Jun 01, 2021
»Wir sind mehr als ein modernes Dienstleistungsunternehmen.«
UJ im Gespräch mit Martin Richter, dem scheidenden Studentenwerk-Geschäftsführer
Nach über elf Jahren als Geschäftsführer des Studentenwerks Dresden verließ Martin Richter zum 31. Mai 2021 das gemeinnützige öffentliche Unternehmen und ist nun Präsident des Statistischen Landesamts des Freistaats Sachsen. Damit verbindet sich auch die Funktion als Landeswahlleiter. Das Dresdner Universitätsjournal sprach zum Abschied mit Martin Richter, dem Ende 2019 die Ehrenbürgerschaft der TU Dresden verliehen wurde. Die Hochschule würdigte mit der Auszeichnung seinen außergewöhnlichen und kontinuierlichen Einsatz für die Studierenden in Dresden.
UJ: Herr Richter, was reizte Sie 2010 an der Übernahme der Geschäftsführung des Studentenwerks Dresden, welchen Bezug hatten Sie bereits dazu?
Martin Richter: Diese Stelle passte einfach zu meiner Biografie. Bis dahin war ich seit 2003 Geschäftsführer des Diakonischen Werks in Dippoldiswalde und habe dort eine breite Themenpalette von Beratungsangeboten bis hin zur Kinderbetreuung begleitet. Aber schon während meines Jura-Studiums, das mich 1993 aus Münster nach Dresden brachte, war ich immer im Fachschaftsrat und im Studentenrat aktiv. Dort war ich als Geschäftsführer Soziales für BAföG-Fragen und Sozial-Beratung zuständig. Auch an der Entwicklung der Campus- Party hatte ich »meine Aktien«. Nach Beendigung des Studiums ging es dann zu den Schwerpunkten Öffentliches Recht, Hochschulrecht und Hochschulsteuerung als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Trute mit Engagement im Fakultätsrat, in der akademischen Selbstverwaltung weiter.
Was waren bei Ihrem Amtsantritt 2010 die großen, anstehenden Themen?
Von außen her sicher die Hochwasser- Katastrophe in Ostsachsen, die unsere Mensen und Wohnheime in Zittau und Görlitz in Mitleidenschaft zog. Außerdem sorgte die damalige Finanzkrise für klamme Kassen und die Zuschüsse für die Studentenwerke sollten gestrichen werden. Letztendlich wurden es Kürzungen. Hier haben wir aber mit einem außerordentlichen politischen Zusammenhalt der Studentenwerke in Sachsen eine Einigkeit gegenüber der Landespolitik hergestellt, sodass sich in der Folgezeit viel bewegt hat. Wir sind dankbar, dass seit 2015 die laufenden Zuschüsse sehr deutlich erhöht wurden. 2007 bis 2016 gab es keine investiven Mittel – heute sind diese für Mensen und Wohnheime wieder gesetzt.
Welche Aufgaben prägten die vergangenen Jahre?
Hier lag das Augenmerk auf dem Aus- und Aufbau bestimmter Arbeitsfelder. Damals hatten wir beispielsweise nur eine halbe Stelle für die Sozial-Beratung – da sind wir heute ganz anders aufgestellt. Auch in Sachen Kinderbetreuung hat sich viel bewegt. Hier war es zudem wichtig, den internationalen Studierenden schon in der Bewerbungsphase einen Platz zusichern zu können, obwohl sie da noch keine Einwohner der Stadt sind. Überhaupt haben wir die Angebote für unsere »Internationalen« stark erweitert, haben in unserem »Standard- Geschäft« Wohnheime und Mensen die Palette neu strukturiert. WOMIKO, Wohnen mit Kommilitonen, erleichtert den Start und schafft Bindungen, das Wohnkonzept FRITZ ermöglicht Programm- Studenten während ihres Auslandssemesters in Sachsen das Kurzzeit-Wohnen.
Weitere, übergreifende Themen waren und sind die Digitalisierung und die Prozess-Optimierung, beispielsweise im Bereich BAföG.
Die Gestaltung und Modernisierung unserer Management-Strukturen hatte ebenfalls hohen Stellenwert. Seit 2009 ist unser Qualitätsmanagement ISO-zertifiziert, unser Risiko-Management ist inklusive des Hygiene-Managements ein gelebtes Konzept. Das hat uns zuletzt in der Pandemie extrem geholfen und handlungsfähig gemacht.
Unsere Steuerung ist ergebnisorientiert und ist dezentral ausgerichtet, was Motivation und Kreativität der verantwortlichen Mitarbeiter stärkt. Es gibt eine strategische und operative Verantwortung der Geschäftsbereiche, die sich aber natürlich auch zentral mit der Geschäftsführung abstimmen. Das alles verdeutlicht unsere Unternehmensphilosophie, unser Leitbild »Zusammen. Wirken.« Dabei geht es uns immer darum, die uns wichtigen Qualitätskriterien zu erfüllen: Passt das Angebot zur Lebenswelt? Wirkt es studienunterstützend? Wir orientieren uns an der Herkunft der Zielgruppe, den Ressourcen und den Netzwerken. Sozialräumlichkeit, Niedrigschwelligkeit und Erfüllung des Präventionsgedankens sind für uns Indikatoren für Qualität.
Und wo sehen Sie die wesentlichen »Baustellen « der kommenden Zeit?
Wir müssen die Zusammenarbeit mit den Hochschulen, aber auch mit der Landes- und Bundespolitik weiter intensivieren.
Corona beschäftigt uns nun seit über einem Jahr – mit auch ganz wesentlichen Auswirkungen auf die Geschäftsfelder des Studentenwerks. Wie meistert das SWD diese Herausforderungen? Wird es seine Aufgaben nach der Krise im gewohnten Umfang wahrnehmen können?
Die Pandemie beschäftigte und beschäftigt uns natürlich stark. Unser Geschäftsmodell als Studentenwerk erlaubt nicht den Aufbau von Reserven. Aber wie gesagt – unser Risiko- Management hat uns hier umgehend handlungsfähig gemacht. Die Auswirkungen der Pandemie auf unsere Mensen ist natürlich gravierender als auf die Wohnheime, wo die Auslastung zumindest in Dresden relativ gut ist. Viele unserer in der Gastronomie Beschäftigten beziehen Kurzarbeitergeld, wir erhalten Zuschüsse vom Freistaat. Nachbesetzungen freiwerdender Stellen finden derzeit nicht statt. Besonders leidet auch der von uns schon immer unterstützte kulturelle Bereich, die Studentenclubs und Kulturgruppen. Wir können ihnen mit dem Erlass von Mieten entgegenkommen, aber durch die fehlenden Aktionen zeichnet sich ein gravierendes Nachwuchsproblem ab. Hier bedarf es dann sicher großer Anstrengungen, den für Dresden bisher so charakteristischen Mix als Hauptstadt der Studentenclubs und der Vielfalt an künstlerischen Gruppen aufrecht zu erhalten oder neu zu beleben.
Was sind die Gründe für Ihren Abschied?
Die Gründe für meinen Weggang zum Statistischen Landesamt liegen ausschließlich darin, dass ich nach so vielen Jahren für mich nochmals eine Herausforderung gesucht habe. Ich habe meine Arbeit beim Studentenwerk Dresden immer ausgesprochen gern gemacht. Deshalb gehe ich natürlich auch mit einem weinenden Auge, denn überdrüssig war und bin ich der vielfältigen Aufgaben mit diesem motivierten Team nie. Und man soll doch dann aufhören, wenn es am schönsten ist.
Die Fragen stellte Konrad Kästner.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 10/2021 vom 1. Juni 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.