Aufsuchende politische Bildung
Aufsuchende politische Bildung erfährt in jüngster Zeit eine deutlich Konjunktur. Politische Bildung soll dahin gehen wo es weh tut (was auch immer genau das heißen mag). Sie soll nicht darauf warten, dass die Menschen von alleine zu ihr finden. Politische Bildung soll raus auf's Land oder in die schwierigen Quartiere. Grundsätzlich ist das eine gute Idee. Aber wie alt ist die Idee der aufsuchenden politischen Bildung? Klaus Waldmann nimmt uns mit in die Archive und zeigt anhand vieler anschaulicher Beispiele frühe Formen aufsuchender politischer Jugendbildungsarbeit. Das ist spannend und hilft das Rad nicht immer neu zu erfinden - denn dafür haben wir in diesen zeiten keine Kraft.
Bevor es logeht:
Diese Folge ist mit ca. 45 Min etwas länger als üblich. Das kann bei einer historischen Folge schon mal nötig sein. Aber keine Sorge sie ist unterhaltsam und anschaulich und lebt von vielen beispielhaften Projektvorstellungen.
Die zentrale Frage ist:
Wie sahen frühe Formen aufsuchender politischer (Jugend-)Bldungsarbeit aus? Wie sind sie entstanden, welche Probleme wollten sie bearbeiten und vor allem: was lässt sich heute von diesen Erfahrungen lernen?
Wer spricht?
In dieser Folge stellt Klaus Waldmann das Ergebnis seiner Recherchen vor. Klaus Waldmann war lange Jahren Bundestutor der evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung. Er war Vorsitzender des Bundesausschuss politische Bildung und redaktioneller Leiter des Journals für politische Bildung. Jetzt ist er im Ruhestand und vergräbt sich gerne in Bildungsarchiven.
Manuskript zum Vortrag - für Menschen die gerne mitlesen
Literatur zur Vertiefung:
Aktionsgemeinschaft für Arbeiterfragen in Württemberg (: Bericht über Arbeitskreisschulungen. EZA 287 / 20 / 4
Beier, Peter (1984): „Vor Ort“ und „draußen“ – über das Zusammenspiel von Stadtteilarbeit und Bildungsstätte. In: Außerschulische Bildung. Zeitschrift der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. 15. Jg., Heft 3, S. 70-73.
Boll, Friedhelm (1995): Auf der Suche nach Demokratie. Britische und deutsche Jugendinitiativen in Niedersachsen nach 1945. Bonn.
Ermert, Axel (1996): Überlegungen zur Geschichte der evangelischen Industrie- und Sozialarbeit in den fünfziger Jahren. In: epd-Dokumentation 6/1996, Frankfurt/Main, S. 33-43.
Hüller, Monika; Schneider, Günther (1983): Die Hauptschülerarbeit im Augsburger „Info-Lad’n“. In: Steigerwald, Jutta; Waldmann, Klaus: „Was würdet Ihr ohne uns tun?“ Politische Jugendbildung und Berufsnot. Bad Boll, S. 30-40.
Ludwig, Felix unter Mitarbeit von Helmut Bremer (2019): Expertise Aufsuchende politische Bildung. https://aufsuchende-bildungsarbeit.arbeitundleben.de/material-links/expertise-felix-ludwig-prof-dr-helmut-bremer-universitaet-duisburg-essen-aufsuchende-politische-bildung
Projektgruppe „Frankfurter Berg“ (Roth, Roland u.a.) (1981): „Eigentlich hatten wir null Bock...“. Jugendbildungsarbeit im Stadtteil. Ein Praxisbericht. Frankfurt/New York.
Roth, Roland (1980): Möglichkeiten politischer Bildung im Stadtteil. In: Materialien zur Politischen Bildung. Sonderheft. S. 37-46.
Schlicht, Hans (1981): Mobile Jugendarbeit in Backesclubs. Ein Modell ländlicher Jugendarbeit. In: deutsche Jugend, 29.Jg., Heft 7, S. 310-317.
Waldmann, Klaus (1980): Stadtteilbezogene Clubarbeit in Stuttgart-Rot. In. Lenz, Wolfgang: Sozialarbeit und Politik. Politische Bildung mit arbeitslosen Jugendlichen. Bad Boll, S. 59-75.
Weller, Reinhold (o.J. (1965): Aufbau einer Bereichsarbeit. In: Heiner Hofmann im Auftrag der Evangelischen Trägergruppe für politische Bildung der nichtorganisierten Jugend, Bad Boll, S. 47-51.
In den folgenden vier Publikationen finden sich umfangreiche Hinweise auf weitere Projekte der aufsuchenden, mobilen politischen Jugendbildung:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2000): fit for politics. Projekte lebensweltorientierter politischer Jugendbildung. Redaktion: Uta-Maria Kern; Klaus Waldmann. Bonn. (Kurzbeschreibung zahlreicher Projekte: S. 99-165).
Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (Hg.) (1981): Modelle der Jugendarbeit bei der Bewältigung von Sozialisationsproblemen für junge Arbeitslose und Jugendliche, deren berufliche Integration erschwert ist. Schriftenreihe des BMJFG Band 96. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz.
Lenz, Wolfgang (1980): Sozialarbeit und Politik. Politische Bildung mit arbeitslosen Jugendlichen. Bad Boll.
Steigerwald, Jutta; Waldmann, Klaus (1983): „Was würdet Ihr ohne uns tun?“ Politische Jugendbildung und Berufsnot. Bad Boll.
Selbstüberpüfungsaufgaben:
Für die Nutzer:innen der Abendschule stellen wir zu jeder Lecture Selbstüberprüfungsaufgaben bereit. Diese Aufgaben können dazu dienen, den Beitrag noch einmal zu überdenken, gedanklich zu vertiefen oder - falls Sie ein Weiterbildungszertifikat erwerben wollen - sich auf die Klausur zum Kurs vorzubereiten.
Frage 1: Wie ging es ihnen beim hören dieses Stückes? Was ist ihnen in besonderer Weise aufgefallen? Was hat sie vielleicht irritiert oder gibt es Rückfragen die Sie an den Autor richten möchten?
Frage 2: Aufsuchende politische Bildung richtet sich stark an den Ideen von Fördermittelgeber_innen aus. Sie definieren im Regelfall an wen sich Bildungsangebote im speziellen richten sollten (das ist in diesem Stück sehr klar geworden). Historisch hat man sich offenbar große Sorgen um arbeitslose Jugendliche gemacht - heute ist das anders. Stellen Sie sich vor, sie könnten selbst Förderstrukturen gestalten. An welche (schwer erreichbare) Zielgruppen sollte sich ihrer Meinung nach politische Bildung heute oder zukünftig in besonderer Weise wenden und deshalb aussuchende Formate entwickeln. Wie kliese sich der Zugang zu der von ihnen ausgewählten (schwer erreichbaren) Zielgruppe finden?
Frage 3: Sind Sie vor 1990 geboren? Wenn ja dann versuchen Sie sich einmal an die Infrastruktur zu politischen Jugendbildung zu erinnern mit der sie als junger Mensch konfrontiert waren. Gab es Angebote wie die im Stück angesprochenen? Wie sahen die aus? Welche Bedeutung hatten diese Angebote für ihre Entwicklung? Inwiefern unterscheiden sich die Angebote ihrer Jugend von derzeitigen Angeboten? Was ist besser was ist schlechter geworden?
Frage 4: Stichwort "Ortsarbeit" - die Ortsarbeit scheint im Rahmen aufsuchender Formate eine wichtige Sache gewesen zu sein. Sie wurde in "informell dynamischen Gruppen" geleistet. Aus heutiger Sicht könnte man sagen: das war Peereducation at it's best. Wie sähe eine zeitgemäße Ortsarbeit aus und was müsste gewährleistet sein um sie mittelfristig sicherzustellen?
Frage 5: Der Fokus des Stückes ist auf Westdeutschland gerichtet. Über aufsuchende Bildungsangebote in der DDR wird hier so gut wie nichts gesagt. Dabei gab es sicher solche Angebote. Insbesondere die Industriesozialarbeit - die wir im Stück kennengelernt haben - war im Osten sehr viel weiter ausgebaut als im Westen. Was lässt sich über diese Formate erzählen und lernen? Wir wären sehr dankbar über diese Formate mehr Informationen zu erhalten.
Die Selbstüberprüfungsaufgaben sind als Reflexionsangebote zu verstehen und prüfen im Regelfall keine Wissensbestände. Sie sind immer stark auf die entsprechende Lecture bezogen und unterscheiden sich deshalb deutlich.