06.07.2021
Von biologischen Uhren bis zur Bewegung von Spermien: Benjamin Friedrich auf neue Heisenberg-Professur für Biologische Algorithmen berufen
Professor Benjamin Friedrich hat zum 01. Juni 2021 die Heisenberg-Professur für Biologische Algorithmen am Exzellenzcluster Physik des Lebens angetreten. Prof. Friedrich hatte die gleichnamige Forschungsgruppe bereits seit April 2016 am Forschungscluster cfaed (Center for Advancing Electronics Dresden) geleitet.
Während einer pandemiegerecht-kleinen, feierlichen Zeremonie übergab die Rektorin der TU Dresden, Prof. Ursula M. Staudinger, am 30. Mai 2021 Herrn Friedrich seine Berufungsurkunde. Mit diesem Akt war der offizielle Startschuss für die Professur im Spannungsfeld von Physik, Ingenieurwissenschaften und Biologie gefallen. Die Tenure-Track-Professur „Biological Algorithms“ ist am Exzellenzcluster Physics of Life (PoL) der TU Dresden angesiedelt und mit dem Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed) und dem Center for Molecular and Cellular Bioengineering (CMCB) assoziiert. Darüber hinaus lehrt Prof. Friedrich an der Fakultät für Physik.
Diese vielfältigen Anbindungen weisen bereits auf die stark interdisziplinäre Forschung an der neuen Professur hin, welche die Disziplinen Physik, Biologie und Ingenieurwissenschaften eng miteinander verknüpft. „Der Exzellenz-Cluster Physics of Life bietet ein ideales, kollaboratives und in Europa einzigartiges Umfeld für unsere interdisziplinäre Forschung. Wir profitieren von der Nähe zu den Ingenieuren am cfaed, um Methoden aus den Ingenieurswissenschaften, wie die Informationstheorie, auf biologische Systeme anwenden zu können. Umgekehrt können die Algorithmen der Natur zu neuen, bio-inspirierten Ingenieurslösungen anregen, zum Beispiel zur Synchronisation von Taktgebern in elektronischen Schaltkreisen.“ erklärt Benjamin Friedrich.
Wie verarbeiten biologische Zellen und Gewebe Informationen? Und wie organisieren sie sich während der Embryonalentwicklung und Regeneration zu funktionalen Strukturen? Diese Fragen können nicht mehr allein im Labor beantwortet werden, es braucht zusätzlich theoretische Biophysiker:innen wie die Forschergruppe um Benjamin Friedrich, die mathematische Modelle von diesen komplexen biologischen Systemen entwickeln. Dabei können im Idealfall grundlegende Mechanismen, eben biologische Algorithmen, aufgedeckt und mitunter unerwartete, neue Experimente vorgeschlagen werden.
Eins der Forschungsthemen sind zum Beispiel biologische Uhren. So finden sich auf der Oberfläche unserer Atemwege sogenannte Flimmerhärchen, die im Gleichtakt schlagen und so Schmutzpartikel oder Viren hinausbefördern. Ein Flimmerhärchen kann sogar dann noch schlagen, wenn es von seiner Zelle entfernt wird, vorausgesetzt chemische Energie wird zugeführt. Jedes Härchen ist also eine biologische Uhr. Um zu verstehen, wie Tausende dieser Flimmerhärchen sich ohne einen ‚Dirigenten‘ synchronisieren, verwenden die Forscherinnen und Forscher um Prof. Friedrich Methoden aus der Nichtlinearen Dynamik, Statistischen Physik sowie hydrodynamische Simulationen.
Ein weiteres Thema, zu dem an der Professur geforscht wird, umfasst die Navigation von Zellen, wie zum Beispiel von Keimzellen. Spermien schwimmen zur Eizelle, angetrieben durch den regelmäßigen Schlag ihrer Geißel. Doch wie finden sie ihr Ziel? Chemische Botenstoffe, die vom Ei abgegeben werden, weisen den Weg. Dabei muss ein Spermium kontinuierlich chemische Signale verarbeiten und Richtungsentscheidungen treffen, obwohl zahlreiche Störeinflüsse die Navigation beinträchtigen. Hier helfen Methoden aus der Informationstheorie, wie sie auch am cfaed untersucht werden, um die ausgeklügelten Mechanismen hinter dieser Ortungsleistung zu verstehen.
„Die Forschung an biologischen Systemen ist zunächst Grundlagenforschung. Gleichzeitig kann die mathematische Beschreibung von biologischen Modellsystemen, wie zum Beispiel der Flimmerhärchen, der Fortpflanzungsbiologie, aber auch der Architektur von Lebergewebe oder das Untersuchen der Frage, wie Salamander verlorene Gliedmaßen einfach nachwachsen lassen können, die wir ebenfalls in der Arbeitsgruppe modellieren, eines Tages die Medizin unterstützen, neue Therapien zu entwickeln.“ ergänzt Prof. Friedrich.
Live zu erleben ist die Forschungsgruppe das nächste Mal zur Dresdner Langen Nacht der Wissenschaften (#LNdWDD) am 9. Juli 2021. Aus aktuellem Anlass geht es dieses Mal darum, wie sich die Ausbreitung eines Virus mathematisch modellieren lässt. Link zum Angebot bei der LNdWDD: https://tud.link/bprn
Warum den ausgebildeten Mathematiker die Biophysik fasziniert und was das mit Kieselalgen und molekularen Motoren zu tun hat, verrät dieses kleine Interview mit ihm.
Link zur Gruppenseite: https://tud.link/59ap
Über PoL – Exzellenzcluster Physics of Life
Das Exzellenzcluster Physik des Lebens (Physics of Life - PoL) der TU Dresden konzentriert sich auf die Gesetze der Physik, die der Organisation des Lebens in Molekülen, Zellen und Geweben zugrunde liegen. Am Cluster erforschen Physiker, Biologen und Informatiker gemeinsam, wie sich aktive Materie in vorgegebene Strukturen in Zellen und Geweben organisiert und damit Leben entsteht. PoL wird im Rahmen der Exzellenzstrategie durch die DFG gefördert und ist eine Kooperation zwischen Wissenschaftlern der TU Dresden und Forschungseinrichtungen des DRESDEN-concept-Verbundes, wie dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), dem Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS), dem Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). www.physics-of-life.tu-dresden.de
Über das cfaed - Center for Advancing Electronics Dresden
Das cfaed ist ein Forschungscluster an der TU Dresden (TUD). Als interdisziplinäres Forschungszentrum für Perspektiven der Elektronik ist es an der TUD als zentrale wissenschaftliche Einheit angesiedelt und integriert Mitglieder von außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie der TU Chemnitz. Der Cluster widmet sich den Grundlagen zukunftsfähiger Informationstechnologien, die mit der Fortführung der heutigen Silizium-basierten Komponenten nicht möglich wären. Um seine Ziele zu erreichen, verbindet das cfaed den Wissensdurst der Naturwissenschaften mit der Innovationskraft der Ingenieurwissenschaften. www.cfaed.tu-dresden.de
Informationen für Journalisten:
Prof. Benjamin M. Friedrich
Tel.: +49 351 463-42341
Bianka Claus
DFG Exzellenzcluster Physik des Lebens (Physics of Life, PoL), TU Dresden
Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 351 463-40133
Matthias Hahndorf
Center for Advancing Electronics Dresden – cfaed, TU Dresden
Wissenschaftskommunikation
Tel.: +49 351 463-42847