Jun 17, 2019
Welttag für die Bekämpfung der Wüstenbildung und der Dürre am 17. Juni
Wenn die Spree in die falsche Richtung fließt
Dürre und Wüsten – ein Thema für weit entfernte Gebiete? Wie sich anhaltende Hitze und fehlender Niederschlag in Mitteleuropa anfühlen können, darauf hat das Jahr 2018 einen Vorgeschmack gegeben. Damals führte die in Sachsen entspringende Spree teilweise so wenig Wasser, dass sie ihre Fließrichtung änderte. Die Flutung der riesigen Braunkohlegruben in Sachsen und Brandenburg musste gestoppt werden, damit der Hauptstadt das Trinkwasser nicht ausging. Und das war nur ein Problem. Auf den Feldern in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gab es massive Ernteausfälle; Pflanzen und Tiere litten sichtbar.
Müssen wir uns jetzt häufiger auf derartige Wetterereignisse einstellen? Drohen am Ende auch in Sachsen Wüsten?
„Vermutlich nicht“, sagt Thomas Pluntke, Mitarbeiter am Institut für Hydrologie und Meteorologie der TU Dresden. „Aber ohnehin trockene Regionen wie Nordsachsen oder die Lausitz werden mit noch weniger Niederschlägen und ausgeprägten Dürreperioden zurechtkommen müssen.“
Seit vielen Jahrzehnten beobachten und messen Wissenschaftler der TU Dresden Temperatur und Niederschlagsmengen in Sachsen und darüber hinaus. Die Klimamessstation am Sitz der Professur für Meteorologie, dem Stöckhardt-Bau in Tharandt, ist eine von etwa 2000 Niederschlags- und 400 Temperaturstationen in Deutschland. „Seit 1881 haben wir in Sachsen einen Temperaturanstieg von fast zwei Grad Celsius festgestellt. Damit steigt die Energie in der Atmosphäre an, mehr Wasser kann verdunsten. Auch das Potential für Starkniederschläge erhöht sich“, erklärt Thomas Pluntke.
Für die Niederschläge sind die Zahlen nicht ganz so eindeutig. Scheinen in den letzten 60 Jahren die Jahressummen der Niederschläge zu steigen, so zeigt ein Blick 140 Jahre zurück, dass dies auch nur Teil einer langfristigen Schwankung sein könnte. „Einige grundsätzliche Rückschlüsse lassen sich aus den vorliegenden Daten dennoch ableiten. Die Sommer, besonders die erste Vegetationsperiode, die Pflanzzeit von April bis Juni, sind deutlich trockener und wärmer geworden. In der zweiten Hälfte von Juli bis September fällt etwas mehr Regen. Allerdings handelt es sich oft um starke Niederschläge, die ungünstig für die Wasserbilanz sind.“ Das Wasser versickert nur zum Teil, viel fließt oberflächlich ab. Damit ist es weder für die Pflanzen nützlich, noch hebt es den Grundwasserspiegel. „Im Gegenteil, es verstärkt sich die Erosion von fruchtbaren Böden“, erläutert der Hydrologe. Die Probleme für die Landwirtschaft können deshalb in Einzeljahren wie 2018 gravierend sein. Geradezu verheerend sind die Auswirkungen solcher Extremjahre in der Forstwirtschaft, weil sie Schäden auslösen, die zum Teil jahrzehntelange Auswirkungen haben: starker Borkenkäferbefall, Trockenschäden an Bäumen und vertrocknete Jungbäume.
Hinzu kommt, dass seit 1990 an der Mehrzahl der sächsischen Stationen der Grundwasserstand sinkt. Jahre wie 2018 lassen den Spiegel weiter absacken. Die Nutzung von Flüssen als Speisung für Trinkwasser wird damit schwieriger. Die Spree ist da nur ein Extrembeispiel. Auch an der Elbe gibt es Probleme, die derzeit allerdings vorrangig die Schifffahrt und die Umwelt betreffen. Denn derartige Niedrigwasserstände bedeuten nicht nur tage- bzw. wochenlange Liegezeiten für die Schiffe, sie haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Wasserqualität und damit die im und am Wasser lebenden Tiere und Pflanzen.
Für die Trinkwasserversorgung in Sachsen ist die Lage derzeit noch nicht problematisch. „Es macht sich bezahlt, dass die sächsischen Talsperren miteinander vernetzt sind“, sagt der Wissenschaftler. „Eine Ausnahme sind allerdings die Brunnendörfer. Sie hatten 2018 kein Trinkwasser mehr und mussten per Container versorgt werden.“
Aus statistischer Sicht stellt das Jahr 2018 ein Extremjahr dar: es war seit 1881 das wärmste und zweittrockenste Jahr in Sachsen. Dass es sich 2019 offenbar nicht in diesem Ausmaß wiederholt, ist erst einmal eine Erleichterung. Die Daten legen allerdings nahe, dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt. Zwar folgte auf einen verhältnismäßig trockenen und warmen April in diesem Jahr ein recht kühler und feuchter Mai. Der Dürremonitor des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) zeigt im Vergleich mit dem langjährigen Mittel von 1951-2015 für den 22. Mai dennoch für die meisten Gebiete Deutschlands bis 25 cm (Oberboden) eine gelbe bis orange Färbung für „ungewöhnlich trocken“ bis „moderate“ bzw. „schwere Dürre“. Betrachtet man die Bodenschicht bis 1,8 Metern, verfärben sich große Gebiete rot bis dunkelrot.
„Zwar konnte der Oberboden von den Niederschlägen im Winter und Frühjahr profitieren, die tieferen Bodenschichten sind allerdings immer noch trocken vom Vorjahr. Dies ist auch ein Grund für die sehr zeitigen Waldbrandprobleme in einigen Regionen in diesem Frühjahr“, erläutert Pluntke.
Was es für die Landwirtschaft, die Wälder, die Lebewesen in und am Fluss sowie die Trinkwasserversorgung bedeutet, wenn mehrere Jahre wie 2018 aufeinanderfolgen, ist derzeit völlig unklar. 2019 bietet daher die Chance, Konzepte zu erarbeiten, wie langfristig mit zunehmender Wärme und Trockenheit umgegangen werden soll.
Informationen für Journalisten:
Dipl.-Hydrol. Thomas Pluntke
Professur für Meteorologie
Tel.: +49 351 463 31343