Brückenbauexkursion 2022 – Frankreich
Auf den Spuren der alten Römer bis hin zu aktuellen Weltrekorden – Brückenbauexkursion des Instituts für Massivbau durch Frankreich
Im Sommer 2022 fand die alljährliche Brückenbauexkursion des Instituts für Massivbau der TU Dresden statt. Zusammen mit Prof. Steffen Marx und 3 wissenschaftlichen Mitarbeitern nahmen 22 Studierende des Bauingenieurwesen an der 11-tägigen Exkursion quer durch Frankreich teil. Die knapp 3500 km lange Route führte uns von Dresden über Paris bis an das Mittelmeer und zurück über die französischen Alpen nach Deutschland. Während der elftägigen Exkursion besichtigten wir zahlreiche Brücken sowohl im Bestand als auch im Bau. Moderne und historische Meisterwerke der Ingenieurbaukunst lagen auf unserer Route, wie z. B. das Viaduc de Millau oder die etwa 2000 Jahre alte Pont du Gard. Start der Exkursion war im August während der Semesterferien.
Der Exkursion ging eine ca. halbjährliche Planungsphase voraus, wobei sich die Studierende in einzelnen Arbeitsgruppen organisieren mussten. So gab es einzelne „Taskgroups“ für die Routenplanung, Übernachtungen, Mobilität und Sponsoring. Durch die eigenverantwortliche Planung hatten die Studierenden die Möglichkeit, sich bereits im Vorfeld intensiv mit der Exkursion und den zu besichtigenden Bauwerken zu befassen. Der Taskgroup „Sponsoring“ verdanken wir, dass sich auch im vergangenen Jahr wieder viele Firmen und sogar Privatpersonen bereiterklärt haben, unsere Exkursion finanziell zu unterstützen. Ein solches Unternehmen wäre andernfalls nicht realisierbar.
Mit Abschluss der Klausurenphase im August konnten wir gemeinsam im August frühmorgens in die Exkursion starten. Erster Stopp war die Baustelle im Zuge der BAB 49 in Schwalmstadt. Dort wurde im ersten Bauabschnitt eine Brücke in semiintegraler Bauweise errichtet. Nach einer informativen Führung des verantwortlichen Bauleiters, erreichten wir am Abend das erste Etappenziel in Düsseldorf. Den ersten Abend ließen wir am Fuße der Rheinkniebrücke ausklingen.
Zu Beginn des zweiten Tages hatten wir die Möglichkeit die Baustelle der Stadtbahnstrecke U81 (Nordstern) in Düsseldorf zu besichtigen. Besonders imposant war die Stahlfachwerkbrücke mit einem obenliegenden Mittelträger, welche im Taktschiebeverfahren über die Autobahn A44 hergestellt wird.
Ziel des zweiten Tages war Paris. Die Reiseroute führte daher über Belgien nach Frankreich. Erster Stopp in „La République française“ war der Pont de Luzancy. Mit ihren 55 m Spannweite als Zweigelenk-Rahmenbrücke zählt diese Brücke zu den ersten von Eugène Freyssinet entworfene Spannbetonbrücken in Fertigteilbauweise überhaupt. Die im Jahr 1941 begonnene und 1946 fertiggestellte Brücke besteht in ihrem Oberbau aus drei Kastenträger mit einer Breite von 1,7 m. Die einzelnen Kastenträger wurden aus 2,4 m langen, in allen Richtungen vorgespannten Fertigteilen zusammengesetzt und mit Spannlitzen verbunden. Die Stegdicken sind mit einer Höhe von 10 cm sehr gering. Die einzelne Trägerhöhe beträgt bei den Widerlagern 1,75 m und im Scheitel 1,22 m. Somit ergibt sich eine Schlankheit von 1:45. Diese geringe Schlankheit bzw. diese Bauweise war zur damaligen Bauzeit und auch heute noch wegweisend.
Bei bereits einsetzender Dunkelheit konnten wir auf dem Weg zur Stadt der tausend Lichter schon von weiten das Wahrzeichen von Frankreich, den Eiffelturm, erkennen. Die vermutlich letzte Herausforderung des Tages bestand darin, das Parkhaus im Zentrum von Paris zu finden. Allerdings war das Parkhaus bei unserer Ankunft bereits geschlossen. Nach mehreren Telefonaten auf Französisch, durften wir dankenswerterweise unsere Autos doch noch in der Tiefgarage abstellen.
Am nächsten Morgen besuchten wir unsere Partneruniversität „Université Gustave Eiffel“. An der 2020 eröffnete Universität konnte neben dem Besuch der Versuchshallen und dem Austausch über den jeweiligen Forschungsstand konnten neue Kontakte zwischen Studierenden und Wissenschaftlichen Angestellten geknüpft werden.
Ein weiteres Ziel der Brückenbauexkursion war der Aufbau einer Partnerschaft mit der Université Gustave Eiffel. An der 2020 eröffnete Universität konnte neben dem Besuch der durch die imposanten Versuchshallen und dem Austausch über den jeweiligen Forschungsstand konnten neue Kontakte zwischen Studierenden und Wissenschaftlichen Angestellten geknüpft werden. Einen Überblick über ie spannenden Forschungsthemen erhielten wir von Prof. Jean Michel Torrenti. Zum Abschluss des ersten Tages in Paris verbrachten wir bei Baguette und Wein den Abend an der Seine mit Sicht auf die Brücken der Île de la Cité.
Eine Erkenntnis des vierten Exkursionstages war, dass die Baustellensicherheit auf vielen Baustellen in Frankreich eine große Bedeutung zukommt. Hintergrund war unser Besuch auf der Baustelle „Franchissement Urban Pleyel“. Diese städtische Überführung mit einer Länge von 300 m im Norden von Paris sollen die olympischen Sportstätten mit der Metrostation verbinden. Besondere Herausforderung bei dieser Baustelle, war der Einschub der Stahlbrücke im laufenden Bahnbetrieb. Bei einer anschließenden Wanderung entlang der Seine, hielten die Studierenden Kurzvorträge zu ausgewählten Seine-Brücken (Pont des Arts, Pont Neuf, Passerelle Simone-de-Beauvoir) als auch zum Eifelturm.
Nach zwei Nächten in der Hauptstadt Frankreichs hieß es „Au revoir“. Nächstes Ziel war das südlich von Paris gelegene Gebiet Auvergne-Rhône-Alpes. Auf dem Weg dorthin kam wir an der Pont Boutiron, ebenfalls eine Brücke von Eugène Freyssinet, und dem Viaduc de Fades, eine alte Eisenbahnbrücke, vorbei.
Das Ziel des sechsten Tages war für viele von uns eines der Highlights der Exkursion. Nach einer Besichtigung des Garabits Viadukts und einem Bad im Fluss Truyére unter dem Garabit Viadukt hieß der nächste Punkt auf unserer Agenda: Viaduc de Millau. Die Brücke ist mit 2.460 m die längste Schrägkabelbrücke der Welt und zudem die höchste Brücke Europas. Im nahegelegen Besucherzentrum hatten wir die Möglichkeit, den Entwurfs- und Bauprozess nachzuvollziehen. Die 2004 fertiggestellte Brücke führt die vierspurige Autobahn A75 in einer Höhe von 270 m über das Tal des Flusses Tarn und besitzt eine maximale Spannweite der sechs Innenfelder von 342 m. Das Viaduc de Millau besteht aus acht Feldern die von sieben stählernen Pylonen mittels Schrägseilen im Harfensystem getragen werden. Die Spannweite der zwei Randfelder beträgt jeweils 204 m. Das Tragsystem der Brücke entspricht dem einer Multischrägseilbrücke, wobei mehrere Schrägseilbrückenfelder hintereinander gekoppelt sind. Der von Michel Virlogeux und weitere beteiligte Planer entwickelte Entwurf wurden im Jahr 2006 mit dem „Outstanding Structure Award“ der IABSE ausgezeichnet.
Am siebten Tag ging es weiter nach Montpellier ans Mittelmeer. Während ein Teil der Gruppe sich am Mittelmeer entspannte, nutzen andere die Zeit für einen kleinen Rundgang in der historischen Altstadt. Anschließend war das nächste Etappenziel der Pont du Gard, ein ca. 2000 Jahre altes römisches Aquädukt. Die etwa im Jahr 50 n. Chr. errichtete Steinbogenbrücke mit drei Ebenen bildete einen Teil des römischen Aquädukts bei Nimes. Die aus 52 Bögen bestehende Brücke ist eines der besterhaltenen Meisterwerke römischer Baukunst. Die einzelnen Bögen sind zwischen 3 und 6 m breit. Das Bauwerk nutz den echten Bogen als Haupttragwerk. Somit können die entstehenden Druckkräfte ideal in die Auflagerpunkte abgeleitet werden.
Nach einem erfrischenden Bad in dem Fluss Garonne unterhalb der Pont du Gard konnte die Fahrt zum letzten Tagesziel, Avignon, angegangen werden. Mit einer kleinen Stadttour durch die Altstadt von Avignon und einem Restaurantbesuch beendeten wir den Tag.
Nach einer Nacht auf der ’Île des Papes in Avignon hieß der erste Stopp „Pont Julien“. Diese Steinbogenbrücke wurde bereits im Jahr 3 v. Chr. errichtet und wird noch heute als Radweg genutzt. Die Pont Julien gilt als eine der am besten erhaltenen römischen Brücken in ganz Frankreich. Im Anschluss besuchten wir die Baustelle des größten Kernfusionsreaktors der Welt, dem ITER. Nach einer interessanten Führung war das Tagesziel der Campingplatz am Grand Lac de Laffrey. Dieser, in den französischen Voralpen gelegene, Bergsee bildete mit seiner spektakulären Landschaft für viele von uns ein weiteres Highlight der Exkursion.
Der neunte Tag begann um 4 Uhr morgens mit einer Wanderung auf einen nahen gelegenen Berg zum Sonnenaufgang. Trotz der frühen Uhrzeit und frischen Temperaturen trauten sich 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ihren warmen Schlafsäcken. Zur Belohnung gab es einen wunderschönen Sonnenaufgang, den wir bei Baguette und Espresso auf dem Gipfel des Berges genießen konnten. Nachdem die wärmende Sonne erschien, ging es zurück zum Campingplatz, bauten unsere Zelte ab und fuhren weiter zur Hängebrücke „Passerelle Himalayenne“. Dort angekommen, konnte experimentell das dynamische Verhalten von leichten Drahtseilhängebrücken untersucht werden: Zur Freude der Studierenden, zum Leid der restlichen Wanderer und Touristen. Die nächsten Stopps legten wir an der Monteynard Talsperre und dem Cize-Bolozon-Viadukt ein.
Der vorletzte Tag der Exkursion führte die Gruppe nach Strasbourg im Elsass. In Strasbourg besichtigten wir neben dem Port du Rhin mehrere alte Bogenbrücken und die Passarelle de deux rives – die Rheinquerungen zwischen Deutschland und Frankreich. Am letzten gemeinsamen Abend genossen wir die elsässische Kultur mit Flammkuchen und regionalem Weißwein.
An unserem letzten Tag hatten wir die Möglichkeit das Fertigteilwerk von Max Bögl in Sengenthal zu besichtigen. Auffällig waren die Sauberkeit und Ordnung im Werk sowie die sehr schlanken und optimal ineinandergreifenden Prozesse, z. B. zur Herstellung von Turmsegmenten von Windenergieanlagen. Nach einer letzten Etappe kamen am Abend des 11. Tages alle Exkursionsteilnehmer gesund und glücklich in Dresden an.
Die Brückenbauexkursion 2022 war ein voller Erfolg für alle Beteiligten. Die Gruppe hat sich bereits vor der Exkursion zu einer tollen Einheit entwickelt. Viele neue Eindrücke konnten gewonnen werden und wir hatten die Möglichkeit, die theoretischen Inhalte der Vorlesung anhand realer Bauwerke zu vertiefen. An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Unterstützern bedanken, die diese Reise ermöglicht und für uns unvergesslich gemacht haben. Vielen Dank!
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion haben einen aufwendigen und sehr lesenwerten Reisebericht mit vielen weiteren Fotos zusammengestellt und veröffentlicht. Die digitale Variante gibt es hier als PDF-Download. Vielen Dank an alle Beteiligten für diesen tollen Bericht!