18.04.2024
Werteerziehung – ein interkultureller Austausch
Wie gelingt es Schule, Schüler:innen zu einem offenen und reflektierten Austausch, vielleicht sogar argumentativen Streit über Wertorientierungen und deren Präkonzepte zu bringen? Wie kann ein sachlicher und konstruktiver Austausch über normativen Dissens in Schule gelingen, der dann auch in unsere Gesellschaft getragen wird? Wie streiten wir über normative Einstellungen?
Fragen, die ohne Zweifel kaum an gesellschaftlicher Relevanz zu unterschätzen sind und bereits in Fachdiskursen, aber auch in gesellschaftlicher Öffentlichkeit einen Platz haben – in Deutschland. Doch wie sieht es eigentlich in Japan aus, einem Land, das auf universitärer Ebene bereits intensiv mit Deutschland kooperiert? Das Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung blickt hier bereits auf eine längere Zusammenarbeit mit japanischen Universitäten zurück. Im Februar und März erhielten wir erneut Besuch von Dr. Kana Hamatani von der Chuo Universität in Tokyo.
Ausgehend von ihrer Dissertation zur Geschichte des Konflikts und der Zusammenarbeit zwischen dem Fachbereich Religionsunterricht und dem Fach Ethik und Philosophie forscht sie aktuell gemeinsam mit Prof. Dr. Mathias Proske von der Universität Köln und Dr. Roland W. Henke aus Bonn zur Werteerziehung unter Einbeziehung von Diversität und Heterogenität. Das vielfältige Angebot, das seitens des ZLSBs aufgestellt wurde, ermöglichte Dr. Hamatani einen vielfältigen Eindruck von der Situation in Sachsen.
Die 12. Grundschule in Cotta öffnete ihren Ethikunterricht zum Thema vom Verhältnis von Ethik und Religion in einer dritten Klasse, die Oberschule Weixdorf ermöglichte einen Blick, wie Schüler:innen der siebten Klasse die Philosophie der Gewaltlosigkeit Mahatma Gandhis diskutieren und das Gymnasium Bürgerwiese machte sogar einen Blick in den Grundkurs G/R/W möglich, der sich aktuell intensiv mit möglichen Formen politischer Willensbildung auseinandersetzt. Die Eindrücke in Schule waren dann stets ein Impuls zur Öffnung der Diskussion über Werteorientierung und Wertevermittlung in Schule. Diese Diskussion mit Dr. Hamatani vertiefte sich auch auf universitärer Seite: wir konnten beispielsweise mit Prof. Dr. Markus Tiedemann, einem führenden Philosophiedidaktiker Deutschlands mit dem Lehrstuhl der Philosophiedidaktik an der TU Dresden, in den Diskurs über Notwendigkeit und Formen ethischer Bildung in Schule und Universität treten. Außerdem diskutierten Lehrkräfte im Hochschuldienst in einem offenen Diskussionsformat über Fragen der Wertorientierung nicht nur im Ethik- und Philosophieunterricht, sondern auch in anderen Fachbereichen und in Schule im Allgemeinen. Dabei war es für alle Teilnehmenden besonders interessant, den kontrastiven Blick nach Japan zu erhalten.
Die Gelegenheit zu einem authentischen Diskurs nutzte auch eine Kollegin des Bertolt-Brecht-Gymnasiums, die zum interkulturellen Ästhetikverständnis am Beispiel der Rezeption deutscher Ästhetiktheorie in Japan promovierte. Hier zeigte sich der überaus produktive und für beide Seiten gewinnbringende Austausch von Universität und Schule, von Japan und Deutschland, von Dozentin und Lehrerin besonders eindrucksvoll.
Ein großer Dank gilt vor allem unseren Kolleg:innen an den Schulen, die offen und neugierig ihre Tore öffnete und Hospitationen ermöglichten. Außerdem danken wir allen Kolleg:innen des ZLSB für die Unterstützung bei der Planung und Durchführung.