Schnellenbach-Held
Inhaltsverzeichnis
Projektinformationen
Leichte Platten aus Beton mit biaxialem Lastabtrag als bionische Strukturen
Antragstellerin | Applicant: Prof. Dr.-Ing. Martina Schnellenbach-Held
Projektnummer | Project number: 198421558
Universität Duisburg-Essen, Institut für Massivbau, Universitätsstr. 15, 45141 Essen
+49 201 183 2767 | m.schnellenbach-held@uni-due.de | massivbau@uni-due.de
Berichts-/Förderzeitraum | Reporting/funding period: 01.10.2011–30.09.2015
Team | Team: Jan-Eric Habersaat
Kurzfassung Föderphase 1
Die Ansprüche an die Gestaltung eines Bauwerks im Bezug auf das Erscheinungsbild und die Wirkung in der Umgebung spielen eine immer wichtigere Rolle im Entwurfsprozess. Hierbei hat sich eine Entwicklung hin zu leichten, filigranen und tragfähigen Bauwerken herausgebildet. Der Verbundwerkstoff Stahlbeton besitzt alle Voraussetzungen, um Tragwerke und Bauteile innovativ, naturinspiriert und leicht zu gestalten. Die Natur bietet hierfür ein großes Reservoir an Möglichkeiten zur Adaption, die analysiert und für die Problemstellungen des Massivbaus ausgearbeitet werden können.
Die Adaption von Erkenntnissen aus der Natur setzt das Verständnis dieser Strukturen voraus, jedoch soll keine komplette Kopie der Natur auf die Technik entstehen. Die technischen Randbedingungen und Ansprüche sind zu erkennen und zu bewerten. Bionik bedeutet, dass eine direkte Analogie zur Funktionalität der natürlichen Struktur vorhanden ist.
Das Forschungsvorhaben gliedert sich in mehrere Forschungsphasen zur Entwicklung unterschiedlicher bionischer Strukturen für den Einsatz in Stahlbetonplatten. Es wird bei allen entwickelten Strukturen das Ziel verfolgt, den innovativen Leichtbau mit Beton materialsparend, tragfähig und filigran zu gestalten. Die Entwicklung der unterschiedlichen Strukturen im Rahmen der jeweiligen Arbeitsphasen basiert auf den Arbeitsschritten Formfindung unter Einsatz von Optimierungsmethoden, Finite-Element-Berechnungen, experimentelle Untersuchungen sowie einer geeigneten Materialadaption.
______________________________
Ziel des beantragten Forschungsvorhabens ist die Entwicklung einer leichten tragfähigen Plattenstruktur mit biaxialem Lastabtrag und naturinspiriertem Kraftfluss. Die Arbeit umfasst die Adaption von natürlichen Strukturen für den Betonbau mit der Maßgabe, hochfestes Material an hoch belasteten Stellen und leichtes Material an weniger belasteten Stellen bei gleichzeitiger Formoptimierung einzusetzen. Durch den Einsatz Evolutionärer Algorithmen und unter Berücksichtigung der biologischen Wachstumsregel sollen die adaptierten Strukturen optimiert werden. Das Tragverhalten der Plattensysteme soll durch den Einsatz bionischer Strukturen verbessert werden, d. h., die Kräfte in dem Bauteil so zu leiten, dass eine größere Traglast möglich ist bzw. dass die Plattensysteme dünner und damit leichter ausgebildet werden können und dabei trotzdem ausreichend tragfähig bleiben. Durch die Anwendung bionischer Strukturen sollen die Eigenschaften verschiedener Materialien und deren Verbund sowie die Prinzipien des natürlichen Kraftflusses genutzt werden, um langlebiger, nachhaltiger und tragfähiger zu bauen. Es werden drei Grundstrukturen nach natürlichen Vorbildern für die Plattensysteme adaptiert: Spinnennetzartige Bewehrungsanordnungen, Querschnittsgestaltung (z. B.: Rippen) sowie Hohlkörper. Physikalisch nichtlineare Finite-Elemente-Analysen werden durchgeführt, um die nachfolgend ausgeführten Versuche an den Plattenstrukturen zu verifizieren.
Spinnennetzbewehrung. Für die Entwicklung einer verbesserten Bewehrungsanordnung wird ein Algorithmus auf der Basis der biologischen Evolution eingesetzt. Evolutionäre Algorithmen bilden den biologischen Evolutionsprozess in einem Computersystem nach. Als Grundgeometrie für die Entwicklung einer hinsichtlich des Tragverhaltens verbesserten Bewehrungsanordnung dient der Aufbau eines Spinnennetzes.
Die Versuchsreihe zeigte, dass bevor der Bauteil versagt durch die neuartige Bewehrungsführung eine hohe Duktilität im plastischen Bereich eintritt. Über etwa 90 % der Belastungszeit verbessert sich das Last-Verformungsverhalten der Platte. Die Versuchsplatten weisen eine sehr feine und gut-verteilte Rissbildung auf. Die Aufzeichnungen der Stahlspannungen zeigen, dass sich die Spannungsverteilung im Bauteil von konventionell bewehrten Platten unterscheiden. Es liegt eine hauptspannungsorientierte Bewehrungsanordnung vor.
Rippenstruktur. Inspiriert durch natürliche Konstruktionen wie beispielsweise das Seerosenblatt, werden in dieser Arbeitsphase Formen adaptiert, um ansprechende und gleichzeitig sehr tragfähige Strukturen für den Betonbau zu entwickeln.
Die physikalisch nichtlinearen Berechnungen zeigen, dass sich mit innovativen Rippenstrukturen filigrane Leichtbaustrukturen mit erhöhter Tragfähigkeit konstruieren lassen. Diese Strukturen erhalten bei vergleichbarem Materialeinsatz geringere Verformungen (bei identischer Belastung) gegenüber Referenzvollplatten und -rippenplatten. Durch die naturinspirierten Formen an der Plattenunterseite wirken die filigranen Platten sehr ansprechend auf ihre Umgebung.
Hohlkörperdecken. Zur Verbesserung der Tragfähigkeit bei geringstmöglichem Materialeinsatz werden mittels Topologieoptimierungsprozessen Form und Anordnung von Hohlkörpern weiterentwickelt.
Die bisherigen Ergebnisse sowie die laufende FE-Vergleichsstudie zeigen, dass eine Hohlkörperanordnung das Tragverhalten bei einem effizienteren Materialeinsatz verbessern kann. Vor allem in Plattenmitte können beispielsweise größere elliptische Strukturen eingesetzt werden, um das Eigengewicht zu verringern. Im Auflagerbereich bieten vor allem kleinere, schmale und eiförmige Hohlkörper eine geeignete Form, damit das Querkrafttragverhalten weniger als durch herkömmliche Hohlkörperformen geschwächt wird.
Kurzfassung Föderphase 2
Natürliche Strukturen als Motivation für den Betonbau. Die Ansprüche an die Gestaltung eines Bauwerks in Bezug auf das Erscheinungsbild und die Wirkung in der Umgebung spielen eine immer wichtigere Rolle im Entwurfsprozess. Hierbei geht die Entwicklung hin zu leichten, filigranen und tragfähigen Bauwerken. Der Verbundwerkstoff Stahlbeton besitzt alle Voraussetzungen, um Tragwerke und Bauteile innovativ, naturinspiriert und leicht zu gestalten. Die Natur bietet hierfür ein großes Reservoir an Möglichkeiten zur Adaption, die analysiert und für die Problemstellungen des Massivbaus ausgearbeitet werden können.
Die Adaption von Erkenntnissen aus der Natur setzt das Verständnis dieser Strukturen voraus, jedoch soll keine komplette Kopie der Natur auf die Technik entstehen. Die technischen Randbedingungen und Ansprüche sind zu erkennen und zu bewerten. Bionik bedeutet, dass eine direkte Analogie zur Funktionalität der natürlichen Struktur vorhanden ist.
In diesem Forschungsvorhaben wird das Ziel verfolgt, den innovativen Leichtbau mit Beton materialsparend, tragfähig und filigran zu gestalten. Die Entwicklung der unterschiedlichen Strukturen im Rahmen der ersten Forschungsphase basierte auf den Arbeitsschritten Formfindung unter Einsatz von Optimierungsmethoden, Finite-Elemente-Berechnungen sowie ‘experimentelle Untersuchungen.
______________________________
Finalisierung des Projektes. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung einer leichten tragfähigen Plattenstruktur mit biaxialem Lastabtrag und naturinspiriertem Kraftfluss. Durch den Einsatz Evolutionärer Algorithmen und unter Berücksichtigung der biologischen Wachstumsregel werden adaptierte Strukturen optimiert. Das Tragverhalten der Plattensysteme soll durch den Einsatz bionischer Strukturen hinsichtlich der Tragfähigkeit und des Materialeinsatzes verbessert werden. Durch die Anwendung bionischer Strukturen sollen die Vorteile eines natürlichen Kraftflusses genutzt werden, um langlebiger, nachhaltiger und tragfähiger zu bauen. Es wurden drei Grundstrukturen nach natürlichen Vorbildern entwickelt, die in der zweiten Forschungsphase weiter untersucht und mit Detailoptimierungen final ausgearbeitet werden. Bei den Strukturen handelt es sich um eine spinnennetzartige Bewehrungsanordnung, Querschnittsgestaltung (z. B.: Rippen) sowie Hohlkörper. Die Simulation und Optimierung dieser Strukturen wird unter Einsatz physikalisch nichtlinearer Finite-Elemente-Analysen wirklichkeitsnah durchgeführt.
Zusammenfassung. Die Natur bietet für viele Problemstellungen des Massivbaus Lösungs- bzw. Optimierungspotentiale. Durch die Entwicklung und den Einsatz bionischer Strukturen lässt sich das Tragverhalten beeinflussen und verbessern. Hierfür müssen sinnvolle Optimierungs- und Adaptionsprozesse durchgeführt werden. Mit der Simulation des physikalisch nichtlinearen Bauteilverhaltens unter Einsatz der FEM lassen sich komplexe Strukturen wirklichkeitsnah darstellen. In diesem Forschungsvorhaben werden drei bionische Plattenstrukturen untersucht und für den Betonbau adaptiert.
Durch Adaption einer hauptspannungsorientierten Bewehrungsanordnung nach dem Funktionsprinzip des Spinnennetzes konnte ein sehr duktiles Bauteilverhalten vor dem Versagen erreicht werden. Unter den gegebenen Randbedingungen verbesserte sich das Verformungsverhalten gegenüber einer Referenzplatte über 90% des gesamten Belastungszeitraums bei vergleichbarem Tragverhalten. Aktuelle nichtlineare Simulationen lassen weiteres Optimierungspotential hinsichtlich der Tragfähigkeit und der Bruchlast vermuten. Die entwickelte bionische Rippendecke weist gegenüber einer Referenzplatte mit äquivalentem Materialeinsatz sowie einer konventionellen Rippendecke eine erhöhte Biegesteifigkeit auf.
In der dritten Arbeitsphase wird das Tragverhalten von Hohlkörperdecken u.a. in einer numerischen Vergleichsstudie untersucht. Es zeigte sich, dass durch eine sinnvolle Anordnung und Kombination unterschiedlicher Hohlkörperformen ein Einfluss auf das Tragverhalten und den effektiven Materialeinsatz genommen werden kann.
Publikationen
- Schnellenbach-Held, M.; Habersaat, J.-E.: Bionik im Betonbau − Natürliche Strukturen und Konstruktionen als Inspiration für den Betonbau. Bauingenieur 88 (2013) 5, S. 205−213
- Habersaat, J.-E.: Innovative Bewehrungsanordnung nach dem Funktionsprinzip des Spinnennetzes In: Breitenbücher, R.; Mark, P. (Hrsg.): Beiträge zur 1. DAfStb-Jahrestagung mit 54. Forschungskolloquium, 07./08.11.2013 an der Ruhr-Universität Bochum, Bochum, 2013, S. 35−40
- Schnellenbach-Held, M.; Habersaat, J.-E.: Bionic Optimization of Concrete Structures by Evolutionary Algorithms. Structural Engineering International 24 (2014) 2, S. 229−235
- Schnellenbach-Held, M.; Habersaat, J.-E.: Leichte Platten aus Beton als bionische Struktur. In: Scheerer, S.; Curbach, M. (Hrsg.): Leicht Bauen mit Beton – Forschung im Schwerpunktprogramm 1542, Förderphase 1, Dresden: Institut für Massivbau der TU Dresden, 2014, S. 102−111 – http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-171410
- Schnellenbach-Held, M.; Habersaat, J.-E.: Bionic Structures for Innovative Concrete Slabs. In: Elegance in Structures – Proc. of IABSE Conf. Nara, 13.–15.05.2015 in Nara (Japan), 2015, Book of abstracts: S. 64–65, Langfassung digital, 8 S.
- Schlussbericht: https://doi.org/10.25368/2022.345