Schwerpunkt der Forschungsarbeit
Individuelle Behandlung in Übereinstimmung mit der neuesten Forschung
Wie hängt Diabetes mit Stress und Depression zusammen?
Vergleichbar mit Diabetes mellitus sind auch andere lebensstilabhängige Leiden wie Stress und stressbedingte Krankheiten im Aufstieg begriffen. Kortisol ist ein wichtiges, von der Nebenniere produziertes Hormon, welches vor allem dazu dient, den Stoffwechsel des Organismus in Antwort auf stressvolle Reize anzupassen. Dies resultiert in der schnellen Mobilisierung von Energieressourcen, die zur Bewältigung der Herausforderung benötigt werden. Permanente Überproduktion von Kortisol kann jedoch auch negative Konsequenzen hervorrufen, wie Verlust von Muskelmasse und Beeinträchtigungen des Glukosestoffwechsels, deren Spektrum sich von erhöhten Blutzuckerkonzentrationen bis hin zu Diabetes mellitus erstreckt. Des Weiteren wird die Behandlung mit Antidepressiva oft mit Stoffwechselanomalien in Verbindung gebracht, die vor allem der oft beobachteten Gewichtszunahme von mit Antidepressiva behandelten Patienten geschuldet sind. Zusammenfassend haben die hormonalen und metabolischen Veränderungen, die mit Stress, Depression und Diabetes in Verbindung stehen, viel Interessantes gemeinsam.
Wie hängt Diabetes mit Ernährung und dem Mikrobiom zusammen?
Der Schwerpunkt eines im Dresdner Diabeteszentrum durchgeführten Forschungsprojekts liegt derzeit auf dem Metagenom adipöser Patienten mit Typ-2-Diabetes, die sich einer Magenbypass-Operation unterzogen haben. Interessanterweise kann bei diesen Patienten meist schon kurz nach der Operation eine dramatische Verbesserung des Glukosestoffwechsels beobachtet werden, sogar noch vor einem Gewichtsverlust. In einer Teststudie analysierte die Dresdner Gruppe das Metagenom im Darm von Patienten vor und 3 Monate nach Magenbypass-Operationen. Interessanterweise stellte sich heraus, dass das Metagenom sich in allen betrachteten Patienten rapide von einem mit hohem Diabetesrisiko assoziierten Muster zu einem weniger risikoreichen wandelte. Damit bot diese Studie den ersten Beweis für die essenzielle Rolle der Darmflora bei den antidiabetischen Wirkungen von Magenbypass-Operationen. In der nahen Zukunft können weitere aufregende und bedeutende Erkenntnisse von diesem neuen Forschungsfeld erwartet werden und wir beginnen gerade erst, die umfassende Rolle der Darmflora in Bezug auf menschliche Gesundheit und Krankheit zu verstehen. Auf lange Sicht ist es das Ziel von Professor Bornstein und seinem Team, metagenombasierte Ansätze zur Entwicklung neuartiger Strategien für die Prävention und Behandlung von Diabetes zu erschließen.
Hat Diabetes einen genetischen Hintergrund?
Diabetes ist eine Krankheit, zu der viele Faktoren beitragen, und vor allem die kürzlich erfolgten genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) haben eine mehr oder weniger starke Verbindung zwischen einigen Genen und dem Risiko, Typ-2-Diabetes zu entwickeln, enthüllt. Zum Beispiel wurde TCF7L2 als das Gen identifiziert, mit dem das größte Risiko der Entwicklung von Typ-2-Diabetes verbunden wird. Jedoch sind die Verhältnisse noch viel komplizierter, da eine Vielzahl anderer, größtenteils noch unbekannter Faktoren maßgeblich an der Regulierung der Genexpression beteiligt sind. Diese sogenannten epigenetischen Faktoren können ihren Ursprung in der Umwelt oder Mikroben haben und stehen im Verdacht, die wahren Risikodeterminanten zu sein, die für das Zusammenspiel verschiedener Gene, welches in der Risikokonstellation des Einzelnen resultiert, verantwortlich sind.
Wie können wir Diabetes heilen? - Ein Paradigmenwechsel
Die Transplantation ganzer Bauchspeicheldrüsen und pankreatische Inselzelltransplantation sind derzeit die einzigen verfügbaren Möglichkeiten, um die insulinproduzierenden Betazellen in Patienten zu ersetzen. Beide therapeutischen Optionen können eine gute Kontrolle von Diabetes herstellen und diabetische Komplikationen verhindern oder stabilisieren. Die insulinproduzierenden Zellen werden der Pankreas (Spenderorgan) entnommen, gereinigt, und dann durch einen kleinen Bauchschnitt in die Blutgefäße der Leber des diabetischen Patienten (Empfänger) injiziert. Die pankreatischen Inselzellen siedeln sich in der Leber an und beginnen, den Patienten mit Insulin zu versorgen. 2008 begann das Dresdner Diabeteszentrum erfolgreich ein Inselzelltransplantationsprogramm zur Behandlung von Typ-1-Diabetes. Das vorrangige Ziel dieser therapeutischen Option liegt in verbesserter Stoffwechselkontrolle, Verhinderung schwerer Komplikationen und signifikanter Verbesserung der Lebensqualität. Jedoch kommen Zell- und Organtransplantationen im Allgemeinem zum Preis permanenter Immunsuppression, wodurch die Patienten anfällig für Infektionen und andere potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen werden. Aus diesem Grunde ist diese Therapieform nur bei einem kleinen Teil der Diabetespatienten anwendbar, die eine Anzahl spezifischer Kriterien erfüllen müssen. In dieser Situation werden neuartige Therapiemöglichkeiten dringend gebraucht. Eine neue, visionäre Entwicklung könnte bald Wirklichkeit werden: Die Dresdner Wissenschaftler untersuchen derzeit eine kleine, insulinproduzierende Zellen enthaltende Kapsel, die ursprünglich in Israel entwickelt wurde. Dieser Bioreaktor ist als implantierbare Einheit konzipiert, die als künstliches Inselorgan zur Versorgung diabetischer Patienten mit Insulin funktioniert. Der einzigartige Vorteil dieser neuartigen Technik liegt darin, dass sie die Spenderzellen wirksam vom Immunsystem des Empfängers trennt und damit die traditionelle immunsuppressive Therapie vollkommen entbehrlich macht.
Wie können wir Diabetes verhindern?
Typ-2-Diabetes ist die weitverbreitetste Stoffwechselkrankheit der Welt. Derzeit erfahren wir mit mehr als 6% der erwachsenen Weltbevölkerung einen epidemischen Anstieg an Patienten, die an Typ-2-Diabetes leiden. Das Dresdner Diabeteszentrum hat die europaweit erste Professur für Forschung zu Prävention und Behandlung von Diabetes eingeführt und bietet spezialisierte und individuell angepasste Programme, deren Ziel eine frühe Erkennung und potenzielle Prävention der Krankheit darstellt. Auch die erste europäische Richtlinie für Diabetesprävention und Trainingsprogramme, um zertifizierte Präventionsmanager auszubilden, wurden vom Dresdner Diabeteskompetenzzentrum entwickelt. Dieses Konzept wird heute in mehr als 20 Ländern der Europäischen Union angewendet und wurde auch in die praktische Diabetesbehandlung eingeführt.
Etablierung einer neuen International Research Training Group
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im Sommer 2024 die Einrichtung eines neuen Internationalen Graduiertenkollegs ('IRTG') mit dem Titel „Metabolic and Endocrine Drivers of Infection Susceptibility“ (MEDIS) unter der Leitung der Technischen Universität Dresden (TUD) in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der Universität Zürich bewilligt. Prof. Stefan Bornstein, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Zentrum für Innere Medizin Carl Gustav Carus der TUD und transCampus-Dekan, ist Sprecher dieser Gruppe. Das IRTG Dresden-Zürich, das eine Erweiterung der erfolgreichen transCampus-Initiative darstellt, konzentriert sich auf hochaktuelle Forschungsthemen zu den metabolischen und endokrinen Einflüssen auf Infektionskrankheiten. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, entscheidende Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Stoffwechselerkrankungen und Infektionen zu gewinnen, die zu innovativen Präventions- und Behandlungsstrategien für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes führen können.
Diese strategische internationale Partnerschaft zielt darauf ab, unser Verständnis der Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten zu vertiefen und eine neue Generation von qualifizierten Ärzten und Wissenschaftlern heranzubilden, die die Zukunft der medizinischen Forschung und des Gesundheitswesens gestalten werden.