02.07.2021
Erste digitale BQL Werkstatt-Tage zum Thema "Analoges digital denken"
Ein Lehrveranstaltungsformat ganz besonderer Art erlebten die Teilnehmenden der berufsbegleitenden Qualifizierung von Lehrkräften an Grundschulen (BQL GS) vom 07.-10.06.2021. Das Dozierenden-Team konzipierte und erprobte erstmals digitale Werkstatt-Tage. Die Lernangebote führten unter anderem durch einen blühenden digitalen Garten (Sachunterricht), vorbei an Apps für den Mathematikunterricht bis hin zum Lauschen eigenständig vertonter literarischer Texte für den Deutschunterricht.
Das Werkstatt-Lernen fördert das selbstbestimmte entdeckende Lernen von Lehrpersonen in der wissenschaftlichen Qualifizierung. Dabei geht es darum, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen und selbst zu entscheiden, wie intensiv und auf welche Art und Weise die Auseinandersetzung mit den Lernangeboten erfolgen soll (vgl. Brée 2017). Im Jahr 2020 fanden die Werkstatt-Tage zum Thema "Differenzierung" in Präsenz statt, 2021 wurden sie erstmals digital durchgeführt. Der digitale Raum der Werkstatt-Tage erforderte daher per se ein didaktisches Umdenken für fachbezogene und fächerübergreifende Lernanregungen.
Beim Lernangebot: „Der #digitale Garten#“ von Fr. Dr. Mede-Schelenz avancierte der Schulgarten zum zentralen Ort des Naturerlebens und der Naturbegegnung im Sachunterricht. Die Herausforderung bestand darin, die Inhalte des Schulgartens in den digitalen Raum zu verlagern. Im Rahmen der Lernwerkstatt entstand ein gemeinsamer #digitaler Garten# als Ort des Austauschs und der Diskussion. Die Teilnehmer:innen konnten beispielsweise eigene Lernmodule in Form von Pflanzen-Memorys über H5P erstellen, lernten diverse Pflanzenbestimmungs-Apps wie „PlantNet“ kennen, konnten zusätzliche Texte lesen und erhielten kreative Anregungen für die Ausgestaltung des eigenen Sachunterrichts.
Fr. Roch aus dem Fachbereich Mathematik hielt Impulse für eine Auseinandersetzung mit Apps im Mathematikunterricht bereit. Konkrete Aufgaben initiierten das Entwerfen, das Teilen und das Diskutieren von Umsetzungsmöglichkeiten. Ausgetauscht wurden dabei besonders Argumente für und gegen den Einsatz von Apps im Schulalltag. Die Teilnehmenden diskutierten zu Vor- und Nachteilen einzelner Anwendungen vor dem Hintergrund mathematikdidaktischer Prinzipien und Inhalte. Zugleich fand ein Ehrfahrungsaustausch zu motivierenden Gamification-Elementen statt.
Fr. Dr. Wohlfahrt aus dem Bereich Bildungswissenschaften konzipierte ein Lernangebot zum Thema: „Bildung und Bindung digital initiieren und halten“. Die Lernenden hatten die Möglichkeit, verschiedene Bindungstheorien kennenzulernen sowie zu erforschen, wie Bindung im Schulkontext aufgebaut werden kann. Im praktischen Teil wurde zur Exploration realer digitaler Situationen animiert, in denen Bindung initiiert und gehalten werden sollte. Raum zum Austausch über die Erfahrungen in den Übungen sowie zu den Erkenntnissen während der häuslichen Lernzeit boten die zwei Expert:innen-Runden. Rege wurde hier über Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten zum Bindungsaufbau während digitaler Phasen diskutiert.
Fr. Weinhold hinterfragte auf multimodale Weise: „Wären Sie lieber klüger oder kompetenter?“ So sollten die Inhalte der verwendeten Padlets anregen, sich dem Thema Erhebung von Kompetenzen über Selbst- und Fremdeinschätzungen - gerade auch beim häuslichen Lernen - zu nähern. Beispielhafte Performanzaufgaben und Einschätzungsbögen ermöglichten den Zugang; Reflexionsfragen dienten zur Vertiefung. Die bereitgestellte Literatur bot zudem Einblicke in den pädagogischen und philosophischen Diskurs zu Kompetenzen und Wissen sowie zu Erhebungsmöglichkeiten. Im Expert:innenslot bestand die Möglichkeit, eigene praktische Erfahrungen zu differenzierenden Methoden der Leistungserhebung vorzustellen und zu diskutieren. Thematisiert wurde die Frage: „Wie greife ich Selbsteinschätzung in der Bewertung auf?“.
Fr. Dr. Bazileviča aus dem Bereich Deutsch bot folgendes Thema an: „Aus der Irritation schöpfen: Kreativität im (digitalen) Alltag“. Die Zielstellung des Aufgabenangebots beinhaltete das Ausprobieren und Reflektieren verschiedener Methoden des kreativen Schreibens im digitalen Format. Im Expert:innenslot war festzustellen, dass die Teilnehmenden gern kreativ schrieben (manche zum ersten Mal). Es bestand nachhaltiges Interesse, dieses Verfahren in ihrer Unterrichtspraxis auszuprobieren. Dabei ergab sich eine rege Diskussion über die Möglichkeiten verschiedener analoger und digitaler Medien und deren Einsatz im Unterricht.
Die angeregte Diskussion wurde beim zweiten Lernangebot des Fachbereiches Deutsch von Fr. Borszik „Für das Hören lesen“ fortgesetzt.
Je nach Interessenlage konnten sich die Teilnehmenden entweder mit dem Klang ihrer eigenen Stimme, der Vertonung eines Textes oder der Planung eines Podcast-Projekts für ihre Schüler:innen auseinandersetzen. Dazu erhielten die Teilnehmenden unterschiedliche Lernangebote. Im Expert:innen-Talk wurden hauptsächlich praktische Fragen diskutiert, die für die Umsetzung eines Podcast-Projekts an Grundschulen relevant sind. Frau Cindy Traste aus Gruppe C stellte die Audio-Bearbeitung des Textes „Ein Störenfried kommt selten allein“ (Reichel 2019: 19f.) vor.
Geräusch: Musik
Erzähler: Anton Jäger lag in der Sonne und döste vor sich hin. Auf dem Boden lag seine Lieblingszeitschrift, neben seiner Liege stand ein kleiner Tisch mit einer Kanne Tee.
(Geräusch: Vogelgezwitscher)
Anton: Was für ein schöner Tag! Wie herrlich!
Erzähler: Alles war friedlich und ruhig. Doch da ...
(Geräusch: singende Frau)
Anton: Was? Wie? Kann Erna nicht woanders singen? Ruhe!
(Geräusch: abklingendes Singen, Stille)
Anton: Ah, jetzt ist es wieder ruhig. Jetzt werde ich mal mein Mittagsschläfchen halten.
(Geräusch: Schnarchen)
Erzähler: Kaum hatte sich Anton wieder hingelegt und die Augen zugemacht, da ...
(Geräusch: Hämmern)
Anton: So ein Lärm! Das kann ja wohl nicht wahr sein!
Erzähler: Anton wurde langsam wütend. Doch bevor er sich beschweren konnte, war sein Nachbar auch schon fertig mit seinem Gehämmere und Geklopfe.
Anton: Zum Glück ist jetzt endlich Ruhe!
Erzähler: Doch es sollte noch die eine oder andere Ablenkung geben.
(Geräusche: Kreissäge, Miauen, Fahrradklingel, Feuerwehrsirene, Auto, Bellen, Bohren)
Anton: Nein, nein, nein! So geht das nicht! Ich brauche Ruhe, Ruhe, Ruhe! Ist das denn so schwierig? Ich kann es nicht mehr hören! Aufhören! Leise! So ein Lärm! So ein Lärm! Ruhe!
Erzähler: Anton stapfte schimpfend ins Haus und holte sich seine Ohrenschützer.
Anton: Haha, damit stört mich niemand mehr. Endlich Ruhe!
Erzähler: Da sauste eine kleine Fliege in der Luft herum.
(Geräusch: Fliege)
Erzähler: Sie ließ sich frech auf Antons Nase nieder.
Anton: Das auch noch! Verschwinde, du freches Tier!
Erzähler: Doch die kleine Fliege dachte gar nicht daran. Sie fand es lustig, wie sehr sich Anton aufregte. Er hatte schon einen richtig roten Kopf.
Anton: Du kitzelst mich ja. Da muss ich auch noch niesen! Hatschi!
Erzähler: Die Fliege flog viermal um Anton herum.
Anton: Jetzt reicht es mir aber wirklich!
Erzähler: Die Fliege hatte sich in der Zwischenzeit gut gelaunt auf der Teekanne niedergelassen.
Anton: Gleich habe ich dich! Du wirst schon sehen ... Ich werde Dich mit meiner Zeitschrift verjagen.
(Geräusche: klirrendes Geschirr, Fliege)
Erzähler: Oh nein! Anton traf nicht die Fliege, sondern die Teekanne. Sie fiel klirrend zu Boden und zerbrach. Die kleine Fliege suchte nun schnell das Weite.
Anton: Ich gebe es auf. Ruhe finde ich heute wohl nicht mehr! Und jetzt auch noch das!
(Geräusche: Gewitter, Musik)
Den Umgang mit digitalen Tools beim Werkstatt-Lernen unterstützten auch Fr. Oertel und Hr. Krone (beide von BQL.Digital), sowie Hr. Hoffmann von der Koordinierungsstelle Digitalisierung des ZLSB mit einem Stationen-Workshop und einer Support-Stunde. Dabei wurden vier digitale Tools für den Einsatz in der Grundschule vorgestellt: LearningApps, Padlet, Kahoot! und H5P. In beiden Veranstaltungen konnten die Seiteneinsteiger:innen ganz praxisnahe Einsatzszenarien für die Grundschule erleben und Fragen zur Umsetzung stellen. Der Stationen-Workshop stieß auf großes Interesse sowohl bei Seiteneinsteiger:innen als auch bei grundständigen Lehramtsstudierenden (ca. 40 Teilnehmende insgesamt). Neben diesen virtuellen Live-Events gab es auch ein begleitendes Padlet.
Fr. Czaja von der Koordinierungsstelle Inklusion des ZLSB präsentierte im Rahmen der Werkstatt-Tage ein Padlet zum Thema: „(Digitale) Inklusion“. Unter dem Titel „Escape from your classroom!“ sollten sich die Teilnehmenden mit den Querschnittsthemen Inklusion und Digitalisierung auseinandersetzen. Sie lernten inklusive Lehr-Lern-Apps und Tools kennen und reflektierten zu digitalen Exklusionsmechanismen. Zudem wurde eine gezielte Bedarfsabfrage zu additiven inklusiven Lehrangeboten durchgeführt. Damit soll zukünftig bedarfsgerechter mit zusätzlichen Workshops auf die Seiteneinsteiger:innen eingangen werden. Im Expert:innen-Talk konnten die Teilnehmenden über Herausforderungen inklusiven Unterrichtens diskutieren und Chancen und Risiken digitalen Lehrens und Lernens erörtern.
Neben Lernangeboten, Expert:innenslots und Workshops, gab es die Möglichkeit sich im Pausenraum bei Yoga, Quiz und Kaffeekränzchen zu erholen. In den Auswertungsrunden wurde deutlich, dass die digitale Werkstatt-Woche erfolgreich wahrgenommen wurde.
In der gemeinsam erstellten Wortwolke zeigte sich das besondere Potenzial für eine kreative, differenzierte und selbstbestimmte Lernumgebung. Es gab auch kritische Stimmen im Bezug auf das Thema Digitalisierung, zu mangelnder Bewegung oder fehlenden Endgeräten an Schulen.
Über eine Fortführung der Aktivität in den kommenden Semestern findet derzeit ein intensiver Austausch aller beteiligter Akteur:innen statt.
Quellen:
- 1) Brée, Stefan (2017). Lernwerkstatt als Prinzip. Eine Einführung. Eröffnungsvortrag auf der Tagung Experimentieren, entdecken und gestalten in Lernwerkstätten - Chance für den Übergang KiTa – Grundschule am 22.02.2017 in Osnabrück.
- 2) Reichel, Sabine (2019). Hörverstehen fördern im Deutschunterricht 3/4: Mit System zur Hörkompetenz: Zuhören trainieren, Geräusche erkennen, Hörtexte erfassen und gestalten (3. und 4. Klasse). Auer Verlag.
Peggy Germer (peggy.germer@tu-dresden.de)