Curbach (1D)
Inhaltsverzeichnis
Projektinformationen
Querschnittsadaption für stabförmige Druckbauteile
Antragsteller | Applicant: Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach
Projektnummer | Project number: 198118038
TU Dresden, Institut für Massivbau, 01062 Dresden
+49 351 463 37660 | manfred.curbach@tu-dresden.de | https://tu-dresden.de/bu/bauingenieurwesen/imb
Berichts-/Förderzeitraum | Reporting/funding period: 01.07.2011−30.06.2020
Team | Team: Angela Schmidt (01.04.2013−28.02.2018), Regine Ortlepp (01.10.2012−30.04.2013), Katrin Schwiteilo (01.07.2011–31.10.2012), Iurii Vakaliuk (01.02.2018−Projektende | End of project), Marc Koschemann (01.02.2018−Projektende | End of project)
Kurzvorstellung Förderphase 1
Vertikale Druckglieder sind elementarer Bestandteil nahezu jeder Tragstruktur, denn in Form von Stützen und Wänden leiten sie alle Lasten aus der aufgehenden Baukonstruktion – also Eigengewicht der Bauteile, äußere Lasten z. B. aus Wind und Schnee, Lasten aus Ausbau und Nutzung des Gebäudes – konzentriert nach unten in den Baugrund ab. In den meisten Fällen besitzen Stützen heute einen konstanten, eckigen oder kreisförmigen Querschnitt. In Abhängigkeit vom Schnittkraftverlauf über die Stablänge ergeben sich durch diese Formen stark und geringer ausgelastete Bereiche. Der Antragsteller möchte in diesem Forschungsprojekt nachweisen, dass durch kraftflussgerechte Formgebung materialeffizienter gebaut werden kann, denn auch natürliche stabförmige Tragelemente wie Gräser oder Knochen besitzen trotz ihrer Leichtigkeit eine sehr hohe Stabilität. Dieses Ziel soll durch die Kombination von experimentellen Untersuchungen und ingenieurmäßiger Modellbildung erreicht werden.
In einem ersten Schritt wurde die Spannungsverteilung im Übergangsbereich von der Stütze zur Decke betrachtet. In diesen – üblicherweise rechtwinklig ausgeführten Anschlussbereichen – treten große Spannungskonzentrationen auf, die zu einem vorzeitigen Materialversagen führen können, bevor die maximal aufnehmbare Spannung im eigentlichen Stützenquerschnitt erreicht wird. Im Rahmen einer FEM-Studie mit dem Programm ATENA wurde für eine unbewehrte Hochbaustütze mit üblichen Abmessungen die Spannungsverteilung bei verschiedenen Voutenformen analysiert. Die Unterseite des Deckenabschnitts am Stützenfuß wurde dabei als starr eingespannt angenommen, während auf den Deckenabschnitt am Stützenkopf das Aufbringen einer horizontalen Verschiebung und einer vertikalen Last erfolgte. Bereits durch eine einfache dreieckförmige Abkantung konnte eine deutliche Reduzierung der Spannungsspitzen erreicht werden. Die Methode der Zugdreiecke (nach [Mattheck]) erwies sich als wirksamste Geometrie für die Vouten, durch welche die Spannungen um bis zu 52 % verringert werden konnten.
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[Mattheck]: Matthek, C.: Design in Nature. Berlin: Springer, 1998
Aufbauend auf diesen örtlichen Formveränderungen im Lasteinleitungsbereich wurden umfassende theoretische Betrachtungen zur Stabilitätsoptimierung von zentrisch belasteten Stützen vorgenommen. Dabei wurde herausgefunden, dass der Knickwiderstand sowohl von der Formgebung in Längsrichtung als auch von der gewählten Querschnittsform abhängt. Für die Querschnittsform hat sich gezeigt, dass ein gleichseitiges Dreieck eine günstigere Form darstellt als das typische Vollkreisprofil und dass sich mit Hohl- und Konkavquerschnitten weitere Verbesserungen erzielen lassen.
Für die Fomvariation in Längsrichtung wurden die bereits in der Literatur gefundenen Berechnungen und Lösungsansätze analysiert und mit dem Näherungsverfahren von Ritz-Timoshenko überprüft. Es hat sich herausgestellt, dass die optimalen Formgebungen entsprechend der Knicklinien der Lagerungsbedingungen entwickelt werden können.
Für die ermittelten stabilitätsoptimierten Formgebungen wurde entsprechend der Belastung und des Materials ein Mindestquerschnitt eingeführt, der die Spannungsübertragung in allen Bereichen sicherstellt. In Abhängigkeit der Größe des notwendigen Mindestquerschnitts kann die Steigerung der Knicklast durch eine Formvariation in Längsrichtung bis zu 33 % betragen. Durch die Kombination mit einer anderen Querschnittsart kann die Knicklast weiter gesteigert werden. Erste Berechnungen erfolgten zu dem Einfluss einer ungewollten Exzentrizität.
Aus ästhetischen Gesichtspunkten wurde eine weitere Formgebung für den beidseitig eingespannten Lagerungsfall untersucht, durch die eine Modifizierung des Knicklinienverlaufs vorgenommen wird. Beispielhafte Berechnungen für hohe Stützen eines existierenden Gebäudes haben ergeben, dass auch mit dieser Formgebung ggf. Knicklaststeigerungen erzielt werden können, wenn der Querschnitt nicht als Vollprofil ausgeführt wird, sondern am Stützenkopf und -fuß eine Aufgliederung erhält. Dem möglicherweise eintretenden Einzelstabversagen, welches mit dieser Aufgliederung einhergeht, kann durch die Einführung von Druck- und Zugringen entgegengewirkt werden.
Aufbauend auf den theoretischen Untersuchungen wurden verschiedene Reihen von Stützenversuchen durchgeführt. An sehr schlanken (λ ≈ 130), zentrisch gedrückten Stützen konnte so der Einfluss der Querschnittsform – beispielhaft für den Vergleich des dreieckigen zum quadratischen Grundriss – nachgewiesen werden. Hierfür wurden pro Querschnittsart vier gelenkig gelagerte, 3,50 m lange unbewehrte UHPC-Stützen geprüft. Anhand dieser Versuchsreihen konnte zudem gezeigt werden, dass für schlanke UHPC-Stützen, die allseits bekannte Knickgleichung nach Euler mit ausreichender Genauigkeit zutreffend ist (maximale Abweichung 12 %).
Des Weiteren wurden für sechs verschiedene Schlankheitsgrade (λ < 50) je drei quadratische und drei dreieckige Stützen zentrisch in einer Prüfmaschine getestet, um die Abhängigkeit der Versagenslast von der Querschnittsformgebung und vom Schlankheitsgrad zu ermitteln. Auffällig ist vor allem, dass die Versagenslasten der gedrungenen UHPC-Stützen deutlich größere Streuungen aufweisen, als die der schlanken Stützen. Entgegen der Erwartungen unterscheiden sich außerdem die Tendenzen der Mittelwerte der beiden Querschnittsarten über den Schlankheitsgrad. Die Versuchswerte der quadratischen Stützen konnten jedoch näherungsweise mit Werten aus der Literatur bestätigt werden, sodass offenbar die dreieckigen gedrungenen Stützen anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen als die quadratischen Stützen.
Abschließend wurden Versuche zum Knickverhalten von eingespannten rechteckigen Stützen durchgeführt. Aufbauend auf den Ergebnissen sind Versuche in Vorbereitung, bei denen die Stützen entsprechend des Einspanngrades in Längsrichtung formoptimiert ausgeführt werden. Dies ist u. a. Thema in Förderphase 2.
Kurzvorstellung Förderphase 2
Aufbauend auf der 1. Förderperiode – in der überwiegend Forschung zur Formoptimierung von zentrisch belasteten Stützen vorgenommen wurde – liegt in der 2. Förderperiode der Schwerpunkt auf repräsentative, vom zentrischen Druck abweichende Belastungsfälle typischer Hochbaustützen. Ziel ist es, für diese Belastungsfälle mit analytischen und numerischen Verfahren kraftflussgerechte Formen zu finden, durch welche ein materialeffizienteres Bauen möglich wird. Die theoretischen Ergebnisse sollen über experimentelle Untersuchungen verifiziert werden. Ein besonderes Augenmerk wird auf den Anschlussbereich der Stütze an die Decke gelegt. Für diesen Bereich soll insbesondere untersucht werden, inwieweit eine Modifizierung des Stützenkopfes zur Materialeinsparung – z. B. durch planmäßig eingeführte Hohlstellen oder eine gänzliche Querschnitts-Aufgliederung in mehrere Einzelstäbe – das Durchstanzverhalten beeinträchtigt. Für die Zusammenführung der beiden Bauteile Stütze und Decke zu einem einheitlichen Gesamttragwerk ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt Curbach 2D Leichte Deckentragwerke aus geschichteten Hochleistungsbetonen vorgesehen.
Entsprechend den Darlegungen der Förderphase I wurden zu Beginn der 2. Förderperiode schlanke Stützen getestet, die in Längsrichtung formoptimiert ausgeführt wurden. Zunächst wurde dafür die optimale Stützengeometrie beschrieben, wenn die Lagerungsbedingungen von den idealisierten abweichen. Bei einer beidseitig elastischen Einspannung, die in der Realität zumeist vorliegt, verschieben sich die Einschnürungspunkte der optimierten Geometrie aus der Viertelpunktlage zu den Stützenenden. Mit diesem Ansatz der Stützenform und den vorab durchgeführten Referenzversuchen, die zur Ermittlung des vorhandenen Einspanngrades dienten, konnte die optimale Stützengeometrie gewonnen werden. Für die Versuche wurde dann die Knickrichtung vorgegeben (durch einen rechteckigen Grundriss), sodass die Optimierung nur in eine Richtung erfolgen brauchte. Die Vorgabe der Knickrichtung vereinfacht nicht nur die Herstellungsbedingungen sondern auch die Versuchsdurchführung und Beobachtung des Versagensvorganges. Die offene Schalung wurde aus einem Kunststoffblock computergesteuert gefräst.
Insgesamt wurden drei formgleiche Stützen hergestellt und getestet. Deren Versagenslasten waren alle nahezu gleich groß und fielen somit im Vergleich zu den volumengleichen Referenzstützen um 24 % höher aus. Diese Steigerung konnte mit dem gewählten Mindestquerschnitt über verschiedene Berechnungsmethoden vorab bestätigt werden. Die Verifizierung der theoretischen Grundlagen zur Formoptimierung von Knickstützen ist damit erbracht.
Die Auswahl repräsentativer vom zentrischen Druck abweichender Belastungsfälle für Hochbaustützen erfolgte mithilfe einer Variantenstudie. Als Randbedingungen wurden eine ausreichende Gebäudeaussteifung (ohne das Heranziehen der Stützen) und eine monolithische Ausführung der Knotenpunkte gewählt (ein gelenkiger Anschluss würde auf den Lastfall des zentrischen Drucks zurückführen). Unter Variation sämtlicher geometrischer Größen sowie unter Beachtung verschiedener Lastfälle und möglicher Tragsysteme konnte in der Studie ermittelt werden, dass sich in allen Randstützen stets ein ähnlicher Verlauf der Momentenbeanspruchung einstellt (Nulldurchgang ca. im mittleren Drittel der Stützenhöhe). Das Verhältnis zwischen Normalkraft und Moment hängt dabei sowohl von dem jeweiligen Gebäude als auch von der entsprechenden Etage ab. So wird in der untersten Etage eines mehrgeschossigen Gebäudes das Moment häufig durch eine hohe wirkende Normalkraft völlig überdrückt. Theoretisch wäre in solch einem Fall der Einsatz von Bewehrung nicht erforderlich. Zur Aufnahme der großen Druckspannungen empfiehlt sich stattdessen der Einsatz (ultra-)hochfesten Betons. Im Gegensatz dazu stehen die geringen vertikalen Auflasten in den obersten Etagen, die das Auftreten großer Zugspannungen infolge vorwiegender Biegung bewirken und somit den Einsatz (hoher) Bewehrungsmengen erfordern. Eine geringe oder normalfeste Betongüte wäre hier ausreichend. Beispielhaft wurden die Stützen für drei unterschiedliche Verhältnisse von Momenten- und Normalkraftbeanspruchung form- und materialoptimiert. Derzeit erfolgt die experimentelle Umsetzung.
Publikationen
- Schwiteilo, K.: Concrete columns formed by nature. In: Müller, H. S.; Haist, M.; Acosta, F. (Hrsg.): Proc. of the 9th fib Int. PhD Symp. in Civil Engineering, 22.−25.07.2012 am KIT Karlsruhe, Karlsruhe: KIT Scientific Publ., 2012, S. 303–308
- Schmidt, A.; Curbach, M.: Historische Betrachtungen zur Formoptimierung von Stützen. In: Krawtschuk, A.; Zimmermann, T.; Strauss, A. (Hrsg.): Werkstoffe und Konstruktionen − Innovative Ansätze 2013 – Festschrift zu Ehren von o.Univ.-Prof. DI Dr.techn. Dr.phil. Dr.-Ing.e.h. Konrad Bergmeister, MSc., Berlin: Ernst & Sohn, 2013, S. 19–26
- Schmidt, A.; Curbach, M.; Henke, M.; Fischer, O.: Formvariationen von Druckgliedern. Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013) 11, S. 792–803 – DOI: 10.1002/best.201300053
- Schmidt, A.; Curbach, M.: Querschnittsadaption stabförmiger Druckbauteile. In: Scheerer, S.; Curbach, M. (Hrsg.): Leicht Bauen mit Beton – Forschung im SPP 1542, Förderphase 1, Dresden: Institut für Massivbau der TU Dresden, 2014, S. 26–35 – http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-171350
- Schmidt, A.; Curbach, M.: Buckling failure of columns – with form variations to higher load capacities. In: KIVI (Hrsg.): Future Visions – Proc. of the Int. Association for Shell and Spatial Structures (IASS) Symp. 2015, 17.–20.08.2015 in Amsterdam (Niederlande), 2015, Beitrag Nr. IASS2015-501715, publ. auf USB-Stick, 12 S.
- Schmidt, A.; Curbach, M.: Zentrische Druckversuche an schlanken UHPC-Stützen. Beton- und Stahlbeton 111 (2016) 9, S. 588–602 – DOI: 10.1002/best.201600027
- Schmidt, A.; Curbach, M.: Architectural columns as a result of shape optimization. In: Bögle, A.; Grohmann, M. (Hrsg.): Interfaces: architecture.engineering.science – Proc. of the IASS Annual Symp. 2017, 25.–28.09.2017 in Hamburg, Hamburg: HCU und IASS, 2017, Beitrag Nr. 9253, Book of Abstracts: S. 152, Langfassung auf USB-Stick, 8 S.
- Schmidt, A.; Curbach, M.: Design optimization to increase the (buckling) stability of concrete columns. Structural Concrete 18 (2017) 5, S. 680–692 – DOI: 10.1002/suco.201600183
- Schmidt, A.: Formoptimierung schlanker Betondruckglieder. Dissertation, 2022
- Schlussbericht