28.05.2019
An der TUD ausgebildet – im Ausland Experten für die berufliche Bildung
Das erfolgreiche duale Berufsbildungssystem Deutschlands lässt sich nicht einfach in andere Länder »exportieren«
Beate Diederichs
»Vocational Education and Personnel Capacity Building« ist ein Masterstudiengang, der am Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken der TUD angesiedelt ist. Er richtet sich vor allem an Studenten aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Diese sollen nach Studienabschluss in ihrer Heimat helfen, ein Berufsbildungssystem aufzubauen, das deutsches Know-how nutzt, aber sich nach den Erfordernissen des jeweiligen Landes richtet. »Ein funktionierendes Berufsbildungssystem bekämpft die Armut, fördert die Wirtschaft und wirkt so nachhaltig«, sagt Dr. Steffen Kersten, der wissenschaftliche Koordinator des Studiengangs. Er arbeitet am Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken der Fakultät Erziehungswissenschaften und koordiniert den Studiengang seit seiner Gründung im Jahr 1996 gemeinsam mit dem 2016 emeritierten Prof. Hanno Hortsch.
Das deutsche System der Berufsbildung, auch duales System genannt, gilt zu Recht als wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Zahlreiche Länder orientieren sich daran, wenn sie ihr eigenes Berufsbildungssystem verbessern wollen. »Viele Menschen wissen jedoch nicht, dass ›dual‹ dabei weniger für die Kombination aus praktischer Ausbildung im Betrieb und theoretischer Ausbildung an der Berufsschule steht als dafür, dass Wirtschaft und Staat sich die Hoheit über die Ausbildung teilen«, so Dr. Steffen Kersten. Da es die Gewaltenteilung in dieser Form nur in Deutschland gebe, könne man das deutsche Berufsbildungssystem nicht unverändert auf ein anderes Land übertragen. »Es lässt sich nicht eins zu eins ins Ausland exportieren. China zum Beispiel ist zentralistisch organisiert. Dort würde unser System nicht funktionieren.« Dennoch spricht nichts dagegen, deutsches Berufsbildungs-Know-how an Studenten zu vermitteln, die aus Schwellen- und Entwicklungsländern stammen, damit diese ihre Kenntnisse nach Studienabschluss dort nutzen, um ein tragfähiges Berufsbildungssystem mit aufzubauen.
Die Ziele des Studiengangs haben sich seitdem wenig geändert, einige seiner Merkmale schon. 1996 entstand er unter dem Namen »Berufs- und Erwachsenenpädagogik in der internationalen Entwicklungsarbeit«. Zehn Jahre später wurde er im Zuge der Bologna-Reform modularisiert und erhielt seinen englischen Namen. »Wir haben dem Studiengang, übrigens Sachsens erstem Masterstudiengang, die englische Bezeichnung gegeben, weil er so greifbarer für unsere internationale Klientel ist«, erläutert Steffen Kersten. Unterrichtssprache ist aber Deutsch, das die Interessenten auf C1-Niveau des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen beherrschen müssen. Zusätzlich benötigen sie einen in Deutschland anerkannten ersten Studienabschluss, damit ihre Bewerbung den formalen Anforderungen genügt. Die potenziellen Studenten können sich beim DAAD (dem Deutschen Akademischen Austauschdienst) um ein Stipendium innerhalb des EPOS-Programms (eines Programms für entwicklungsbezogene postgraduale Studiengänge) bewerben. Dann bekommen sie eine finanzielle Beihilfe für die Lebenshaltungskosten und sind von den Studiengebühren in Höhe von 2000 Euro befreit. »Neben den Stipendiaten gibt es viele Selbstzahler, vor allem chinesische Studenten, die sich für die englischsprachige Version des Studiengangs einschreiben, den TUDFaCE anbietet, das TUD Institute for Further and Continuing Education«, berichtet Steffen Kersten. Vor einem reichlichen Jahr wurde der Studiengang reakkreditiert. Er umfasst 14 Module. Die deutschsprachige Version haben bisher 269 junge Frauen und Männer erfolgreich abgeschlossen, die aus 54 Ländern stammen. Zur geringen Abbruchquote von derzeit drei Prozent trägt auch bei, dass die Studiengangstutorin Kornelia Klöber die Studenten umfassend betreut: Sie erstellt ihre Studienpläne, begleitet die Teilnehmer bei Behördengängen und bietet Lehrveranstaltungen zur deutschen Kultur an.
Auch nach Abschluss der Absolventen kümmert sich die Universität um sie: Steffen Kersten pflegt ein umfangreiches Alumni-Netzwerk und reist oft in die Herkunftsländer der Ehemaligen, um zu erfahren, was diese vor Ort tun. »Zusammengefasst kann man sagen: Wir bilden Experten aus, die berufliche Bildung in ihren Heimatländern gestalten sollen. Das sind eher keine Berufsschullehrer, sondern Leute, die an wichtigen Schnittstellen in Ministerien, Hochschulen oder Entwicklungsprojekten eingesetzt sind. Die Selbstzahler gehen oft in die Wirtschaft, beispielsweise in die Personalentwicklung, weil es dort in der Regel das meiste Geld zu verdienen gibt«, ist Kerstens Erfahrung. Die verschiedenen Module bereiten auf alle diese Tätigkeiten vor: Denn die Kenntnisse aus »Psychologie des Lernens«, »Bildungstechnologie« oder »Analyse von Forschung, Produktion und Bildung«, das Steffen Kersten selbst lehrt, sind vielfältig einsetzbar. Dies beweisen Mokaddam Abdullaeva aus Usbekistan und Zaki Abdolrab aus dem Jemen. Die Usbekin möchte gerne nach dem Abschluss im Projektmanagement eines Autokonzerns arbeiten, der Jemenit, der vor seinem Studium in Dresden als Deutschlehrer an einer Hochschule tätig war, würde gern an der Schnittstelle zwischen Schul- und Berufsbildung in seinem Heimatland wirken. »Die berufliche Bildung im Jemen ist wie in vielen Ländern nicht systematisch organisiert. Daher möchte ich mich vom deutschen System inspirieren lassen und Schülern gezielt bei der Berufsorientierung helfen«, erzählt der Student. Steffen Kersten gibt zu bedenken, dass jeder Rückkehrer die speziellen Gegebenheiten seiner Heimat beachten muss: »Wir pflegen eine besonders langjährige Zusammenarbeit mit vielen ostasiatischen Ländern und kennen diese daher gut. Daher wissen wir, dass man zum Beispiel bei Myanmar die länderspezifischen Produktionsstrukturen kennen sollte: Dort wird noch viel in Manufakturen gearbeitet. Die Berufsausbildung muss sich dem anpassen.« Bei einem anderen asiatischen Land, Vietnam, hat sich ein Kreis geschlossen, der sich bereits zu DDR-Zeiten geöffnet hatte: »Bis zur Wende bildeten wir hier vietnamesische Fachschullehrer berufspädagogisch aus. Nun haben wir in Vietnam einen Studiengang nach dem Vorbild des unseren etabliert. Er läuft seit 2007 in vietnamesischer Verantwortung«, sagt Steffen Kersten stolz.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 10/2019 vom 28. Mai 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.