber, dass das System auf eine größere Anzahl von miniaturisierten Einheiten skaliert werden kann. „Das könnte die Entwicklung von Robotermaterialien ermöglichen, die aus Tausenden von Einheiten bestehen, die unzählige Formen annehmen und ihre physikalischen Eigenschaften nach Belieben einstellen können, wodurch sich unser heutiges Konzept von Objekten ändern würde“, denkt Campàs voraus. Neben Anwendungen, die über die Robotik hinausgehen, wie z. B. die Erforschung aktiver Materie in der Physik oder kollektiver Verhaltensweisen in der Biologie, könnte die Kombination dieser Roboter-Ensembles mit Strategien des maschinellen Lernens zu ihrer Steuerung bemerkenswerte Fähigkeiten im Bereich der Robotermaterialien hervorbringen. Weitere Informationen: Forschungsgruppe: Matthew R. Devlin, Sangwoo Kim, Otger Campàs und Elliot W. Hawkes Finanzierung: Die Studie wurde von der National Science Foundation (NSF; Grant 1925373) in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der deutschen Exzellenzstrategie EXC 2068-390729961 - Exzellenzcluster Physik des Lebens der TU Dresden unterstützt. Originalpublikation: Matthew R. Devlin, Sangwoo Kim, Otger Campàs, und Elliot W. Hawkes (2025): Material-like robotic collectives with spatiotemporal control of strength and shape. Science. DOI: 10.1126/science.ads7942 Über das Exzellenzcluster Physics of Life: Kontakt für Journalisten: |