02.08.2024
„Die Motivation zur Veränderung und zur Weiterentwicklung ist ungebrochen.“ - Schulversuch Universitätsschule Dresden startet ins sechste Jahr
An der Universitätsschule Dresden lernen im aktuellen Schuljahr 2024/25 etwa 830 Schüler:innen der Klassenstufen 1 bis 10 aus dem gesamten Dresdner Stadtgebiet und angrenzenden Gemeinden. Im Schulversuch der Technischen Universität Dresden (TUD) und der Stadt Dresden werden innovative Lehr-Lernformate und eine zeitgemäße Schulorganisation erprobt und erforscht. Dabei bewegt sich der Fokus der Schulentwicklung jetzt fort von der Unterrichtsorganisation in den jüngeren Jahrgängen hin zur Entwicklung von Strukturen in den Abschlussjahrgängen. Zum zweiten Mal in der jungen Schulgeschichte werden im beginnenden Schuljahr Abschlussprüfungen abgenommen, das erste Mal bereiten sich die Jugendlichen in der Qualifizierungsstufe auch auf die Realschulprüfung vor. Auch die Integration der ukrainischen Schüler:innen und Lehrkräfte in die Schulgemeinschaft schreitet voran.
Wachsende Schulgemeinschaft und Lernen im gebundenen Ganztag
Am 19. August 2019 öffnete die Universitätsschule Dresden (USD) für 200 Schüler:innen in den Klassenstufen 1, 2, 3 und 5 das erste Mal die Türen. Im Schuljahr 2024/25 ist nicht nur zum DDR-Altbau ein zweiter Containerbau hinzugekommen; es lernen hier inzwischen 830 Kinder und Jugendliche in den Klassenstufen 1 bis 10 jahrgangsübergreifend und fächerverbindend mit dem Fokus auf den jeweils individuellen Lernweg. Bis zum Schuljahr 2026/27 wächst die Gemeinschaftsschule mit dann etwa 1.000 Schüler:innen auf bis zur Klassenstufe 12.
Möglich wird das kooperative Lernen mit jeweils individuellem Lernweg für eine so große Lerner:innengruppe durch eine innovative digitale Infrastruktur für das Schul- und Lernmanagement und eine agile Ressourcenverteilung. Im gebundenen Ganztag in der Primarstufe ist so für die Schulanfänger:innen die Lernbegleitung durch zwei Personen pro Stammgruppe – eine ausgebildete Lehrkraft und eine:n Erzieher:in – gegeben. Dieses Modell für die Verzahnung von Hort und Schule ist ein in Sachsen einmaliges Modell, an dem auch andere Bildungseinrichtungen und Träger lernen können, dem Lehrkräftemangel zu begegnen.
Starke Leistung im Schulversuch trotz knapper Ressourcen
Als öffentlicher Schulversuch erprobt und erforscht die Universitätsschule Dresden über 15 Jahre lang unter wissenschaftlicher Begleitung durch die TUD, wie eine Schule der Zukunft mit zeitgemäßen Lehr-Lernformaten funktionieren kann. Zum Start ins zweite Drittel der Projektlaufzeit ist die wissenschaftliche Leiterin Prof.in Anke Langner optimistisch: „Die Schule wächst und entwickelt sich. Die Ergebnisse der ersten Absolvent:innen zeigen, was das Konzept einer „Schule für alle“ leistet: eigentlich mehr als eine Regelschule – bei den gleichen verfügbaren Ressourcen. Gestartet ist das Projekt im Bewusstsein, dass wir uns beweisen müssen, auch unter widrigen Bedingungen den Aufbau leisten und die Schule der Zukunft gestalten werden. Das haben wir getan und sind doch auch verwundert, dass wir dies selbst nach fünf Jahren solider Arbeit immer noch tun müssen. Denn der Kampf um die ganz konkrete Grundausstattung von Räumen und die Bereitstellung eines der Schüleranzahl entsprechenden und notwendigen Schulgebäudes kostet die Schulgemeinschaft viel Kraft. Diese würden wir viel lieber direkt den Schüler:innen und der Zusammenarbeit mit anderen Schulen, die sich mit uns auf den Weg machen wollen, Schule für die Schüler:innen zu gestalten, widmen.“
Für Schulleiterin Maxi Heß startet die Schulgemeinschaft mit guter Vorarbeit in ein neues Schuljahr, dass nicht weniger spannend als die anderen Jahre wird: „Besonders weil wir wieder neue Strukturen erproben werden. Wir freuen uns, dass es uns in jedem Jahr gelingt, schnell und konsequent Veränderungen zu vollziehen, die notwendig sind, damit – und das ist immer im Fokus – das individuelle Lernen der Schüler und Schülerinnen bestmöglich begleitet werden kann. Die Motivation zur Veränderung und zur Weiterentwicklung ist ungebrochen. Der Schulversuch startet ins zweite Drittel und wir sind nicht nur gewachsen, sondern vielleicht auch ein bisschen erwachsen geworden. Wir können nun neben weiteren Aufbauprozessen auch die ständigen Anpassungsprozesse in den Blick nehmen.“ Ganz konkret bedeute das eine veränderte Tagesstruktur und eine angepasste Zeitstruktur im neuen Schuljahr, mit der die Schule auf die Bedarfe für eine gute Rückmeldekultur und eine gelingende Prozessbegleitung reagieren.
Kinder und Jugendliche aus dem gesamten Stadtgebiet
Das Interesse an einem Platz an der Universitätsschule Dresden ist weiterhin groß. Für die 130 verfügbaren Plätze in allen Jahrgangsstufen gab es über 260 Anmeldungen. Der Schulversuch von Stadt Dresden und TUD möchte zeigen, dass eine „Schule für alle“ unabhängig von sozialer Herkunft und weiteren individuellen Faktoren das erfolgreiche Lernen und die Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht. Deshalb soll die Schüler:innenschaft in ihrer Zusammensetzung repräsentativ sein für die Bevölkerung der Stadt Dresden bezogen auf die Kategorien Geschlecht, Förderbedarf, Mehrsprachigkeit und die schulischen- und berufsbildenden Abschlüsse der Eltern. Die hohen Anmeldezahlen ermöglichen eine Auswahl der aufgenommenen Kinder und Jugendlichen entsprechend dieser Kriterien.
Der aktuelle Bericht zur Demographie der Schüler:innen an der USD enthält auch eine Übersicht zur Verteilung der Wohnorte der Schülerinnen und Schüler nach Postleitzahl im Dresdner Stadtgebiet und angrenzenden Ortschaften. Dies ist möglich, weil die Universitätsschule Dresden keinen festen Schulbezirk hat. So können Kinder aus ganz Dresden und dem angrenzenden Umland im Süden der Stadt miteinander lernen.
Mit dem Aufwuchs bis zur Klassenstufe 10 umfasst das Kollegium nun 51 Lernbegleiter:innen, davon 20 Erzieher:innen, entsprechend des Personalschlüssels für eine öffentliche Schule im Dresdner Stadtgebiet. Unterstützt werden sie von Schulbegleitungen, Freiwilligen und Lehramtsstudierenden der TUD im semesterbegleitenden Praktikum.
Nächste Meilensteine: Realschulabschluss und Aufbau Gymnasialstufe
Nach den ersten Hauptschulabschlüssen im vergangenen Schuljahr stehen mit der aufgewachsenen Klassenstufe 10 nun als nächster Meilenstein die ersten Realschulprüfungen an. „Mit deutlich mehr Prüfungsteilnehmer:innen in diesem Schuljahr werden wir den nächsten Schritt die Prüfungen für die Mittlere Reife gehen. Wir freuen uns mit einer gebührenden Portion Respekt auf diese ersten Prüfungen, weil sie uns nach sechs Jahren Schulversuch zeigen lassen, wie wir mit dem Konzept der Universitätsschule die Schüler:innen auch persönlich wachsen lassen konnten. Die ersten und sehr erfolgreichen Abschlüsse der jungen Schulgeschichte im vergangenen Schuljahr geben uns dafür wahnsinnig viel Auftrieb und auch Bestätigung in dem, was wir tun. Ganz besonders motiviert diese Erfahrung auch dafür, das Prüfungsprozedere und die Prüfungsvorbereitungen im Sinne des Schulversuchs auszugestalten. Dafür werden wir in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus (SMK) neue Prüfungsszenarien entwickeln, die dem Schulversuch entsprechen,“ unterstreicht Maxi Heß.
Parallel geht die Schulgemeinschaft bereits den Aufbau der Gymnasialstufe an. Schon in der Jugendstufe lernen die Schüler:innen und Schüler weiter gemeinsam in niveauübergreifenden Gruppen. Der Schultag ist strukturiert durch die Projektarbeit, je nach ihren individuellen Voraussetzungen suchen die Kinder und Jugendliche die Inhalte, mit denen sie sich auseinandersetzen wollen. Die Lernbegleiter:innen stellen ihnen für ihre Arbeit die entsprechenden Lernbausteine und weitere Materialien zur Verfügung. Die Lernbausteine – diese Einheiten orientieren sich an den Inhalten des Sächsischen Rahmenlehrplans und können individuell zum aktuellen Lernstand und Projektthema ausgewählt und bearbeitet werden – enthalten Aufgaben auf Haupt- und Realschul-, aber auch Gymnasialniveau.
Das Ziel des Konzepts der Universitätsgemeinschaftsschule ist es auch, eine hohe Durchlässigkeit für die Schüler:innen zu ermöglichen. So soll vor allem die Entwicklung der Schüler:innen bis kurz vor dem Schulabschluss bestimmen, welcher genau der angestrebte Schulabschluss sein wird. Erschwert wird dies für den gymnasialen Bildungsweg durch eine gesetzliche Regelung: als Voraussetzung für die Hochschulreife wird ein durchgängiger Unterricht in derselben zweiten Fremdsprache von Klassenstufe 6 bis 10 bestimmt. Für Schüler:innen, die sich zum Beginn der Klassenstufe 6 nicht für eine zweite Fremdsprache – an der Universitätsschule Dresden ist das Spanisch – entscheiden, und für spätere Seiteneinsteiger mit einer anderen zweiten Fremdsprache ist mit dieser Regelung der direkte Weg zum Abitur an der USD aktuell nicht möglich. Sie können sich nach dem Realschulabschluss aber an einem anderen (beruflichen) Gymnasium auf das Abitur vorbereiten. Eine Flexibilisierung des Zweitspracherwerbs auf dem Weg zur Hochschulreife im Rahmen des Schulversuchs könnte hier eine Lösung bieten.
Integration ukrainischer Schüler:innen und Kolleg:innen
Ein Teil der 40 ukrainischen Schüler:innen vollzieht nun den nächsten Schritt, denn etwa ein Drittel von ihnen lernt ab August in der Jugendstufe und Qualifikationsstufe in den regulären Lerngruppen ganztägig mit. Für den anderen Teil gibt es weiterhin eine Integrationsklasse mit fokussierter „Deutsch als Zweitsprache“-Arbeit. Seit 2022 haben die ersten Kinder und Jugendlichen zunächst in der Lern- und Spielwerkstatt gelernt, die später zu DaZ-Vorbereitungsklassen wurde. Auch die ukrainischen Lehrkräfte werden mit ihren gewachsenen Deutschkenntnissen stärker in Regelunterricht eingebunden werden und in ihren Fächern Kunst und Musik regulär arbeiten.
3 Jahre Forschungsstelle Universitätsschule ForUS
Auch im begleitenden Forschungsprojekt wird im beginnenden Schuljahr ein „kleines Jubiläum“ gefeiert. Im November begeht die Forschungsstellen Universitätsschule Dresden ForUS an der TUD ihr 3jähriges Bestehen. In ihrem aktuellen Bericht lobt die Struktur- und Evaluationskommission zum Schulversuch einerseits die hohe Innovationskraft aus dem Projekt, mahnt jedoch zugleich eine nachhaltige Finanzierung auch der wissenschaftlichen Begleitung durch die TUD an.
Bereits in seinem fünften Jahr unterstützt der Schulversuch den regionalen und überregionalen Innovationstransfer etwa in Ostsachsen, zusätzlich zum weiteren Auf- und Ausbauprozess in der aufwachsenden Schule. Die bereitstehenden Ressourcen hat die Forschungsstelle laut Kommissionsbericht "intensiv genutzt, was sich in 9 wissenschaftlichen und 3 schulpraktischen Publikationen und 12 Anträgen auf Drittmittelförderung sehr eindrücklich zeigt."
Neben der Klärung der notwendigen Grundfinanzierung der Forschungsstelle benennt das Gremium von namhaften Bildungswissenschaftler:innen und erfahrenen Praktiker:innen ein neues Lernhaus für die wachsende Schulgemeinschaft sowie die Digitalisierung an der Schule in Abstimmung mit der Stadt Dresden als zentrale Aufgaben.
Über die Universitätsschule Dresden
Die Universitätsschule Dresden ist ein gemeinsames Projekt der Landeshauptstadt Dresden und der Technischen Universität. Sie ist eine öffentliche und kostenfreie Gemeinschaftsschule in städtischer Trägerschaft, an der unter wissenschaftlicher Begleitung innovative Formen des Lehrens und Lernens erprobt werden. Darüber hinaus ist sie Ausbildungsschule für zukünftige Lehrkräfte und künftig auch Weiterbildungsschule für Lehrer:innen. Wissenschaftlich begleitet wird der Schulversuch von der Forschungsstelle ForUS an der TU Dresden.
Informationen zum Forschungsprojekt an der TU Dresden: https://tu-dresden.de/gsw/unischule
Informationen zur Universitätsschule Dresden: http://universitaetsschule.org
Auf verschiedenen Social-Media-Kanälen finden Sie unter @unischuleTUD Einblicke in das Forschungsprojekt und den Schulalltag : Facebook, X, Instagram, YouTube und LinkedIn. Neuigkeiten aus dem Projekt Universitätsschule Dresden gibt es regelmäßig im GSW-Newsletter.
Ansprechpartnerin
Maria Neuland Agüero
Tel.: +49 351 463-39917