Arten der Differenzierung und der Öffnung
Table of contents
Arten der Differenzierung
Differenzierung kann auf sehr unterschiedliche Art und Weise geschehen, weswegen zwischen den Formen äußerer, innerer und natürlicher Differenzierung unterschieden wird. Hierbei wird deutlich, dass scheinbar je nach Diffrenzierungsart eine unterschiedliche Perspektive auf Heterogenität mitschwingt.
Bei der äußeren Differenzierung werden die Lernenden in vermeintlich homogene Gruppen eingeteilt, die über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben. Beispiele hierfür sind sie Unterscheidung der Schularten (z.B. Oberschule und Gymnasium) sowie einzelne Kurse und Lerngruppen innerhalb der einzelnen Schulen (z.B: Grund- und Leistungskurs, Fördergruppen und Begabtengruppen). Mit einem inklusiven (Selbst-)Verständnis von Lehren und Lernen hat dies wenig zu tun.
"Universität, Gymnasium, Realschule, Hauptschule - sie alle sind Sonderschulen, Schulen für Menschen ohne den jeweiligen anderen Menschen" (Feuser 1989: 6)
Bei der inneren Differenzierung wird die heterogene Lerngruppe beibehalten und es finden eher kurzzeitig wirksame Angebote und Gruppierungen statt. Es gibt verschiedene Formen bzw. Möglichkeiten der Inneren Differenzierung (Krauthausen, Scherer 2014: 17):
-
Anzahl und Schwierigkeitsgrad der Aufgaben
-
Formen der Aneignung, Zugangsweisen und Repräsentationsebenen (z.B. allein etwas lesen, mit anderen austauschen, Beachtung der Lerntypen)
-
Umfang der zugestandenen Hilfe
-
Sozialform (z.B. Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit, Plenum)
-
Medien (z.B. Lehrbuch, Computer, Spiele)
-
Lernzeit (z.B. ein Gedicht in einer Woche oder in zwei Wochen lernen)
-
Methoden (z.B. Gruppenpuzzle, Brainstorming, Internetrecherche)
Da zumeist die Lehrperson vorgibt, welche Aufgaben “schwer” bzw. “einfach” sind, wie viele Aufgaben erledigt werden müssen, welche Materialien genutzt werden dürfen und in welchem Zeitumfang eine Aufgabe zu erledigen ist, gibt es auch Kritik an der inneren Differenzierung (z.B. Krauthausen, Scherer 2014: 24ff., Bartnitzky 2010: 206ff.). Darüber hinaus wird individuelle Differenzierung häufig als Individualisierung missverstanden, wodurch die Gefahr der Vereinzelung besteht: Sozialer Austausch und soziales Lernen bleiben dann zugunsten einer Fokussierung auf das Individuum auf der Strecke. Aufgrund der Verschiedenheit der Lernenden wird häufig die didaktische Konsequenz gezogen, dass jedes Individuum und allein lernt. Nach diesem Prinzip sind zahlreiche Lehr-Lern-Materialien aufgebaut und es kommt nicht selten zu einer “Materialflut” (Krauthausen, Scherer 2014: 31). Fehlt den Lernenden jedoch der soziale Austausch über den Lerngegenstand, bleiben ihnen zahlreiche Anregungen und Lernchancen verwehrt. Die Eigenständigkeit der Lernenden sowie das gemeinsame Lernen geraten aus dem Blick (ebd.: 25ff.). Des Weiteren ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung im innere Differenzierung schul- bzw. allgemein pädagogisch dominiert liefert vor allem Impulse dazu, wie Differenzierung methodisch umsetzbar ist. Das Fach und die fachliche Substanz des Lerngegenstandes - seine eigene Komplexität und Vielschichtigkeit - erscheinen zweitrangig oder bleiben gänzlich unbeachtet (ebd.: 29f.).
Das Konzept der natürlichen Differenzierung fokussiert darauf, dass der Lerngegenstand ganzheitlich erarbeitet wird und beachtet, dass sich hier “in natürlicher Weise” unterschiedliche Schwierigkeitsniveaus und Zugänge ergeben (Krauthausen, Scherer 2014: 49 f.; Wittmann 2010). Die Merkmale der natürlichen Differenzierung sind (siehe auch Was bedeutet „Natürliche Differenzierung“?):
-
Alle erhalten das gleiche Lernangebot, dass durch eine niedrige Eingangsschwelle den Zugang für alle ermöglicht und zugleich “Rampen” für Leistungsstarke ermöglicht (dies ist die Grundlage für “Lernen am gemeinsamen Gegenstand” (Feuser 2011: 87))
-
Das Angebot erfüllt das Kriterium der (inhaltlichen) Ganzheitlichkeit (die Komplexität und Vielschichtigkeit des Lerngegenstandes spiegelt sich im Angebot wieder. Kein kleinschrittiges Vorgehen)
-
Eine fachliche Rahmung ist gegeben (eine fachlich-kompetente Lehrperson)
-
Die Lernenden können selbst wählen, auf welchem Level (Schwierigkeitsniveau) sie sich mit dem Angebot auseinandersetzen
-
Bearbeitungswege, Hilfsmittel, Darstellungsformen und manchmal sogar die Problemstellung selbst sind freigestellt
-
Soziales Lernen von- und miteinander findet im interaktiven Austausch über das Angebot statt (bspw. bei der gemeinsamen Erarbeitung oder in einer gemeinsamen Abschlussrunde)
Die individuellen Bedürfnisse, Kompetenzen und Interessen der Lernenden finden bei der natürlichen Differenzierung gleichermaßen Beachtung wie die fachliche Komplexität des Lerngegenstandes und der soziale Austausch. Es ist weniger die Lehrperson, die das Angebot und Möglichkeiten der Differenzierung bereitstellt, sondern vielmehr die Lernenden selbst.
Ebenen der Öffnung
Differenzierung geht mit einer Öffnung des Unterrichts einher. Nach Peschel (2009: 38-49) kann die Öffnung des Unterrichts in verschiedene Stufen unterteilt werden:
-
Organisatorische Öffnung - Öffnung von Raum, Zeit und Sozialformen
-
Methodische Öffnung - Öffnung der Lernwege
-
Inhaltliche Öffnung - Öffnung der Fächer und Themen
-
Soziale Öffnung - Öffnung zu Mitbestimmung, Demokratie und gegenseitigem Austausch
Die vier Stufen der Öffnung verdeutlichen, dass sich die Öffnung und die damit einhergehende Mit- und Selbstbestimmung der Lernenden auf unterschiedlichen Ebenen vollziehen kann. Damit soziale, inhaltliche und methodische Öffnung überhaupt erst realisiert werden können, “müssen zunächst unnötige organisatorische Zwänge vermieden werden, das heißt so weit wie möglich sollten die Beteiligten frei über Raum, Zeit und Sozialformen entscheiden können. Feste Sitzplätze, feste Stundenvorgaben und feste Vorgaben, alleine oder nur mit bestimmten Partnern zu arbeiten, machen grundsätzlich wenig Sinn und müssen immer wieder im Einzelfall begründet werden” (Peschel 2009: 39).
Was brauchen und wollen die Lernenden?
Durch Gespräche mit den Lernenden sowie gezielte Beobachtung können Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Art der Differenzierung bzw. welche Ebene der Öffnung zu welchem Zeitpunkt und bei welchem Lerngegenstand geeignet sind. Eine Verstehende Perspektive ist somit für eine heterogenitätssensible Differenzierung unabdingbar. Es geht nicht allein darum, die verschiedenen Möglichkeiten der Differenzierung zu kennen, sondern darüber hinaus auch, wie diese mit den (Lern-)Bedürfnissen der Lernenden in Einklang gebracht werden. Ziemen (2018: 173) verdeutlicht, welche beispielhaften Aussagen der Lernenden Rückschlüsse auf unterschiedliche Bedürfnisse bezüglich der Differenzierung und Öffnung geben:
Schüler*innenaussagen (Beispiele) |
Differenzierung |
---|---|
„lch lerne besser, wenn es langsamer geht.“ |
Lerntempo |
„lch lerne besser in der kleinen Gruppe.“ |
Sozialform |
Mir ist das meistens zu viel.“ |
Quantität |
„lch lerne gut mit Computerprogrammen.“ |
Aneignungsebene |
„lch lerne besser, wenn ich eine VorIage habe.“ |
Strukturierung |
„lch lerne am besten mit der Lehrperson zusammen.“ |
Unterstützung |