Emotionen reflektieren
"Den Umgang mit eigenen Emotionen und deren Regulation erlernt der Mensch nicht allein, sondern im stimulierenden Austausch mit anderen. Kein Mensch kommt folglich mit der Fähigkeit auf die Welt, die eigenen Emotionen zu regulieren. Diese Kompetenz kann nur in geeigneter emotionaler Interaktion erlernt werden" (Hölzel, Jugel 2019: 251).
Was sind Emotionen?
Angst vor Spinnen; Wut auf die nervige Nachbar*innenschaft; Vorfreude auf Weihnachten: Bei solch starken Emotionen könnten wir meinen, es wäre keine gesonderte Definition dafür nötig, was eine Emotion ist. Doch die Annahme, dass alle Personen beim Anblick einer Spinne Angst oder Ekel empfinden ist fehlerhaft. Worin liegt also die Ursache dafür, dass wir unterschiedlich empfinden. Was sind Emotionen und können wir sie irgendwie beeinflussen?
"Everybody knows what an emotion is until asked for a definition." [Jede*r weiß, was eine Emotion ist, bis nach einer Definition dafür gefragt wird.] (Fehr, Russel 1984: 464)
In der Wissenschaft wird intensiv diskutiert, was Emotionen sind, welche Ursachen und welche Merkmale sie haben. Begriffe wie Gefühl, Stimmung und Empfindung werden im alltäglichen Umgang synonym zum Begriff Emotion verwendet, obwohl sie aus wissenschaftlicher Perspektive teils unterschiedliche Bedeutungen tragen. Allein zum Begriff Emotion existieren zahlreiche, teils sehr unterschiedliche Definitionen (Hölzel, Jugel 2019). So werden Emotionen aus naturwissenschaftlicher Perspektive eher als physischer Reiz-Reaktions-Zusammenhang begriffen und scheinen anhand bestimmter Marker konkret messbar zu sein. Im Gegensatz betont ein sozial- und kulturwissenschaftliches Emotionskonzept stärker die soziale Vermittlung und historische Prägung von Emotionen (Besand 2021). Nach dem zweitgenannten Emotionskonzept finden wir beispielsweise Maden eklig, weil wir das (unbewusst) so von den sichtbaren Emotionen/dem Umgang unserer Mitmenschen übernommen und somit 'gelernt' haben. Wir haben Angst vor unbekannten, dunklen Kellerräumen, weil sie häufig der Schauplatz von Horrorfilmen sind.
Gemein ist der Mehrheit der Definitionsversuche, dass Emotionen innere Zustände sind, mit denen eine Person auf äußere Zustände reagiert. Emotionen sind innere psychische Prozesse, die nicht direkt der unmittelbaren subjektiven Steuerung unterliegen (Hölzel, Jugel 2019). Dies bedeutet, dass man die eigenen Emotionen nur in gewissem Grad einschätzen und beeinflussen kann. Eine mögliche Definition ist die Folgende:
"Emotionen vermitteln auf der Basis von Urteilen und Bewertungen ein orientierungsstiftendes sowie handlungsvermittelndes Wissen über das Selbst und die Welt. Das besondere Zusammenwirken von Kognition und Leiblichkeit führt dabei dazu, dass Emotionen nicht nur Wissen, sondern häufig sogar Gewissheit über das Selbst und seine Beziehung zur Welt vermitteln” (Petri 2018).
Gemäß dieser Definition sind Emotionen Bewertungen, die auf der Grundlage von Urteilen und Erfahrungen entstehen und nicht verhandelbar sind (Besand 2021). Ein Beispiel: Wenn eine Person Angst vor Hunden hat (beispielsweise aufgrund eines traumatisierenden Erlebnisses in der Kindheit), helfen auch rationale Argumente wie “Aber mein Hund tut dir nichts” oder “Schau doch mal, wie klein der ist” nicht. Das soll nicht bedeuten, dass emotionsbasierte Urteile unveränderbar sind. Dies wäre insbesondere für Lehr-Lern-Prozesse ein schwerer Schlag. Doch Lehrenden muss bewusst sein, wie Emotionen zustande kommen und dass sie eben häufig nicht ‘so einfach’ von Außen beeinflusst werden können. Insbesondere hinsichtlich negativer Emotionen (z. B. Angst und Scham) bedarf es eines emotionssensiblen und wertschätzenden Umgangs mit den Erfahrungen, Urteilen und den damit zusammenhängenden Emotionen der Lernenden. Im Fundus wird insbesondere darauf eingegangen, warum der bewusste Umgang mit Emotionen in Lehr-Lern-Kontexten bedeutsam ist und wie ein bewusster und reflektierter Umgang mit Emotionen aussehen kann.
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