Grand Tour II. Alle Wege führen nach Rom: die Bildungsreise im 18. Jahrhundert (van der Goes)
Dozent: | Drs. André van der Goes | ||||
Tag/Zeit: | Do., 2. DS | Ort: | ABS/105/U | ||
Beginn: | 27.10.2016 | ||||
Module: | Master | MA LA | LA / Staatsexamen neu | ||
KG-MA-1 KG-MA-WM-1 |
MAKU-GK-VT1 | PHF-SEMS-KU-KG3 PHF-SEGY-KU-KG3 |
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Prüfungsleistung: | Referat und Seminararbeit | Referat ODER Essay | |||
Als Abschluss der Erziehung und der universitären Studien gehörte es bereits im 17. Jahrhundert für junge Adlige und Patrizier aus Nordeuropa zum Guten Ton, eine Reise nach Italien zu machen. Diese pädagogisch intendierten Reisen fanden ihren Höhepunkt im 18. Jahrhundert. Entsprechend den finanziellen Möglichkeiten und der Herkunft der jungen Reisenden umfasste die Reise Besuche von fürstlicher Höfen und einflussreichen Persönlichkeiten sowie von Verwandten und natürlich der zahlreichen kulturellen Höhepunkten der Apenninhalbinsel: Städte wie Venedig, Rom und Neapel gehörten zum Pflichtprogramm jeder Studienreise. Die Reisen, die ein Jahr oder länger dauern konnten, führten zu berühmten Kunstsammlungen, zu den Ateliers zeitgenössischer Künstler und den Theatern und Opernhäusern. Man besah ausführlich alten Marmor, alte Meister und auch junge Schönheiten. Die Wege waren meist schlecht und die Herbergen schmutzig. Überall lauerten Gefahren und die jungen Reisenden wurden deshalb meist durch einen erfahrenen und zuverlässigen Lehrer begleitet. So lernte der Grand-Tourist die große Welt kennen und die Eindrücke, Erfahrungen und Kontakte, die er dabei gewann, konnten ihn sein ganzes Leben lang begleiten und von Nutzen sein. Im Fokus des Seminars stehen vier Persönlichkeiten, für die die Reise nach Italien und Rom prägend für ihre weitere Entwicklung war. Das Studium der Altertümer und der Kunst brachten sie sowohl mit der gesellschaftlichen Elite aber auch der breiten Bevölkerung in all ihren Couleur in Kontakt. Interessant ist es aber auch die Netzwerke in den Blick zu nehmen, die sich durch die Reisenden bildete. In Ihnen spiegeln sich die wichtigen Entwicklungen der Geistes- und Kulturgeschichte und auch sie finden immer wieder Eingang in die Kunst. Der junge Schotte James Boswell (1740-1795): ambitioniert & amourös, auf der Suche nach der Kunst, dem großen Leben, aber vor allem nach sich selbst. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): erfolgreich als gefeierter Schriftsteller, kultureller Antreiber in Weimar, reist wenige Tage nach seinem 37. Geburtstag inkognito und mit einem stattlichen Burn-out nach Italien ab. Auf seiner Suche nach Erholung und der Antike, erlebt er sprichwörtlich seine Wiedergeburt und lernt noch einmal völlig neu zu leben. Johann Joachim Winckelmann (1717-1768): mittellos aber brillant, begann er seine Grand Tour in adligen Bibliotheken und der Antikensammlung Augusts III. König von Polen und sächsischer Kurfürst. Rom wird sein Zuhause und sein Arbeitsplatz: hier entwickelte er seine bahnbrechenden Ideen über die Kunstbetrachtung und das Systematisieren von Stilepochen. Giovanni Battista Piranesi (1720-1778): Architekt und einer der großen Kupferstecher des 18. Jahrhunderts machte peinlich genaue Rekonstruktionsentwürfe von römischen Aquädukten, aber entwarf auch fantastische Zusammenstellungen von Gebäuden als Traumbildern, machte sich einen Namen mit Veduten römischer Gebäude als Souvenirs für Grand-Touristen oder lieferte Entwürfe für Kamine und Möbel in ausgesprochen klassizistischen Stil. Die Reisen, die im Seminar verfolgt und untersucht werden, bestehen aus einer internationalen und bunt durchmischten Gemeinschaft. Wir folgen den Grand-Touristen zu den großen italienischen Kulturzentren. Es waren vor allem die Ausgrabungen römischer Städte in der Bucht von Neapel, die durch den Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. unter einer dicken Ascheschicht begraben worden waren, welche in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine besonders große Anziehungskraft auf die Touristen ausübten. Die Resultate dieser Ausgrabungen waren schlichtweg spektakulär zu nennen. Setzte sich das Bild, das man bis dahin von der Antike hatte vor allem aus Skulpturen und Architekturwerken, wie Tempeln, Palästen, Thermen oder Aquädukten zusammen, so bekam man jetzt erst eine konkretere Vorstellung von der Wohnkultur der damaligen Zeit Dank der meist gut erhaltenen Gebrauchsgegenstände und Wandmalereien mit figürlichen Darstellungen, stand man plötzlich buchstäblich Auge in Auge mit der Antike. Diese Funde übten einerseits große Stimulans auf das wissenschaftliche Studium der antiken Kunst aus und hatten andererseits großen Einfluss und inspirierende Wirkung auf die Kunst, die zeitgenössische Formgebung und Ornamentik, das Wohninterieur sowie das Kunsthandwerk. Es wird untersucht, wie die Grand Tour den Geschmack der Reisenden beeinflusste, wie sie aus vielen Grand-Touristen Sammler machte und was als Souvenirs mit nach Hause genommen wurde. |