Wintersemester 2015/2016
Benjamin Behschnitt, M.A. |
Seminar: Der Einfluss des Bundesverfassungsgerichts auf die Außenpolitik |
Anna Lena Hemmer, M.A. | Seminar: Politische Metaphorik (POL-WO-Forschung) Mittwoch (3) 11:10-12:40, BEY/149/U |
Seminar: Der Einfluss des Bundesverfassungsgerichts auf die Außenpolitik
(POL-WO-Forschung)
Benjamin Behschnitt, M.A.
Montag (2) 9:20-10:50 Uhr, BZW/A153
Mit den Worten „Er würde den ganzen Verfassungsgerichtshof eigenständig in die Luft sprengen“ äußerte in den 1950er Jahren der damalige Bundesjustizminister Thomas Dehler seinen Unmut über die aus Sicht der Bundesregierung unbotmäßige Einflussnahme des Bundesverfassungsgerichts auf die Westpolitik der Bundesregierung. Kanzler Adenauer bezeichnete das Gericht in anderem Zusammenhang sogar als „Diktator Deutschlands“. Seitdem sind über 70 Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht ergangen, die sich mit Außenpolitik im weitesten Sinne - worunter auch die Europapolitik als besonderer Fall der Außenpolitik fällt - befassen. Heute schließlich ist die 90 Frage nach der Rolle des Bundesverfassungsgerichts in der deutschen Außenpolitik angesichts der unklaren Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise so aktuell wie nie.
Wie in den Eingangszitaten aus der Gründungszeit der Bundesrepublik angedeutet, stellt sich seit jeher bei Gerichtsentscheidungen mit außenpolitischem Bezug die Frage, inwieweit das Bundesverfassungsgericht, dessen originäre Aufgabe es ist, Recht zu sprechen, auf die Politischste aller Politiken – die Außenpolitik, Einfluss nehmen darf. Denn eine politische Einflussnahme ist nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung der auswärtigen Gewalt nicht vorgesehen. Hiernach ist die Außenpolitik grundsätzlich die Domäne der Exekutive und allenfalls in bestimmten Situationen betreibt sie diese zusammen mit dem Parlament als kombinierte Gewalt. Doch in der Realität verfassungsgerichtlicher Entscheidungen scheinen sich diese Grundsätze zunehmend aufzulösen. So haben rechtliche Vorgaben des Gerichts immer öfter außenpolitische Auswirkungen. Mehr und mehr scheint das Gericht dadurch aus einer Rolle des rechtlichen Kontrolleurs der auswärtigen Gewalt in eine Rolle des außenpolitischen Akteurs zu verfallen.
Anhand der Untersuchung zentraler Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Außen- und Europapolitik soll im Seminar der Frage nachgegangen werden wie das Gericht Einfluss auf diese Politikbereiche nimmt und welche Folgen dies für die Entscheidungsprozesse und -inhalte deutscher Außenpolitik hat. Die Herangehensweise des Seminars ist dabei interdisziplinär angelegt. So sollen die Entscheidungen nicht nur juristisch untersucht, sondern auch in ihren historisch-politischen Kontext eingeordnet werden. Am Ende soll die Erarbeitung einer politikwissenschaftlichen Theorie zur Einflussnahme des Bundesverfassungsgerichts auf die Außenpolitik stehen.
Kenntnisse des Staats-, Europa- und Völkerrechts sind für die Teilnahme am Seminar nicht zwingend erforderlich. Sie werden bedarfsorientiert in den Sitzungen gemeinsam erarbeitet.
Literatur: Benda, Ernst, Deutsche Außenpolitik vor Gericht. Bundesverfassungsgericht und auswärtige Gewalt, in: Internationale Politik 12 (1995), S. 39-46; Hailbronner, Kay, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 56, Berlin/New York 1997, S. 7-37; Höreth, Marcus, Wenn Richter mitregieren wollen: Selbstautorisierung beim BVerfG und dem EuGH im Vergleich, in: van Ooyen, Robert Christian/Möllers, Martin H.W. (Hrsg.), Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System, 2. Aufl., Wiesbaden 2015, S. 875-887; Lhotta, Roland/Ketelhut, Jörn, Bundesverfassungsgericht und Europäische Integration, in: van Ooyen, Robert Christian/Möllers, Martin H.W. (Hrsg.), Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System, 2. Aufl., Wiesbaden 2015, S. 845-874; van Ooyen, Robert Christian, Das Bundesverfassungsgericht als außen- und sicherheitspolitischer Akteur. Etatistische Regierungsdomänen à la Hobbes/Locke und „kalte“ Verfassungsänderungen beim Aus-(und In)landseinsatz der Bundeswehr, in: Ders./Möllers, Martin H.W. (Hrsg.), Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System, 2. Aufl., Wiesbaden 2015, S. 665-692; Wolfrum, Rüdiger, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 56, Berlin/New York 1997, S. 38-66.
Seminar: Politische Metaphorik
(POL-WO-Forschung)
Anna Lena Hemmer, M.A.
Mittwoch (3) 11:10-12:40, BEY/149/U
Auf den ersten Blick widersprechen Metaphern dem Gebot der Klarheit und Präzision der Begriffe in der Wissenschaft. Folgt man René Descartes dürften Metaphern in einem Wissenschaftsprogramm nicht vorkommen: Die erste Regel seines Discourse de la Méthode (1637) lautet: Der Wissenschaftler dürfe über nichts urteilen, was sich nicht so klar und deutlich darstelle, dass man keinen Anlass hätte daran zu zweifeln. Aus dieser Sicht ist die Verwendung von Metaphern in der Politikwissenschaft eher als defizitäre Wissenschaftsbetreibung einzuschätzen. Dabei fällt auf: Die Forderung nach begrifflicher Präzision ist selbst eine Metapher: Das Wort „Begriff“ leitet sich von dem Bild einer greifenden Hand ab. „Begreifen“ wird meist synonym zu „verstehen“ verwendet. „Präzision“ bezieht sich auf das Bild eines Stocks der spitz zugeschnitten, d.h. vorn beschnitten (Praecisus) ist. Keine Wissenschaft scheint ohne die Verwendung von Metaphern auszukommen. Hier stellt die Politikwissenschaft keine Ausnahme dar: Die politische Philosophie bedient sich gerne und häufig metaphorischer Sprache. Beispiele wären die Idee des Leviathans und des Naturzustandes bei Thomas Hobbes, Brüderlichkeit in der französischen Revolution, die Vertragsvorstellungen bei Locke aber auch die Lichtmetaphorik der Aufklärung und der Freund-Feind-Antagonismus bei Schmitt.
Das Seminar beschäftigt sich zunächst mit der Frage, wie die Metapher jenseits der Rhetorik zu verstehen ist, um sich dann exemplarisch der Analyse unterschiedlicher Ordnungs-Metaphern zuzuwenden. Von der Betrachtung des Staatskörpers als klassischer Variante politischer Metaphorik ausgehend, werden andere Metaphern und damit andere Ordnungskonzeptionen in den Blick genommen. Am Ende des Seminars steht die Frage nach zukünftigen Metaphern des Politischen: Welche Metapher hat auch zukünftig das Zeug dazu, politisches Denken und Handeln zu formen?