Jul 05, 2022
Wie Schule auf das Leben vorbereiten kann: Neue Einblicke für Ministerpräsident Kretschmer bei einem Besuch der Fakultät Erziehungswissenschaften der TU Dresden
Welche Bedeutung hat oder könnte das Oberschulfach Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales (WTH/S) für die politische Bildung, die Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Zukunftsperspektive von Schülerinnen und Schülern haben?
Dieser Frage ging Ministerpräsident Michael Kretschmer bei seinem Besuch am 4. Juli an der TU Dresden nach, wo er mit Lehramtsstudierenden sowie Dozentinnen und Dozenten über Sinn und Notwendigkeit lebenspraktischer Fächer in der Oberschule, aber auch an Gymnasien diskutierte.
Aufgrund einer Änderung der Stundentafel für Oberschulen im Schuljahr 2016/17 war das Fach WTH/S zugunsten der Fächer Geschichte und Geografie um ein Jahr verkürzt worden. In der Folge entfiel die für Klassenstufe 10 angestrebte spezialisierte Berufsorientierung sowie die abschließende Komplexarbeit als Abschluss des vierjährigen Curriculums.
In drei Gesprächsrunden diskutierte der Ministerpräsident mit Studierenden, Lehrenden sowie Vertreter:innen von Wirtschaft und Verbänden, die das Fach als wichtigen Baustein für die Fachkräftesicherung sehen. Ulrich Goedecke als Vertreter der Handwerkskammer Sachsen betonte: „Wir haben nicht nur ein Problem mit Fachkräften, sondern mit Unternehmertum. Das Interesse, ein Unternehmen zu leiten, erwächst am besten aus dem ausgeübten Beruf. Hier kann WTH/S wichtige Grundlagen legen.“ Torsten Köhler von der IHK Sachsen führte aus: „Aufgrund der Streichung von WTH/S in 10. Klasse findet die berufliche Orientierung im entscheidenden Jahr nicht mehr statt. Wir haben festgestellt, dass dies den jungen Leuten fehlt.“
Prof. Birgit Peuker von der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft ergänzte: „Andere Bundesländer sind neidisch, dass es in Sachsen diese Fächerkombination gibt. Wir sollten WTH/S daher weiter stärken“.
Die Rektorin der TU Dresden, Prof. Ursula M. Staudinger, bezeichnete das Fach als „Gelenkstelle zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung“ und hält es für „ungemein wichtig zur Entwicklung lebenspraktischer Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler“. Sie betonte, dass ein Fach wie WTH/S mit seinem interdisziplinären Charakter auch einen Platz am Gymnasium finden sollte.
Die Studierenden unterstrichen aus eigener biografischer Erfahrung die Bedeutung dieser lebenspraktischen Komponente. Aus ihrer Sicht leiste das Fach einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung, weil hier Themen aus sehr unterschiedlichen Perspektiven verhandelt werden und damit ein Grundverständnis für komplexe demokratische Prozesse gelegt würde. Jörn Ganze, der in seiner Staatsexamensarbeit die Bedeutung des Faches für die politische Bildung untersucht hatte, kam zu dem Schluss, dass WTH/S Politik in den Alltag der Schülerinnen und Schüler hole.
Die enge Zusammenarbeit mit regionalen Wirtschaftspartnern und die damit verbundenen Chancen sowohl für Schüler:innen als auch Unternehmer:innen durch die berufsorientierenden Bezüge des Faches wurden ebenfalls hervorgehoben. Vor allem Studierende, die am Gymnasium ein Fach zur Unterstützung lebenspraktischer Fähigkeiten sehr vermisst hatten, wünschten sich, dass allen Schüler:innen diese Möglichkeit gegeben werde.
Die Dozent:innen betonten die schulische und wissenschaftliche Bedeutung des Fachs und setzen sich explizit für die Wiedereinführung in Klasse 10 ein, um den Anschluss an die berufliche Bildung zu erhalten und damit die Berufsorientierung auf nichtakademische Berufe zu unterstützen.
Ministerpräsident Michael Kretschmer bekräftigte seine hohe Wertschätzung für das Fach WTH/S. Dabei habe er durch die Gesprächsrunde neue Einblicke gewonnen, welche Bedeutung das Unterrichtsfach für die spätere Entwicklung von jungen Menschen habe. Die Klassenstufe 10 sei wichtig für die Entscheidung der Jugendlichen, welchen Beruf sie erlernen. Konkret erkundigte sich Ministerpräsident Michael Kretschmer nach der Weiterentwicklung des Curriculums u.a. mit Blick auf die Digitalisierung – sowohl im Hinblick auf die Ausbildung der Studierenden als auch des Einsatzes im Schulunterricht. Hier konnte ihm Michael Lenk, abgeordneter Lehrer im Hochschuldienst, das von Dozent:innen und Fachberater:innenn des Faches WTH/S entwickelte Curriculum überreichen, das auch zu diesem Thema Stellung bezieht.
In seinem Schlusswort betonte der Ministerpräsident: „Wir brauchen eine Weiterentwicklung unseres Bildungssystems für die nächsten zehn Jahre, das die rasante Entwicklung in Gesellschaft und Technik abbildet. Dabei sollen die über WTH/S transportierten Lehrinhalte ein Thema sein – auch am Gymnasium.“
Kontakt:
Pressestelle TU Dresden
Tel.: 0351 463-32398
Michael Lenk
Fakultät Erziehungswissenschaften
Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken
Tel.: 0152 57968076