WTB zur Anwendung der NRR bei Brücken in M-V
Inhaltsverzeichnis
Projektdaten
Titel | Title Wissenschaftlich-technische Betreuung (WTB) beim Projekt zur Anwendung der Nachrechnungsrichtlinie auf den Brückenbestand Mecklenburg-Vorpommerns | Scientific and technical supervision for application of the German recalculation guideline on the bridge stock of Mecklenburg-West Pomerania Auftraggeber | Funding Landesamt für Straßenbau und Verkehr Mecklenburg-Vorpommern Zeitraum | Period 05/2011 − 06/2016 Leiter | Project manager Dr.-Ing. Torsten Hampel Bearbeiter | Contributor Dipl.-Ing. Nico Schmidt, Dipl.-Ing. Oliver Steinbock, M.Sc. Mateusz Ewertowski |
Bericht aus dem Jahrbuch 2016
Straßenbrücken im Bestand – Symbiose von Forschung und Praxis
Die Bewertung von Bestandsbrücken rückt seit einigen Jahren, spätestens seit der Einführung der Nachrechnungsrichtlinie (NRR) im Jahr 2011, wieder vermehrt in den Schwerpunkt der Forschung. Gegenüber Brückenneubauten ist hier eine differenzierte Betrachtungsweise notwendig, schließlich sind die alten Brücken nach anderen Maßstäben entworfen und gebaut worden. Zum einen hat man sich früher mit anderen Verkehrsprognosen und Anforderungen als heute auseinandersetzen müssen, andererseits haben wir materialübergreifend bei den Konstruktionsformen von Brückenüberbauten dazugelernt. Letztlich erlauben es unsere heutigen umfangreichen Regelwerke, komplex zu entwerfen und dabei das Fehlerrisiko zu minimieren sowie die Ergebnisse der Forschung einfließen zu lassen.
Die Nachrechnungsrichtlinie wurde 2016 durch eine 1. Ergänzung fortgeschrieben. Insbesondere wurde der Abschnitt zu den Betonbrücken auf Basis zahlreicher Forschungsergebnisse durch die Arbeitsgruppe der BASt überarbeitet. Erste Nachrechnungen haben gezeigt, dass beispielsweise die Schubtragfähigkeit älterer Betonbrücken nach aktuellen Bemessungsvorschriften nicht nachzuweisen ist. In der 1. Ergänzung zur NRR wurde daher u. a. das Hauptzugspannungskriterium aufgenommen. Häufig gelingt der Nachweis nun nach Stufe 2 der NRR, bei der keine aufwendigen zusätzlichen Abstimmungen (wie in Stufe 4) notwendig sind. Im Rahmen des Forschungsvorhabens im Auftrag des Landesamts für Straßenbau und Verkehr Mecklenburg-Vorpommern konnte das Hauptzugspannungskriterium auf Fertigteilkonstruktionen der ehemaligen DDR erfolgreich angewendet werden. Weitere alternative Nachweise zur Schubtragfähigkeit entsprechend Stufe 4, z. B. Druckbogenmodelle, wurden ebenfalls angewendet, bedurften jedoch der Abstimmung mit der obersten Baubehörde. Es wäre daher zu begrüßen, die Nachrechnungsrichtlinie weiter fortzuschreiben und um die Erkenntnisse der Forschungsarbeiten zu erweitern.
Die materialübergreifende Betrachtung der Brückenüberbauten im Projekt mündet in zahlreichen neuen Erkenntnissen im Umgang mit anderen Brückenüberbauten, z. B. in Bezug auf Besonderheiten von Stahlüberbauten der ehemaligen DDR oder bei der Nachrechnung von Gewölbetragwerken. Der Projekterfolg ist ein Ergebnis der engen und konstruktiven Zusammenarbeit mit unserem Auftraggeber und allen beteiligten Ingenieurbüros, wofür wir uns an dieser Stelle bedanken möchten.
Bericht aus dem Jahrbuch 2015
Sichere Straßenbrücken
Mit der Einführung der neuen Nachrechnungsrichtlinie (NRR) wird gegenwärtig eine große Zahl der Straßenbrücken in Deutschland durch statische Nachrechnungen untersucht, wie auch bei diesem Forschungsprojekt in Mecklenburg-Vorpommern. Einige der betrachteten Konstruktionen lassen sich allerdings auch mit den ergänzenden Regelungen in Stufe 2 der NRR nicht nachweisen. Dies betrifft hauptsächlich ältere Spannbetonkonstruktionen im Hinblick auf ihre Schubtragsicherheit. Aber auch Stahlüberbauten, bei denen die Beulsicherheit und auch die Ermüdungssicherheit den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprechen. Zur Problemlösung werden wissenschaftliche Methoden bis zur Stufe 4 der Nachrechnungsrichtlinie angewendet.
Für einen Spannbetonüberbau wird die Schubtragfähigkeit beispielsweise bereichsweise mit einer Kombination aus dem klassischen Fachwerk- und einem Bogen-Zugband-Modell nachgewiesen. Dabei wird die traditionelle Trennung zwischen der Bemessung für Biegung und der für Querkraft überwunden. Stattdessen wird eine genauere Interaktion der beiden Schnittgrößen bei der Nachweisführung berücksichtigt. Auf diese Weise lassen sich bisher unerschlossene Tragreserven aktivieren, damit die Tragfähigkeit für diese Konstruktion ohne Lastbeschränkung nachgewiesen werden kann.
Als zweites Beispiel seien die Haupttragelemente einer großen Stahlbrücke angeführt, die hinsichtlich ihrer Beulsicherheit nicht mehr den heutigen Anforderungen genügen. Die Ursachen hierfür werden erforscht. Hier werden die aktuellen Bemessungsregeln den ursprünglichen Nachweisformaten gegenübergestellt und die Annahmen bei der Nachrechnung kritisch hinterfragt. Mit stufenweise reduzierter Verkehrsbelastung wird die Tragfähigkeit schließlich nachweisbar. Im Ergebnis der Nachrechnung werden an der Stahlbrücke weitgehende Verkehrseinschränkungen notwendig, bis die Sanierung der kritischen Bereiche realisiert ist.
Balkenreihentragwerke sind eine im Bestand häufig vorkommende Konstruktionsform, deren Tragverhalten mit erweiterten statischen Modellen vertiefend betrachtet wird. Dabei kommen neben der klassischen Berechnung mit Trägerrosten auch Flächentragwerke und Faltwerke zum Einsatz. Die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen werden hinsichtlich der Schnittgrößen vergleichend betrachtet. Damit sollen Lösungsansätze zur Behandlung der Defizite insbesondere bei der Torsionstragfähigkeit der Fertigteilträger gefunden werden.
Bericht aus dem Jahrbuch 2014
Straßenbrücken am Limit
Bei diesem Projekt wird der Straßenbrückenbestand in Mecklenburg-Vorpommern anhand von knapp 30 ausgewählten, sehr unterschiedlichen Bauwerken untersucht.
Da bei einer Reihe von Spannbetonbrücken die Schubtragfähigkeit mit den ergänzenden Ansätzen zur Nachrechnungsrichtlinie (NRR, Stand 05/2011) nicht nachweisbar ist, werden wissenschaftliche Methoden auf der Basis aktuellster Forschungsergebnisse angewendet (Stufe 4 der NRR). Diese bilden einen Vorgriff auf eine zukünftige Ergänzung der Richtlinie. Für eines der Bauwerke sind weiterführende wissenschaftliche Betrachtungen erforderlich.
Für die im Bestand typischen Balkenreihentragwerke aus Fertigteilen sind gesonderte Betrachtungen zur Modellierung der Fugen erforderlich, da sich anderenfalls Defizite bei den Nachweisen der Querkraft- und Torsionstragfähigkeit insbesondere bei den im Grundriss schiefen Überbauten mit großen Spannweiten ohne Verbundplatte ergeben. Hierzu werden derzeit Lösungsansätze erarbeitet.
Stahlbetonbauwerke der 1960er Baujahre sind besonders wegen der geringeren Güte der Betonstahlbewehrung kritisch zu beurteilen. Die vorliegenden Ergebnisse aus Baustoffuntersuchungen helfen, aussagekräftige Angaben zur vorhandenen Bewehrung zu gewinnen. In der Vergangenheit wurde bei bestimmten Bauteilen auf die Anordnung von Bewehrung teilweise oder sogar ganz verzichtet. Diese historischen Konstruktionsprinzipien werden den heutigen Anforderungen kritisch gegenübergestellt.
Bei einem Stahl-Beton-Verbundüberbau über die A 19 wird zur Einstufung auf die am Bauwerk durchgeführten Messungen zurückgegriffen (Stufe 3 der NRR). Die Untersuchung im Rahmen einer Diplomarbeit zeigte jedoch eine Reihe weiterer Einflussfaktoren unbekannter Größe auf, sodass weitere Betrachtungen notwendig werden, die in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber weitergeführt werden. Die endgültige Entscheidung über die weitere Nutzung dieses Bauwerkes wird auf dieser Basis getroffen.
Schließlich wurden ausgehend von den Ergebnissen dieser Untersuchungen die Anforderungen an weitere Bauwerksprüfungen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Baulastträgers angepasst.
Bericht aus dem Jahrbuch 2013
Straßenbrücken unter der Lupe
Werden Bemessungsansätze für Brückenneubauten auf bestehende Konstruktionen angewendet, ergeben sich zweifellos Problemstellungen, die eine tiefergehende Untersuchung erforderlich machen. Dazu sind Sonderregelungen notwendig, die in Form einer neuen Richtlinie zur Nachrechnung bestehender Brücken durch den Bund bereitgestellt wurden. Im vorliegenden Projekt untersuchen wir den Bestand von Straßenbrücken in Mecklenburg-Vorpommern unter Anwendung dieser neuen sog. Nachrechnungsrichtlinie.
Die bei dem Projekt bisher gemachten Erfahrungen bestätigen die Wichtigkeit einer lückenlosen Bauwerksdokumentation als einen wesentlichen Baustein zur Beurteilung bestehender Infrastrukturbauwerke, die über eine reine Nachrechnung hinausgehen. Neben Standsicherheit und Dauerhaftigkeit steht dabei für die Verkehrsteilnehmer vor allem die Verkehrssicherheit im Mittelpunkt. Die gestiegenen Anforderungen spiegeln sich im erhöhten Bemessungsniveau wider, das rechnerisch für die Mehrzahl der bisher untersuchten Bauwerke nicht immer ohne weiteres verträglich ist. Hier arbeiten wir an Lösungskonzepten mit.
Für die Beurteilung bestehender Tragstrukturen sind neben statischen Untersuchungen auch Überprüfungen der Bauwerkssubstanz notwendig. Dabei spielen Aspekte der Systemmodellierung eine mindestens ebenso große Rolle wie die Berücksichtigung der Ergebnisse aus Baustoffuntersuchungen in den Berechnungen. Detailnachweise geben Auskunft über rechnerische Defizite und Reserven. Der Abgleich mit dem tatsächlichen Bauwerkszustand erlaubt die realistische Bewertung der rechnerischen Überschreitungen und ermöglicht damit für die Baulastträger, den vorhandenen Spielraum für eine weitere Nutzung besser abschätzen zu können. Bei manchen Brücken wurden zudem die rechnerischen Verkehrsbeanspruchungen aus Voruntersuchungen abgeleitet, die als ein wesentlicher Parameter in die statischen Nachrechnungen einfließen.
In Einzelfällen nahmen wir bei besonders kritischen Bauwerken an Brückenprüfungen teil, um objektbezogen besonders kritische Stellen genauer analysieren zu können. Dabei war es wiederholt notwendig, alternative Bemessungsansätze auf der Basis wissenschaftlicher Methoden anzuwenden und deren Ergebnisse auf Grundlage der deutschen Normung zu bewerten. Zudem bedingten die für die betrachtete Region typischen speziellen Konstruktionsformen Anpassungen der normativen Einzelnachweise im Detail. Grenzwertbetrachtungen helfen bei der Eingrenzung des Berechnungsaufwandes.
Bericht aus dem Jahrbuch 2012
Straßenbrücken neu bewertet
Brücken sind aus der Verkehrsinfrastruktur nicht wegzudenken. Wegen des steigenden Verkehrsaufkommens und der stetigen Zunahme der Verkehrslasten müssen die vorhandenen Brücken auf Basis des heutigen Stands der Technik neu bewertet werden. Uns obliegt im hier vorgestellten Projekt die wissenschaftlich-technische Betreuung der Nachrechnung von Brücken im Land Mecklenburg-Vorpommern auf Grundlage der Nachrechnungsrichtlinie des Bundes.
Nach Analyse des gesamten umfangreichen Brückenbestandes wurde dieser in einzelne Bauwerksgruppen hauptsächlich nach dem Hauptbaustoff und der Konstruktionsart des Überbaus eingeteilt. Je Gruppe wurden dann ein oder zwei repräsentative Bauwerke ausgewählt und zur Nachrechnung empfohlen. Zusätzlich zu diesen Brücken werden noch einige weitere, schon vorher durch Bund und Land festgelegte Bauwerke bei der Nachrechnung mit einbezogen.
Die statischen Nachrechnungen selbst werden von Ingenieurbüros aufgestellt. Neben der reinen Berechnung selbst zählt dazu u. a. auch eine Vor-Ort-Besichtigung des Bauwerks, damit – so nötig – der aktuelle Zustand der Brücke in der Berechnung berücksichtigt werden kann. Die fertigen Statiken werden dann an unserem Institut auf Vollständigkeit und auf Plausibilität geprüft. Außerdem ist es unsere Aufgabe, den Ingenieurbüros Hinweise zu geben, bei Fragen zu beraten oder bei kritischen Stellen alternative Lösungsmöglichkeiten oder Ansätze zu untersuchen und diese mit den Büros und dem Auftraggeber zu diskutieren.
Im Einzelfall ergab z. B. die Nachrechnung der Spannbetonhohlplatte des Überbaus einer Brücke, die im Jahre 1970 errichtet wurde, erhebliche rechnerische Defizite bei der Schubtragfähigkeit, ein Befund, der nicht untypisch für Massivbauwerke aus dieser Zeit ist. Da die rechnerische Überschreitung der zulässigen Werte nicht unerheblich ist, wurden in Abstimmung mit allen Beteiligten Sofortmaßnahmen – in diesem Fall Verkehrseinschränkungen – empfohlen, die Anfang 2013 umgesetzt wurden. In einem Vor-Ort-Termin wurde speziell der Überbau inspiziert und anschließend ein Beprobungskonzept entwickelt, damit bei einer erneuten Nachrechnung die genauen Materialkennwerte berücksichtigt werden können.
Anhand der exemplarischen Untersuchungen in den einzelnen Bauwerksgruppen sollen zum Abschluss des Projektes Rückschlüsse für den gesamten Bestand gezogen werden, auf deren Basis der Baulastträger Strategien für zukünftige Investitionen ableiten kann.