Was bedeutet kompetenzorientiertes Prüfen und warum ist das wichtig für meine Lehre?
Bildungseinrichtungen können sich den systemischen Vorgaben zum Prüfen und Bewerten nicht (gänzlich) entziehen. In den je individuellen pädagogischen Beziehungen sollte jedoch das Unterstützen der Lernenden im Vordergrund stehen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Leistungen der Lernenden (vor allem mit Blick auf die individuell bestmögliche Förderung) sollte das Grundanliegen von Bewertungssituationen sein. Unter dem Stichwort des “kompetenzorientierten Prüfens” vereinen sich Methoden und Verfahren der Bewertung und Rückmeldung, die weniger auf Produkten, Normen und Selektionsmechanismen basieren. So kann die individuelle Förderung auf Basis prozessbezogener und kriterienorientierter Bewertungsgrundlagen anvisiert werden.
Das Bedeutsame beim kompetenzorientierten Prüfen liegt darin, dass nicht die Defizite im Fokus stehen (z. B. die Anzahl der Fehler in einer Klausur oder die Menge von Rechtschreibfehlern in einer Hausarbeit), sondern dass Fehler neu gedeutet werden. Es lohnt sich, Fragen zu stellen, wie: Wie könnte die Perspektive der lernenden Person auf den Lerngegenstand sein? Ist die Antwort wirklich falsch oder entspricht sie nur nicht meiner Erwartung? Was könnten die Ursachen für das aus meiner Sicht unerwartete Verhalten bzw. die fehlerhafte Antwort sein? Wie kann ich die Person bei ihrem individuellen Lern- und Entwicklungsprozess unterstützen? Es geht hier also darum, Lernerfolge zu begleiten, der lernenden Person mehr zuzutrauen und eine Verstehende Perspektive einzunehmen (Sundermann, Selter 2005). Nicht die Defizite, sondern die Potenziale der Lernenden sollten im Fokus stehen! Potenzialorientierung meint also immer, das, was die Lernenden noch werden können als Zielperspektive vor Augen zu haben.
Potenzialorientierung stellt das lernende Individuum in den Mittelpunkt und betont die Notwendigkeit, pädagogische und didaktische Entscheidungen vor dem Hintergrund einer entsprechenden Diagnostik auszugestalten. Sie stellt damit eine bestimmte Antwort auf Heterogenität im Klassenzimmer dar, indem jeder und jede Einzelne mit Fokus auf individuelle Möglichkeiten in den Blick genommen wird (Jahr 2018: 79)
Fallbeispiele, bei denen Probleme und Herausforderungen bezüglich des Prüfens und Bewertens thematisiert werden, finden sie bei "Die Fallen alle durch"