Politische Bildung mit Gefühl
Worum geht es?
Nachdem sich sowohl Politik als auch politische Bildung lange Zeit kaum mit Emotionen beschäftigt haben, avancieren diese in jüngster Zeit zu einem Zentralbegriff der Debatte der beiden Felder. Alle reden plötzlich über das Verhältnis von Politik und Emotionen. Es geht um politische Ängste, um Wut und Verzweiflung, um Hass und Neid. Schon an der Auswahl dieser Beschreibungsbegriffe lässt sich ablesen, dass Emotionen trotz ihrer nicht unerheblichen Konjunktur in politischen Kontexten keineswegs gefeiert, sondern noch immer als pathologische Erscheinungen wahrgenommen werden. Aber immerhin scheinen Emotionen plötzlich eine nicht unerhebliche Bedeutung zu erhalten. Angst oder Hass – so entsteht der Eindruck – haben die Kraft, Menschen widerholt auf die Straße zu holen und das politische Parteiengefüge nachhaltig zu verändern. Kein Wunder also, dass auch die politische Bildung in diesem Zusammenhang auf den Platz gerufen wird und diese neue (?) Dimension politischer Wahrnehmung und Auseinandersetzung adressieren, oder kurz: in den Griff bekommen soll. Aber wie lässt sich das Verhältnis der politischen Bildung zu Emotionen überhaupt beschreiben? Wie kompetent ist die politische Bildung, die hier aufgeworfenen Fragestellungen angemessen zu adressieren und welche Strategien sind in diesem Zusammenhang erfolgversprechend?
Literatur zur weiteren Vertiefung:
Arnold, Rolf (2005): Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit. Beiträge zu einer emotionspädagogischen Erwachsenenbildung, Baltmannsweiler.
Besand, Anja/ Overwien, Bernd/ Zorn, Peter (Hrsg.) (2019): Politische Bildung mit Gefühl, Bonn.
Besand, Anja (2016): Zum Verhältnis von Emotionalität und Professionalität in der politischen Bildung. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Ideologien der Ungleichwertigkeit. Berlin, S. 77-83. online verfügbar
Brauer, Juliane/ Lücke, Martin (Hrsg.) (2013): Emotionen, Geschichte und historisches Lernen. Geschichtsdidaktische und geschichtskulturelle Perspektiven, Göttingen. Datenbankeintrag der Transferstelle politische Bildung online verfügbar
Breit, Gotthard (2016): Mit Leidenschaft und Augendmaß zugleich. Zum Spannungsverhältnis von Rationalität und Emotionalität im Politikunterricht, Schwalbach/Ts.
Holzapfel, Günther (2018): Gefühle als Erkenntnisinstanz. In: Zeitschrift Junge.Kirche. Schwerpunktheft Politik und Gefühl. H. 3, S. 46-47.
Oeftering, Tonio/ Uhl, Herbert (2017): Emotionen und politisches Lernen. In: Lange, Dirk/ V. Reinhardt (Hrsg.): Konzeptionen, Strategien und Inhaltsfelder Politischer Bildung. Basiswissen politische Bildung: Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Bd. 1, Baltmannsweiler, S. 560-575.
Petri, Annette (2018): Emotionssensiber Politikunterricht. Konsequenzen aus der Emotionsforschung für Theorie und Praxis politischer Bildung, Frankfurt/M.
Schröder, Achim (2017): Emotionalisierung der Politik und Autoritarismus. Herausforderungen für die gegenwärtige politische Bildung. online verfügbar
Weber-Stein, Florian (2017): Die affektive Dimension des hermeneutischen Zirkels: Emotionale Bedingungsfaktoren der politischen Werturteilsbildung. In: zeitschrift für didaktik der gesellschaftswissenschaften, 7. Jg., H. 1, S. 54-73.
Selbstüberprüfungaufgaben
Frage 1: Warum hat die politische Bildung in Deutschland eigentlich so große Probleme sich auf Emotionen einzulassen?
Frage 2: Emotionen als Ausgangspunkt von politischen Bildungsprozessen zu nutzen ist relativ leicht vorstellbar – aber kann die Generation bestimmter Emotionen auch Ziel von Bildungsprozessen sein? An welche Emotionen wäre hier möglicherweise zu denken und wie lassen sie sich fördern? Bzw. Welche Gefahren ergeben sich in diesem Zusammenhang?
Frage 3: Mit dem Beutelsbacher Konsens werden wir in der politischen Bildung davor gewart Lernende bei der Entwicklung eigener Urteile nicht zu überwältigen. In welchem Verhältnis steht diese Warnung zu der Forderung Emotionen in Bildungsprozessen ernst zu nehmen und wie sähe eine Verteidigungsstrategie gegen den Überwältigungsvorwurf aus?
Frage 4: Wie sähe eine emotionssensible politische Bildung ihrer Meinung nach aus? Skizzieren Sie eine Projektidee!