Ukraine-Krieg in der Schule thematisieren
Inhaltsverzeichnis
Der Krieg der russischen Regierung gegen die Ukraine ist schrecklich und lässt uns alle seit dem 24. Februar nicht mehr los. Viele von uns sind erschüttert, fühlen sich teilweise ohnmächtig beim Anblick der Bilder aus der vom Krieg betroffenen Ukraine, sind sprachlos und oft macht sich Angst bei uns bemerkbar.
In so einer Zeit, bei solch einem Vökerrechtsbruch und bei solchen medialen Bildern kann man nicht einfach zum business as usual übergehen, sondern benötigt Räume, in denen man gemeinsam die Geschehnisse und Gefühle aufarbeiten kann. Dies gilt inbesondere in Bildungskontexten - und damit explizit im schulischen Raum. Hierfür bietet sich der Sozialkunde/Gemeinschaftskundeunterricht natürlich primär an. Doch genauso wie Krieg alle Menschen betrifft, sind auch an dieser Stelle Lehrer:innnen aller Fächer gefragt, den Schüler:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Gedanken, Gefühle und Fragen zu äußern und sie gemeinsam zu bearbeiten.
Wie die Thematisierung des Krieges in der Ukraine aussehen kann und welche Materialien dabei helfen können, haben mittlerweile bereits viele Institutionen und Verbände gesammelt. Auch wir möchten an dieser Stelle das Rad nicht neu erfinden und hoffen, Ihnen mit diesem Beitrag hilfreiche Verweise, Ideen und Anregungen geben zu können. Insbesondere aufkommende Zweifel oder Fragen im Hinblick auf die Thematisierung des Krieges im Unterricht versuchen wir am Ende des Beitrages aufzugreifen. Sollten Sie weitere Anregungen, die an dieser Stelle fehlen, oder Rückfragen zu den hier gemachten Vorschlägen haben, können Sie uns gerne kontaktieren!
Lehrer:innen
Schüler:innen sehen und hören über Soziale Medien, in den Nachrichten oder auch durch Gespräche mit ihren Eltern und Freunden derzeit viele Bilder und Videos aus dem Kriegsgebiet. Genauso wie wir Erwachsenen auch können sie diese nicht sofort richtig einordnen und sind mit Gefühlen kontrontiert. Hier sollte die Schule einen Raum bieten, um dies einordnen und auffangen zu können. Erzwingen Sie aber keine Thematisierung und binden Sie die Kinder und Jugendlichen in die Aufarbeitung mit ein.
- Vorerfahrungen einholen: Fragen Sie Ihre Schüler:innen, ob sie über den Krieg in der Ukraine reden möchten. Was haben sie in den letzten Tagen gesehen, gehört, gefühlt. Wie fühlen sie sich, wenn sie die Bilder aus den Nachrichten sehen? Welche Fragen haben sie? Erste Berichte aus den Klassenzimmern zeigen, dass es einen hohen Gesprächsbedarf unter Schüler:innen gibt. Bestenfalls haben Sie bereits eine gute Lehrer:in-Schüler:in-Beziehung und können persönliche Betroffenheit in Ihrer Klasse bereits im Vorfeld identifizieren. Wenn nicht sollten Sie dafür sensibilisiert sein, dass es auch familiäre und individuelle Bezüge zum Geschehen gibt. Beachten Sie dazu die Hinweise weiter unten auf dieser Seite.
- Zuhören: Wie bereits erwähnt, müssen - und können - Sie nicht auf alle Fragen und Probleme eine Antwort haben. Wichtig ist es, sich trotz "Lehrplanzwängen" oder "Fachfremdheit" Zeit zu nehmen und einen Raum anzubieten, in dem man über die Ereignisse der letzten Tagen sprechen kann. Damit machen Sie auch deutlich: Krieg ist nicht normal! Ein Bruch des Völkerrechts hat - wie auch immer geartete - Konsequenzen für die Welt.
- Gefühle zeigen: Seien Sie ehrlich und machen Sie ggf. transparent, wenn auch Sie derzeit keine Antwort auf Fragen haben oder sich ebenso unsicher und sprachlos fühlen. Es ist in dieser Zeit keine Schande, wenn man keine Antworten oder Lösungsstrategien parat hat oder Angst vor Krieg hat. Zeigen Sie das auch ggü. Kindern. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit Emotionen und Gefühlen in Bildungskontexten finden Sie von Prof. Anja Besand als Videoformat oder schriftlich hier.
- Sicherheit vermitteln: Ein Angriffskrieg einer Atommacht, wie es Russland ist, ist grundsätzlich mit sehr großen Gefahren und Ängsten verbunden. Erst recht, wenn mit nuklearen Waffen und deren Alarmbereitschaft gedroht wird. Dennoch sollte vor allem ggü. jüngeren Schüler:innen keine Panik verbreitet werdet. Wichtig ist es, ihnen das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.
- Auf sich Acht geben: Viele Menschen fragen sich derzeit, ob es okay ist zu lachen, Spaß zu haben oder Freunde zu treffen, während mitten in Europa Krieg ausgebrochen ist. Beantworten Sie inbesondere gegenüber Kindern diese Frage eindeutig mit JA! Bei all den schlechten Nachrichten sollte man sehr bewusst darauf achten, wie es einem geht. Deshalb ist es gerade in diesen Zeiten wichtig, regelmäßige Nachrichtenpausen einzulegen und sich mit etwas abzulenken.
Für die pädagogisch gelenkte Ablenkung in Schulen bieten sich neben der "alltäglichen Stoffvermittlung" beispielsweise auch Plattformen für explizit positive Nachrichten an.
- Begriffe klären: In der Berichterstattung über den Krieg fallen viele komplizierte Begriffe. Nicht allen ist klar, was SWIFT, der NATO-Bündnisfall oder Separatisten sind. Versuchen Sie, wichtige Begriffe mit den Schüler:innen zu klären. Ein Beispiel hat der Jugendkanal der ARD funk auf Instagram gegeben (und mittlerweile durch eine zweite Version ergänzt). Ein umfangreiches Jugendlexikon zu Begriffen rund um Krieg und Frieden finden Sie auf der Seite der Initiative Frieden-Fragen.de.
Wenn auch Sie einen Begriff nicht auf Anhieb klären können, recherchieren Sie gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen und zeigen Sie Ihnen damit zeitgleich, wie man sich einen Begriff mithilfe des Internets erschließen kann.
Für den Grundschulbereich können die Impulskarten zum Ukraine-Konflikt des matobe-Verlages Gesprächsanlässe inszinieren. Das Material ist zwar kostenpflichtig, jedoch wird der Erlös vollstädnig für Hilfsgüter in die Ukraine gespendet. -
Quellen prüfen: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“ (Hiram Johnson)
Fragen Sie Ihre Schüler:innen, wie sie sich zum Krieg informieren. Machen Sie deutlich, dass zusätzlich zum konventionellen Kriegsgeschehen längst auch um die Informationshoheit im Netz gekämpft wird. Viele der derzeit über TikTok, Twitter und Instagram schnell verbreiteten Nachrichten, Bilder und Videos sind nicht gesichert und falsch. Falschmeldungen werden u.a. von Mimikama oder dem Faktencheck der Tagesschau kontinuierlich widerlegt. Allgemeine Tipps zum Prüfen von Quellen finden sich hier (Webhelm) oder hier (Tagesschau Faktenfinder). - Betroffenheit auffangen: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass persönlich betroffene Schüler:innen in Ihren Klassenzimmern sitzen. Sei es der eigene familiäre Hintergrund oder Bekannte und Freunde, so bestehen häufig persönliche Verbindungen nach Russland oder der Ukraine. Diese Betroffenheit sollte unbedingt berücksichtigt werden. Schüler:innen sollten nicht direkt angesprochen ("Was sagst DU denn dazu") oder als exemplarische Sprecher:innen ausgewählt werden. Vielmehr ist im Vorfeld sensibel zu klären, ob eine Thematisierung für sie in Ordnung ist und andernfalls Exit-Strategien und Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Dies ist im Übrigen auch ohne eine explizite Thematisierung des Krieges im Unterricht angebracht: Achten Sie auf die Betroffenheit und Verfassung der Kinder und Jugendlichen und arbeiten Sie ggf. mit Schulsozialarbeiter:innen oder externen Hilfsangeboten zusammen.
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Stigmatisierungen entgegentreten: Der Krieg in der Ukraine ist kein Krieg aller Russen. Machen Sie diskriminierende Äußerungen gegen einzelne Nationalitäten als solche sichtbar und verweisen Sie darauf, dass Generalisierungen und menschenverachtende Äußerungen und Abwertungen niemals - auch nicht in Kriegszeiten - tolerierbar sind.
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Ritualisieren: Bei großer Betroffenheit bzw. großem Interesse der Klasse zum Ukraine-Konflikt bietet sich eine ritualisierte Thematisierung an, um gemeinsam die Geschehnisse aufzuarbeiten und den Schüler:innen auch an folgenden Tagen die Möglichkeit zum Klären von Fragen zu geben. Möglichkeiten könnten sein, gemeinsam täglich die Tagesschau in 100s anzusehen und diese zu besprechen, oder die täglichen morgendlichen Zusammenfassung des Katapult-Magazins über die Ereignisse des letzten Tages als Grundlage zu nehmen. In Kontexten mit jüngeren Lernenden eignen sich auch Rituale wie das Anzünden einer Kerze am Morgen oder das gemeinsame Innehalten.
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Hintergründe beleuchten und den Konflikt analysieren
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Insbesondere in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern sollte abseits der allgemeinen Ratschläge natürlich auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Hintergründen und Kontexten des Krieges anstehen. Es ist wichtig, den Konflikt zu Kontextualisieren, ihn aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und für die Schüler:innen in angemessen Bezug zu setzen. Die JoDDiD hat dazu eine hilfreiche Grafik erstellt. Für die inhaltlichen Hintergründe bietet ZDFheute eine sehr gute Aufarbeitung, die auch im Unterricht genutzt werden kann. Unter Schüler:innen sehr wahrscheinlich bereits bekannt und sehr greifbar heruntergebrochen bietet Mirko Drotschmann (Mr. Wissen2Go) auf YouTube an. Diese Videos haben in den letzten Tagen bereits mehr als 5 Millionen Views erreicht und sind
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Für jüngere Kinder u.a. im Grundschulbereich bietet der Kindersender logo! die Hintergründe des Krieges sehr anschaulich dar. Auch die Sendung mit der Maus hat eine kindgrechte Internetseite zum Ukraine-Konflikt. Viele Lehrer:innen teilen auch ihre bereits erstellten Materialien zum und Erfahrungen beim Besprechen des Konflikts. Eines von vielen Beispielen ist Michael Elberth - Doodleteacher. Weitere Links finden Sie am Ende dieses Beitrags.
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Methodisch bietet sich die Konfliktanalyse nach Giesecke an. Dies hat die JoDDiD ebenso in einer Grafik verbildlicht.
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Ebenso ist das Thema "Flucht" dringender denn je zu thematisieren. Darüber lassen sich im Internet bereits viele Bildungsmaterialien finden. Eins davon ist die Übung "Einen Koffer packen" der Berghof Foundation.
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Schulleiter:innen
- Kollegium Ermutigen: Viele Lehrer:innen fühlen sich unsicher, ob sie aktuelle Nachrichten im Unterricht thematisieren sollten. Schulleiter:innen können über eine Rundmail oder in der Dienstberatung ihre Kolleg:innen explizit ermutigen, den Krieg zu thematisieren. Erfahrungen zeigen, dass durch die Ermutigung seitens der Schulleitung sich die Lehrer:innen wesentlich bestärkter und selbstsicherer in ihrer eigenen Haltung sind. Sächsische Schulen/Schulleitungen erhielten dazu auch einen ermutigenden Schulleiterbrief vom 26.02.2022 bzw. den öffentlichen Aufruf des sächsischen Kultusministers Herrn Piwarz.
- Kollegialen Austausch schaffen: Auch unter uns Erwachsenen besteht Unsicherheit. Schaffen Sie wenn möglich ein Angebot zum Austausch. Hier können Sozial- oder Gemeinschaftskundelehrer:innen eingebunden und Ideen zur Thematisierung ausgetauscht werden. Ebenso können Lehrer:innen ihre Erfahrungen mit den Schüler:innen teilen und durch Absprachen darauf Acht geben, den Krieg nicht zu überthematisieren und dadurch erst recht Angst oder Panik zu verstärken bzw. das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen zu trüben (siehe oben).
- Transparenz schaffen: Seien Sie transparent gegenüber Eltern und schildern Sie diesen, dass Ihre Schule den Krieg in der Ukraine mit den Kindern und Jugendlichen thematisiert. Machen Sie das Angebot, dass auch Eltern gerne Vorschläge für gemeinsame Solidaritätsbekundungen oder Hilfsaktionen machen dürfen. Außerdem zeigen Sie damit, dass Schule das aktuelle Weltgeschehen und die Betroffenheit der Kinder und Jugendlichen ernst nimmt. Zudem können Sie die Unsicherheit von Elternhäusern lindern, den Krieg mit ihren eigenen Kindern angemessen aufzuarbeiten.
Schulgemeinschaft
Um der gefühlten Hilflosigkeit entgegenzutreten bietet es sich an, gemeinsam mit den Schüler:innen und Lehrer:innen zu überlegen, wie man als Schulgemeinschaft tätig werden kann. Hierbei sollten die Schüler:innen unbedingt eingebunden werden, bspw. über die Schülermitwirkungsgremien. Die Selbstwirksamkeitserfahrungen, die Kinder und Jugendlichen hier sammeln können, sind wertvoll im demokratischen Lernen aber auch in der Verarbeitung der Geschehnisse.
Einige Ideen wären folgende:
- selbst gestaltete Friedenstauben mit Aufschriften in vielen verschiedene Sprachen in den Klassenzimmer, Fenstern und Schulgebäude aufhängen
- Botschaften auf viele Stoffreste oder auf Papier an einem Seil schreiben und damit auf dem Schulhof oder im Schulgebäude eine Kette der Anteilnahme und persönlicher Botschaften bilden
- einen Kuchenbasar oder Flohmarkt organisieren, dessen Einnahmen an Hilfsorganisationen gespendet werden
- ein Flashmob bzw. lebendiges Bild auf dem Schulhof organisieren. Hier können ein Schriftzug, ein Herz, ein Peace-Zeichen o.ä. nachgestellt und von einem höheren Stockwerk aus fotografiert werden. Das erlebte und mit dem Foto sichtbar gewordene Zeichen der Solidarität vermittelt auch in der Schulgemeinschaft das Gefühl, dass man nicht als einziges von dem Krieg schockiert ist.
- das Klassenzimmer oder Schulgebäude in den Farben der EU oder der ukrainischen Landesflagge beleuchten
- eine gemeinsame Schweigeminute oder ein Gesprächsangebot mit Schüler:innenvertretern und Sozialarbeiter:innen organisieren
- eine Patenschaft oder Kooperation mit einer Schule oder Verein aus Russland, der Ukraine, Polen o.ä. versuchen herzustellen
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Dies sind nur erste Anregungen. Überlegen Sie gerne mit Ihren Schüler:innen und Elternvertreter:innen, ob und was Sie tun können. Wir freuen uns auch über weitere Ideen, die Sie uns gerne mitteilen können. Wir nehmen Sie an dieser Stelle mit auf.
Fragen, Zweifel und Antwortversuche
- Müssen Lehrer:innen nicht neutral bleiben?
Lehrer:innen müssen nicht neutral sein. Ganz im Gegenteil sind sie sogar verpflichtet für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Dazu gehört auch, Fragen um Frieden, Freiheit und Demokratie zu thematisieren und zu einer eigenen Haltung zu befähigen. In diesem Sinne ist das Einstehen für Frieden und freiheitlich-demokratische Werte kein Verstoß, sondern viel eher eine Aufgabe für die schulische Bildungsarbeit. Beiträge zu einem vermeintlichen "Neutralitätsgebot" finden Sie beispielsweise von Anja Besand ("Beutelsbach als Waffe") und Stefan Breuer ("Wie politische dürfen Lehrerinnen und Lehrer sein") zu einer anderen Kontroverse, aber mit verallgemeinerbaren Aussagen. Juristische Fallbeispiele und die konkrete Rechtslage dazu hat die Bundeszentrale für politische Bildung ebenso schon einmal aufgearbeitet.
- Was mache ich, wenn Schüler:innen Diplomatie und Verhandlungen nun prinzipiell als gescheiterte politische Handlungsoptionen ansehen?
Dass die bisherigen diplomatischen Bemühungen nicht erfolgreich liefen, ist kaum abzustreiten. Die grundsätzliche Ablehnung von Diplomatie kann man aber am besten mit der Kopfstandmethode begegnen. Fragen Sie: Wie sehe internationale Politik ohne Diplomatie denn aus? Sollen alle Fragen und Kontroversen zukünftig mit militärischer Abschreckung versucht werden zu lösen?
Außerdem wären ohne Diplomatie und hintergründigen Verhandlungen die aktuell konzertierten Sanktionen der Weltgemeinschaft nicht denkbar. Ob also am Ende das Recht des Stärkeren oder die Stärke des Rechts gewinnt, ist noch nicht beantwortet. Die schon jetzt tragischen Folge durch das Schaffen von Realitäten mittels militärischer Gewalt werden aber sicher auch Konsequenzen für die zukünftige Zusammenarbeit und Politik auf internationaler Ebene haben.
- Ich bin kein:e ausgebildete:r Politiklehrer:in. Warum und wie soll ich die Fragen und Ängste der Kinder und Jugendlichen in meinem Chemie/Mathe/Musik... Unterricht aufgreifen?
Wie bereits in den ersten Hinweisen am Anfang des Beitrags erwähnt ist es zuvorderst wichtig, den Schüler:innen Raum und Zeit zu geben, über ihre Fragen, Gefühle und Eindrücke zu den Geschehnissen in der Ukraine zu sprechen. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, alle Fragen beantworten zu müssen oder politische Lösungsmöglichkeiten parat zu haben. Zeigen Sie den Schüler:innen erst einmal, dass es Sie genauso beschäftigt und helfen Sie dabei, den Konflikt zu kontextualisieren und seriöse Quellen an die Hand zu geben.
- Wie gehe ich damit um, wenn Schüler:innen einen ukrainischen oder russischen Hintergrund haben oder beides in meiner Klasse vertreten ist?
Schüler:innen, die einen persönlichen Bezug zum aktuellen Konflikt haben, sollten besondere Berücksichtigung erfahren. Damit ist vor allem aber nicht gemeint, sie als stellvertrende Expert:innen für eine Seite zu benennen oder sie in der Diskussion in den Fokus zu rücken. Es gilt der Grundsatz eines "Betroffenenschutzes".
Vielmehr sollte auf eine ausgewogene Kontextualisierung geachtet (auch in Russland gibt es eine demokratische Opposition und oppositionelle Medien) und über eine gute Lehrer:in-Schüler:in-Beziehung im Vorfeld geklärt werden, ob die Thematisierung für die betroffenen Kinder und Jugendlichen ok ist. Auch bei einer Bejahung eben dieser Frage sollte dennoch jederzeit eine Rückzugsmöglichkeit vorhanden sein, damit Schüler:innen sich einer Diskussion auch enthalten können. Bei Fragen um Krieg, Leid und Terror ist dies umso mehr geboten.
Ebenso gebietet es sich, sensibel auf Dynamiken innerhalb der Schüler:innengemeinschaft zu blicken und etwaige Stigmatisierungen oder Ausgrenzungen wahrzunehmen bzw. entgegenzutreten. Die Unterscheidnug zwischen dem Staatsoberhaupt/politischen Entscheidungsgremien und der Länderbevölkerung ist hier überaus wichtig.
Die Frage wie man mit Betroffenen und deren Emotionen umgeht, ist jedoch keine neue. Auch rund um den Krieg in Syrien, in der Auseinandersetzung zwischen der Türkei und Kurd:innen, im Irak- oder Jemenkrieg, aber auch in Thematiserungen von religiösen Terrorismus stößt die politische Bildung unter Umständen Betroffenenperspektiven an. Hierzu haben David Jugel und Tina Hölzel einen Beitrag ("Da kannst du Freunde verlieren") veröffentlicht, der sich zum Selbststudium eignet.
- Einige Eltern möchten nicht, dass der Krieg im Unterricht thematisiert wird.
Die Einwände von Eltern sind zunächst einmal ernst zu nehmen und deren Hintergrund in Erfahrung zu bringen. Wenn es ihnen um die psychische Belastbarkeit und Verfasstheit des Kindes geht, ist dies ein wertvoller und unbedingt zu berücksichtigender Umstand. Hier sollten Rückzugsräume und Hilfsangebote unterbreitet und bei Thematisierungen von Krieg und Flucht Rückzugsstrategien eingeplant werden.
Wenn es den Eltern jedoch um eigene Ansichten und politische Vorbehalte geht, können Sie auf den schulischen Bildungsauftrag zur Vermittlung von Frieden und politischen Verantwortungsbewusstsein verweisen. Demokratiebewusstsein und Mündigkeit gehören zuvorderst zu den Zielen schulischer Bildung, was nicht zuletzt auch das 'SchulleiterRundschreiben' in Sachsen und der öffentliche Aufruf des sächsischen Kultusminister Herrn Piwarz deutlich macht.
- Wie gehe ich mit Schüler:innen um, die den Krieg verherrlichen oder Putin als "starken Anführer" ansehen?
Fragen Sie bei solchen Ansichten nach einer angemessenen Begründung. Versuchen Sie nicht, die betreffenden Schüler:innen zu verurteilen, sondern entgegnen Sie ihnen mit demokratisch-liberalen Werten und seriös-geprüften Fakten. Völkerrechtsbrüche und die Verletzung staatlicher Grenzen sind außerdem keine Ansichtssache. Verweisen Sie auch auf historische Hintergründe und planen Sie gerne fächerverbindend eine tiefgreifendere Auseinandersetzung, um dem vorbereitet und inhaltlich zu begnen.
Viele weitere Fragen und Antworten hat das Deutsche Schulportal in einer Gesprächsveranstaltungen mit Schüler:innen, Lehrer:innen und dem YouTube Mirko Drotschmann (MrWissen2Go) gesammelt. Die Aufzeichnung und das FAQ dazu ist hier zu finden und sehr empfehlenswert.
Linksammlung zu Materialien und Informationsquellen
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Padlet des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg (sehr umfangreiche Materialsammlung)
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Taskcards zum Thema Ukraine im Unterricht (offene und kollaborative Linksammlung inkl. Veranstaltungshinweisen)
- Materialsammlung des Projekts "Migranten machen Schule" zur Frage, wie man mit geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Eltern über den Krieg reden kann
- Padlet der sächsischen Landeszentrale für politische Bild zur Veranstaltung "Was Schule bewegt - und plötzlich ist Krieg"
- Pädagogische Hinweise des Bildungsinstituts Rheinland-Pfalz zur Thematisierung von Krieg und Flucht im Unterricht
- kostenloses Unterrichtsmaterial von eduki (vor allem für jüngere Schüler:innen)
- Impulskarten zum Ukraine-Konflikt des matobe-Verlags (für den Grundschulbereich)
- Berichterstattung des Katapult-Magazins in Graphiken und Bildern (Live-Blog)
- Linksammlung des Fortbildungsanbieters fobizz
- flimmo Medienerziehung - Krieg in Europa
- Angebote und Materialien der John-Dewey-Forschungsstelle für Didaktik der Demokratie (JoDDiD) auf Facebook, Instagram und auf deren Internetseite
Ergänzungen, Hinweise und Rückfragen können Sie sehr gerne an Rico Lewerenz richten. Wir freuen uns über Ihre Anregungen!