01.11.2024
Südkoreanische Bildungsexpert:innen besuchen die Universitätsschule Dresden
Am 30. Oktober 2024 besuchten 27 Lehrkräfte und Vertreterinnen des Schulamts der südkoreanischen Provinz Gyeongsangnam-do die Universitätsschule Dresden im Rahmen der Bildungsreise durch Deutschland zur "Verbesserung zukünftiger Fähigkeiten der Klassen 5 und 6". Das besondere Interesse der Reisegruppe galt der Frage, wie das didaktische Konzept des Schulversuchs zur "Schule der Zukunft" das selbstregulierte Lernen und das Lernen mit starkem Lebens- und Arbeitsweltbezug umsetzt.
Selbstreguliertes Lernen planen und dokumentieren mit Unterstützung der Schul- und Lernmanagementsoftware
Zwei Schülerinnen der Qualifizierungsstufe (Klassenstufen 9-10) führten die Bildungsexpert:innen zunächst in die digital gestützte Schulorganisation ein. Sie präsentierten die Planung ihres individuellen Lerntags und die Dokumentation ihres persönlichen Lernfortschritts in den Lernpfaden, abgebildet in der schuleigenen Lern- und Schulmanagementsoftware. Diese Software wird gemeinsam mit der TU Dresden enstprechend der Bedürfnisse der Schulgemeinschaft stets weiter entwickelt.
Nach einigen Fragen und Antworten konnte die Delegation beim Besuch eines Fachateliers (Fächerperspektive GeWi - Gesellschaftswissenschaften, Qualifizierungsstufe) die fürs selbstständige Lernen vorbereitete Umgebung erkunden. In den Materialschränken sind die Lernbausteine und Zusatzquellen frei zugänglich und übersichtlich sortiert.
Lernbausteine statt Lehrbücher ermöglichen Lernen interessensgeleitet und im eigenen Tempo
Wiebke Berjürgen, wissenschaftliche Projetmitarbeiterin der Forschungsstelle Universitätsschule ForUS, erläuterte erste Schritte im Einsatz von ChatGPT für die Erstellung der Lernbausteine. Mit diesen Lernmodulen zusammengestellt aus abwechslungsreichen Aufgaben zum individuellen Lernen in einem Lernheft, können die Schülerinnen und Schüler der Qualifizierungsstufe die Themen in Geschichte, Geographie, Gesellschaftskunde und Ethik / Religion der Schuljahre 9 bis 10 in der individuell passenden Reihenfolge - zum Beispiel orientiert an den Themen des aktuellen Projektzyklus - und im eigenen Tempo bearbeiten. Jeden Lernbaustein schließen sie mit einem Gelingensnachweis ab. Das kann unter anderem ein Wissenstest, eine Präsentation als Plakat oder Powerpoint oder auch eine bildnerische Arbeit wie ein 3D-Modell sein.
Die Lernbausteine werden bisher von den Lernbegleiter:innen in jeweiligen Stufen (Grundstufe 1-3, Mittelstufe 4-6, Jugendstufe 7-8, Qualifizierungsstufe 9-10, Gymnasialstufe 11-12) für das fächerverbindende Lernen für die Perspektiven Sprachen, Gesellschaftswissenschaften sowie Mathe und Naturwissenschaften erstellt. Für den täglichen Einsatz stehen sie im Materialschrank bereit. Eine zusätzliche Stundenplanung wie im klassischen Frontalunterricht ist nicht mehr notwendig.
"Mit einem zu diesem Zweck programmierten Chatbot können Entwürfe für Lernbausteine von hoher Qualität erzeugt werden," erklärte Wiebke Bergjürgen. Vor dem zukünftigen Einsatz mit den Schüler:innen würden diese von den Fachlehrkräften überprüft und angepasst.
Der individuelle Lernweg und die Schule als lernenden Gemeinschaft im Mittelpunkt
Im anschließenden Gespräch mit Schulleiterin Maxi Heß lernte die Gruppe einerseits das didaktische Konzept für das selbstbestimmte Lernen in der Grundstufe (jahrgangsübergreifende Gruppen der Klassenstufen 1-3) als auch die Umsetzung in der stärker haptisch gestalteten Lernumgebung kennen. Für die zahlreichen Fragen reichte auch bei diesem Besuch die Zeit kaum aus. "Werden die Lehrkräfte duch die enge Begleitung jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin nicht überlastet?," beantwortete die Schulleiterin mit dem Hinweis auf die persönliche Zufriedenheit, denn "an der Unischule ist immer viel zu tun!" Wenn diese Arbeit aber in einer auch selbst gestalteten Umgebung geschehe und die Lehrkräfte selbst Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit erlebten, unterstützt durch das ehrliche Interesse der Schulleitung an den Lernfortschritten der Kinder und Jugendlichen und des Kollegiums, dann fühle sich für viele die Arbeit weniger als Belastung, sondern als sinnvolle Tätigkeit an.
Viele Elemente des Konzepts lösten Staunen aus: verbales individuelles Feedback statt Noten, Lernstands- und Entwicklungsberichte statt Zeugnis, individuelles Tempo statt gleichschrittigem Lernen in der Gruppe, somit auch die Möglichkeit, innerhalb der eigenen Stammgruppe in einzelnen Themengebieten schneller voranzuschreiten: "Ein Schüler der Grundstufe befasst sich gerade mit Mathematik für die 5. Klasse. Die Ergebnisse werden selbtsverständlich in seinem digitalen Lernpfad angerechnet."
Die Delegation nahm einen wichtigen Gedanken mit, der sowohl das Konzept als auch seine Umsetzung im Schulalltag stark prägt: "Zuerst kommt für das Unischul-Team die Haltung, ihr folgt die Gestaltung des Lernens, ermöglicht wird die innovative Schulorganisation durch die Verwaltung - genau in dieser Reihenfolge."
Im Vorfeld hatte die Delegation sich an der Waldorfschule Frankfurt/Main und der Internationalen Lomossow-Schule Berlin Marzahn über lernzentrierte und zeitgemäße Lehr-Lernformate informiert. Auch ein Besuch in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig gab Einblicke in innovative Formate für Schülerinnen und Schüler der Oberschule und Gymnasialstufe.
Über die Universitätsschule Dresden
Die Universitätsschule Dresden ist ein gemeinsames Projekt der Landeshauptstadt Dresden und der Technischen Universität. Sie ist eine öffentliche und kostenfreie Gemeinschaftsschule in städtischer Trägerschaft, an der unter wissenschaftlicher Begleitung innovative Formen des Lehrens und Lernens erprobt werden. Darüber hinaus ist sie Ausbildungsschule für zukünftige Lehrkräfte und künftig auch Weiterbildungsschule für Lehrer:innen. Wissenschaftlich begleitet wird der Schulversuch von der Forschungsstelle ForUS an der TU Dresden.
Informationen zum Forschungsprojekt an der TU Dresden: https://tu-dresden.de/gsw/unischule
Informationen zur Universitätsschule Dresden: http://universitaetsschule.org
Auf verschiedenen Social-Media-Kanälen finden Sie unter @unischuleTUD Einblicke in das Forschungsprojekt und den Schulalltag: Facebook, X, Instagram, YouTube und LinkedIn. Neuigkeiten aus dem Projekt Universitätsschule Dresden gibt es regelmäßig im GSW-Newsletter.