Kroll/Gelbrich (1)
Inhaltsverzeichnis
Projektinformationen
Flexible mehrschichtige GFK-Schalungen zur Herstellung von doppelt gekrümmten Beton-Leichtbauelementen mit stabilisierten Abstandsgewirken
Antragsteller 1 | Applicant 1: Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. h. c. Dr. h. c. Prof. Lothar Kroll
+49 371 531 23120 | slk@mb.tu-chemnitz.de
Antragstellerin 2 | Applicant 2: Prof. Dr.-Ing. habil. Sandra Gelbrich
+49 371 531 32192 | sandra.gelbrich@mb.chemnitz.de
TU Chemnitz, Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung, 09107 Chemnitz
www.leichtbau.tu-chemnitz.de
Projektnummer | Project number: 198290162
Berichts-/Förderzeitraum | Reporting/funding period: 01.10.2011–30.09.2014
Team | Team: Henrik L. Funke, Andreas Ehrlich, Carolin Petzoldt (01.02.2013–30.09.2014), Lars Ulke-Winter
Kurzfassung
Die moderne Architektur wird in den letzten Jahren zunehmend von dem Trend bestimmt, Gebäude organisch mit doppelt gekrümmten Oberflächen zu gestalten. Die praktische Umsetzung derartiger Architekturideen ist mit den nach dem Stand der Technik verfügbaren Werkstoffen und Technologien sehr material- und kostenintensiv und stößt oft an ihre finanziellen Grenzen. Zur kosteneffizienten Herstellung doppelt gekrümmter Freiformschalen mit großen Abmessungen können als neuer technologischer Lösungsansatz flexibel formbare mehrschichtige Schalungselemente aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) mit Endlosfaserverstärkung eingesetzt werden, die unter Ausnutzung des anisotropen Strukturverhaltens eine gezielte Einstellung von Krümmungszuständen gestatten. Bei der Abformung der Beton-Leichtbauelemente auf derartigen wiederverwendbaren GFK-Schalungen sollen biegeweiche Abstandsgewirke Anwendung finden, die mittels Polymerimprägnierung stabilisiert werden und nach dem Betonauftrag die innenliegende Bewehrung bilden. Die flexible GFK-Schalungsbauweise erlaubt zum einen die ortsunabhängige Umsetzung beliebiger Freiformflächen gemäß dem Prinzip form follows force und führt zum anderen aufgrund der angepassten Textilverstärkung auf dünnwandige und damit extrem leichte Beton-Schalentragwerke.
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Innerhalb der ersten Förderperiode des Schwerpunktprogrammes wurde als ein neuer konstruktiv-technologischer Lösungsansatz ein flexibel formbares, mehrschichtiges Schalungssystem aus glasfaserverstärktem Kunststoff zur Fertigung von gekrümmten Freiformschalen mit Endlosfaserverstärkung erarbeitet. Diese mehrschichtigen GFK-Schalungselemente gestatten unter Ausnutzung des anisotropiebedingten Strukturverhaltens (vgl. folgende Abbildung) eine gezielte Einstellung von definierten Krümmungszuständen, welche infolge Biegung oder Torsion der Laminate entstehen.
Dazu wurden die Werkstoffkennwerte in Abhängigkeit der Faserorientierung und dem Schichtaufbau von asymmetrischen GFK-Schalungskomponenten ermittelt sowie analytische und numerische Berechnungen durchgeführt. In der folgenden Abbildung ist der Modellaufbau der asymmetrischen GFK-Platten für die Berechnungen der Krümmungszustände schematisch dargestellt.
Die theoretischen Hauptkrümmungen für zwei exemplarische Belastungsfälle sind in Abhängigkeit des 0°-Schichtenanteils in nachfolgender Abbildung dargestellt. Die höchste Anisotropie war bei einem relativen 0°-Anteil von ca. 50 Prozent vorhanden, wodurch sich um beide Achsen die größte Krümmung einstellte. Eine weitere Erhöhung des 0°-Faseranteils bewirkte eine Abnahme der Krümmung, da sich die Anisotropie des GFK-Schichtverbundes verringerte. Mit der Zugbelastung, durch externe Vorspannkräfte zeigte sich eine Zunahme der Krümmungen um die 2-Achse, wobei gleichzeitig die Krümmungen um die 1-Achse aufgrund der Zugkraftbeanspruchung in diese Achse einer Reduzierung unterlagen.
Zur experimentellen Verifikation der vorausberechneten anisotropen Koppeleffekte wurden ausgewählte GFK-Schalungssegmente hergestellt und auf dem institutseigenen Strukturprüfstand mit der ABD-Einspannvorrichtung getestet sowie durch die optischen Formänderungsanalysensysteme ARGUS und ARAMIS der Firma GOM analysiert.
Die Entwicklung dieser ABD-Einspannmatrix bestehend aus einer hydraulisch gesteuerten Krafteinleitung, einer winkelabhängigen Kraftübertragung auf Schlitten mittels Koppelstangen und einer Krafteinleitung auf die flexiblen GFK-Schalungen durch Edelstahlseile war ein Schwerpunkt in der ersten Förderphase.
In der nachfolgenden Abbildung sind die theoretischen und experimentell verifizierten Hauptkrümmungen des asymmetrischen Schichtaufbaus (90n/0m) in Abhängigkeit von dem 0°-Schichtenanteil bei reiner Temperaturbelastung (ΔT = -100 K) dargestellt. Die experimentell bestimmten Hauptkrümmungen um die 1-Achse stimmten qualitativ und annähernd auch quantitativ mit den berechneten Hauptkrümmungen überein. Die geringen quantitativen Differenzen zwischen den berechneten und experimentell verifizierten Hauptkrümmungen um die 1-Achse waren bedingt durch chemisch-physikalischen Reaktionen der duroplastischen Matrice, welche bei den Berechnungen aufgrund der Komplexität nur unzureichend mit einbezogen werden konnten. Demgegenüber zeigten die berechneten und die experimentell verifizierten Hauptkrümmungen um die 2-Achse erhebliche Unterschiede auf. Aufgrund des hier vorliegenden Stabilitätsproblems (Verzweigungsproblems) setzt sich in der Realität nur eine der Hauptkrümmungen, in diesem Fall die Krümmung um die 1-Achse, durch.
Die Ergebnisse dienten im Weiteren der Ermittlung von funktionalen Zusammenhängen zwischen Krümmungen sowie Prozess- und Geometrieparametern. Hierauf aufbauend erfolgte die Analyse und Identifikation von einfach und doppelt gekrümmten Grundformen, durch deren Kombination eine größtmögliche Variantenanzahl für definierte Freiformflächen vorliegt.
Für die Herstellung der textilverstärkten Betonelementen wurden biegeweiche textile 3D-Gewirke verwendet, die auf den Schalungselementen abgelegt wurden, um so deren Krümmung formgenau abzubilden. Dazu ist im Rahmen der ersten Forschungsperiode durch textiltechnische und -technologische Einflussnahme die Anpassung der mechanischen Eigenschaften auf die Formvielfalt und Drapierung vorgenommen worden, wodurch eine exakte Konturanpassung vorlag. Durch die vorgeschaltete Imprägnierung mit einem Aushärtesystem auf polymerer Basis erfolgte die Stabilisierung der räumlichen Textilbewehrung für den anschließenden Auftrag der Frischbetonschicht.
Bei weiterführenden Fertigungsstudien wurde das Ziel verfolgt, eine zusätzliche Stabilisierung mit einem kaltaushärtenden Harzsystem durch gezielte Ausnutzung der Kapillarwirkung der Abstandsfäden zu erreichen. Allerdings konnte aufgrund der unzureichenden Kapillarwirkung der Abstandsfäden keine Steifigkeitssteigerung der 3D-Gewirke nachgewiesen werden.
In umfassenden Untersuchungen zum Systemaufbau, den entwickelten GFK-Schalungen und Beton-Leichtbauelementen mit integrierten stabilisierten Abstandsgewirken wurden repräsentative, doppelt gekrümmte Freiformflächen mit verschiedenen Krümmungsradien entworfen, numerisch berechnet, hergestellt sowie die Konturengenauigkeit und die belastungsgerechte Integration der Gewirke validiert. Die Einstellung der Krümmungen erfolgte über das neuartige flexible GFK-Schalungselement. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei den Fertigungsstudien umfasste die Herstellung der flexiblen Schalung mit Referenz- oder Vorspannkrümmung. Im Anschluss an die Schalungsherstellung wurde die Integration, Fixierung und Stabilisierung des Abstandsgewirkes vorgenommen. Nach der Positionierung und Stabilisierung der textilen 3D-Verstärkungsstruktur erfolgt das Auftragen der Betonschicht, wobei auf angepasste Betonrezepturen zurückgegriffen wurde. Von besonderer Bedeutung waren dabei die Sicherstellung der gleichmäßigen Betonschichtdicke und Oberflächenqualität und der ausreichenden Stabilität der GFK-Schalung sowie die Vermeidung von kritischen Rissen, sowohl im Beton als auch im Schalungssystem, bei guten Ausschalungseigenschaften.
Die durchgeführten numerischen, technologischen und experimentellen Untersuchungen zeigen, dass die Kombination von Beton und stabilisierten Abstandsgewirken die Umsetzung einfach und doppelt gekrümmter, mehrachsig beanspruchter Flächentragwerke bei einem hohen Leichtbaugrad gestattet.
Die Einstellung der anisotropiebedingten Koppeleffekte wurden analytisch mit Hilfe der Klassischen Laminattheorie (CLT) sowie numerisch mittels der Finite-Elemente-Methode vorausberechnet, wobei eine gute Übereinstimmung der jeweiligen Ergebnisse für die repräsentativen Flächentragwerke nachgewiesen werden konnte. Durch Versuche an den eigens hergestellten textilverstärkten Beton-Leichtbauelementen ist eine experimentelle Verifikation dieser intrinsischen Koppelphänomene vorgenommen worden.
Folglich erlaubt die flexible GFK-Schalungsbauweise zum einen die ortsunabhängige Umsetzung von Freiformflächen gemäß dem Prinzip form follows force und führt zum anderen aufgrund der angepassten Textilverstärkung auf dünnwandige und damit extrem leichte Beton-Schalentragwerke.
Publikationen
- Funke, H.; Gelbrich, S.; Kroll, L.: A New Hybrid Material of Textile Reinforced Concrete and Glass Fibre Reinforced Plastic. Journal of Materials Science Research 2 (2013) 3, S. 96−102
- Gelbrich, S.; Funke, H.; Ehrlich, A.; Petzoldt, C.; Kroll, L.: Flexible GFK-Schalen zur Herstellung von gekrümmten Textilbeton-Leichtbauelementen. TUDALIT-Magazin (2013) 9, S. 10 – Tagungsband zur 5. Anwendertagung Textilbeton am 24./25.09.2013 in Friedrichshafen
- Funke, H.; Gelbrich, S.; Ehrlich, A.: Development of a new hybrid material of textile reinforced concrete and glass fibre reinforced plastic. In: Hufenbach, W. A.; Gude, M. (Hrsg.): Procedia Materials Science 2 (2013), S. 103−110 – Proc. of Materials Science Engineering, Symp. B6 − Hybrid Structures, 25.–27.09.2013 in Darmstadt – DOI: https://doi.org/10.1016/j.mspro.2013.02.013
- Funke, H.; Gelbrich, S.; Ehrlich, A.: Formation of a new hybrid material of textile reinforced concrete and glass fibre reinforced plastic. In: Proc. of the 4th Int. fib Congress 2014, 10.−14.02.2014 in Mumbai (Indien), Hyderabad: Universities Press (India) Priv. Ltd., 2014, Book of Abstracts: S. 752–755, Langfassung publ. auf CD, 8 S.
- Gelbrich, S.; Ehrlich, A.; Petzoldt, C.; Kroll, L.: Flexible fibre reinforced plastic-formworks for the production of curved textile reinforced concrete. In: El-Hacha, R. (Hrsg.): Proc. of 7th Int. Conf. on FRP Composites in Civil Engineering, 20.−22.08.2014 in Vancouver (Kanada), 2014, Book of Abstracts: S. 101, Langfassung publ. auf USB-Stick, 6 S.
- Kroll, L.; Gelbrich, S.; Funke, H.; Ehrlich, A.; Ulke-Winter, L.; Petzoldt, C.: Flexible GFK-Schalungen zur Herstellung von doppelt gekrümmten Beton-Leichtbauelementen mit stabilisierten Abstandsgewirken. In: Scheerer, S.; Curbach, M. (Hrsg.): Leicht Bauen mit Beton – Forschung im Schwerpunktprogramm 1542, Förderphase 1, Dresden: Institut für Massivbau der TU Dresden, 2014, S. 198–207 – http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-171509
- Kaufmann, J.: Beitrag zu anisotropiebedingten Koppeleffekten bei rotationssymmetrischen mehrschichtigen Faserverbundbauteilen. Dissertation, 2014
- Funke, H.; Gelbrich, S.; Ehrlich, A.; Ulke-Winter, L.; Kroll, L.: Anisotropic fibre-reinforced plastics as formworks for single and double-curved textile reinforced concrete. Journal of Materials Science Research 4 (2015) 1, S. 36–45 – DOI: 10.5539/jmsr.v4n1p36
- Funke, H.; Gelbrich, S.; Ulke-Winter, L.; Kroll, L.; Petzoldt, C.: An application of asymmetrical glass fibre-reinforced plastics for the manufacture of curved fibre reinforced concrete. International Journal of Engineering Sciences & Research Technology 4 (2015) 1, S. 732–740
- Gelbrich, S.; Funke, H.; Ehrlich, A.; Petzoldt, C.: Integration von freigeformten textilen Bewehrungen zur Herstellung dünnwandiger Betonschalen. In: Ludwig, H.-M.; Fischer, H.-B. (Hrsg.): Tagungsband zur 19. Ibausil, 16.–18.09.2015 in Weimar, Weimar, 2015, Bd. 1, S. 1295–1300
- Qualifikation wissenschaftlichen Nachwuchses im Rahmen des Projektes | Qualification of young academics within the framework of the project
- Schlussbericht: https://doi.org/10.25368/2022.338