23.06.2023
Berufswahl bestimmt die Erwartungen der Studierenden an das Lehramtsstudium
Viele Lehramtsstudierende haben zu Studienbeginn Erwartungen und Vorstellungen von einem Lehramtsstudium, die nicht der Realität entsprechen. Dies liegt möglicherweise daran, dass sich Studieninteressierte stärker über den angestrebten Beruf informieren als über Inhalte und Aufbau des Lehramtsstudiums. Darauf deuten die Ergebnisse einer Befragung hin, die das ZLSB unter mehr als 650 Studienanfänger:innen in den Lehramtsstudiengängen der TU Dresden durchgeführt hat.
Verbreitet sind unrealistische Erwartungen sowohl bezüglich der Studieninhalte als auch bezüglich der Studienbedingungen. Zum Beispiel gehen 70 Prozent der Befragten davon aus, sich an der Universität alle für den Lehrerberuf notwendigen Kompetenzen aneignen zu können. Dass das Lehramtsstudium lediglich die erste von zwei Phasen der Ausbildung von Lehrkräften darstellt, ist vielen offenbar nicht bewusst. Dabei ist die Qualifizierung für den Beruf erst mit dem Ende des Vorbereitungsdienstes, der auf das Studium folgt, abgeschlossen. Mehr als jede:r zweite Studierende glaubt, dass die Studieninhalte dem schulischen Lehrplan im jeweiligen Unterrichtsfach entsprechen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Die Inhalte im Fachstudium orientieren sich stattdessen am Kenntnisstand und am wissenschaftlichen Diskurs in der jeweiligen Disziplin. Dass das Studium eine Anleitung zum Verhalten als Lehrkraft bietet, erwartet ebenfalls mehr als die Hälfte der Befragten. Auch in Bezug auf diese Annahme werden sich die Erwartungen vieler Studierenden nicht erfüllen, denn das Studium ist keine Berufsausbildung, die Handwerkszeug für die Berufsausübung vermittelt. Mit Abschluss des Studiums besitzen Absolvent:innen neben vertieftem vertieftem Fachwissen vor allem Kompetenzen, um Lern- und Unterrichtsprozesse zu analysieren und zu verstehen, um als Lehrkraft das eigene berufliche Handeln kritisch zu reflektieren und weiterzuentwickeln sowie um eigene Lösungen für neue pädagogische Herausforderungen finden zu können.
Nur eine Minderheit der Studierenden erwartet, dass Lehramtsstudierende häufig Lehrveranstaltungen besuchen, die sich auch an die Fachstudierenden in der jeweiligen Disziplin richten. Über die Hälfte der Befragten geht davon aus, vor allem Lehrveranstaltungen zu besuchen, die speziell auf Lehramtsstudierende zugeschnitten sind. Nur wenige Studierende sind sich zudem der Tatsache bewusst, dass die Dozierenden an der Universität Wissenschaftler:innen sind.
„Dass vielen Studienanfänger:innen die Konstruktion und die Ziele des Lehramtsstudiums nicht ausreichend bekannt sind, wird nachvollziehbar, wenn man die Befunde zum Informationsverhalten der Befragten vor Studienbeginn betrachtet“, erläutert Anna Schwalbe, die die Befragung durchgeführt hat. „Viel spricht dafür, dass bei der Entscheidungsfindung die Berufswahl und nicht die Studienwahl im Mittelpunkt stand. Viele Studienanfänger:innen haben sich daher offenbar nicht im Detail über den Aufbau und die Inhalte des Lehramtsstudiums informiert.“
Sind die Studierenden nun mit wissenschaftlichen Studiengängen konfrontiert, in denen schulpraktische Phasen und konkreter Berufsbezug nur einen begrenzten Anteil ausmachen, kann dies zu Enttäuschung, Frust und Unzufriedenheit führen. Realistische Studienerwartungen – so zeigen Studien – tragen hingegen zum Studienerfolg bei. Vor diesem Hintergrund liegt der TU Dresden daran, häufigen Missverständnissen und Fehlerwartungen an das Studium durch gezielte Information vorzubeugen.
Rolf Puderbach, der im ZLSB die Begleitforschung zu den Lehramtsstudiengängen koordiniert, betont: „Auch Transparenz über die Intentionen des Studiums kann die weit verbreitete Kritik an zu wenig Berufsbezug und Schulpraxis im Lehramtsstudium nicht gänzlich ausräumen. Wir gehen allerdings davon aus, dass es die Motivation und den Lernerfolg der Studierenden erhöht, wenn sie die Lernziele und den Aufbau des Lehramtsstudiums nachvollziehen können.“
Bereits jetzt stellt das Studienbüro Lehramt des ZLSB zahlreiche Informationsangebote zum Lehramtsstudium für Studieninteressierte und Studierende bereit. Die vorliegenden Befragungsbefunde geben Hinweise darauf, welche Merkmale des Lehramtsstudiums künftig in Informationsinstrumenten und Beratungsgesprächen noch deutlicher hervorgehoben werden müssen. Inwiefern die Studienerwartungen der Erstsemester dadurch in Zukunft realistischer ausfallen, werden die nächsten Studienstart-Befragungen des ZLSB zeigen.