20.03.2024
Oberschullehrkraft als Wunschberuf oder Notlösung?
Die Rekrutierung von Studierenden für das Oberschullehramt stellt seit Jahren eine Herausforderung dar. Im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2024 präsentierten Forscher:innen des ZLSB Befunde zur Studienwahl von Studierenden des Oberschullehramts.
Der Lehrkräftemangel in Deutschland trifft nicht alle Schulformen in gleichem Maße. Oberschulen in Sachsen haben zum Beispiel deutlich größere Probleme bei der Gewinnung von Lehrkräftenachwuchs als Gymnasien. Dies gilt auch für die Schulformen der Sekundarstufe I in anderen Bundesländern, zum Beispiel Realschule oder Mittelschule. Zugleich fällt es für das Lehramt an diesen Schulformen mitunter schwer, ausreichend Studierende zu gewinnen. Die Studienwahlentscheidung für bzw. gegen das Lehramt an nichtgymnasialen Sekundarschulen stand daher im Fokus eines Symposiums auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE) am 12. März in Halle/Saale, an dem sich das ZLSB beteiligte. Professionsforscher:innen aus Bamberg, Trier, Cottbus und Dresden präsentierten ihre Befunde zu der Frage, welche Motive für oder gegen das Lehramt an nichtgymnasialen Sekundarschulen bei der Studienwahl von Lehramtsstudierenden sprechen. Gemeinsam mit Fachkolleg:innen aus zahlreichen Bundesländern wurde diskutiert, welche Strategien erfolgreich sein könnten, um Lehrkräfte für diese Schulformen zu gewinnen und welche Zielgruppen dabei in erster Linie adressiert werden sollten.
Die Ergebnisse der jährlichen Studieneingangsbefragungen des ZLSB in den Lehramtsstudiengängen der TU Dresden zeigen, dass die Entscheidung für das Oberschullehramt häufig mit dem eigenen Besuch dieser Schulart als Schüler:in einhergeht. Die Befunde qualitativer Interviewstudien der Forscher:innen aus Bamberg, Trier und Cottbus bestätigten die Bedeutung biographischer Erfahrungen für die Schulformwahl von Lehramtsstudierenden. Zugleich wählt an der TU Dresden Jahr für Jahr etwa ein Drittel der Studierenden das Lehramt an Oberschulen, obwohl sie das Grundschul- oder Gymnasiallehramt vorgezogen hätten. Hier stellt das Oberschullehramt eine Notlösung vor dem Hintergrund von Zugangsbeschränkungen und knappen Studienplätzen dar. Dieser Umstand korrespondiert mit einer besonders hohen Schwundquote im Oberschullehramt, die zum Teil durch Studiengangwechsel in das präferierte Lehramt zustande kommt.
Für die Gestaltung der Ausbildungsgänge für Lehrkräfte an nichtgymnasialen Sekundarschulen bieten sich unterschiedliche Entwicklungsrichtungen an, je nachdem, welche der beiden Studierendengruppen man in den Blick nimmt. Wenn Studierende das Oberschullehramt wählen, weil sie u. a. aufgrund biographischer Erfahrungen ein für diese Schulform spezifisches Berufsbild anstreben, dann spricht viel für ein gezielt für dieses Lehramt ausgestaltetes Curriculum, das etwa sozialpädagogischen Elementen mehr Raum gibt und den Umfang des Fachstudiums reduziert. Wenn Studierende das Oberschullehramt nur dann anstreben, wenn sie keinen Studienplatz für das bevorzugte Studium des gymnasialen Lehramts erhalten haben, dann steht in Frage, ob separate Studiengänge für gymnasiale und nichtgymnasiale Sekundarschullehrämter überhaupt notwendig und sinnvoll sind.
Für die Rekrutierung von Studierenden des Oberschullehramts scheinen Personen, die nicht die für Studierende klassische Schullaufbahn von Grundschule und Gymnasium durchlaufen haben, auf jeden Fall eine vielversprechende Zielgruppe zu sein.