24.07.2007
Preis und Patent für "chaotische Beatmung" von Intensivpatienten
Um Intensivpatienten so schonend wie möglich zu beatmen und frühzeitig wieder selbstständig atmen zu lassen, entwickelte ein Wissenschaftlerteam an der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie (Direktorin: Prof. Thea Koch) des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus ein neues Beatmungskonzept. Dabei wird der Druck, mit dem das Beatmungsgerät die Atembemühungen unterstützt, von Atemzug zu Atemzug variiert. Auf diese Weise verhindert das innovative Konzept die Beeinträchtigung des natürlichen Atemrhythmus´ intensivmedizinisch betreuter Patienten. Für diese Arbeit erhielt PD Dr. Gama de Abreu, Leiter des Forscherteams, den "Research Grant Award" der European Society of Anaesthesiology. Darüber hinaus sicherte sich die Klinik ein Patent für das Konzept.
Biologische Systeme funktionieren nicht in der Regelmäßigkeit einer Mechanik. Vielmehr unterliegen sie einer von innen her kommenden - intrinsischen - Variabilität. Auch die spontane Atmung gesunder Menschen ist geprägt von einer kontinuierlichen Variation der Frequenz und des Volumens einzelner Atemzüge. Wird die Atmung bei einem schwer kranken Menschen durch ein Beatmungsgerät unterstützt, beeinträchtigt dies unter anderem auch die intrinsische Variabilität. Damit wird es in vielen Fällen schwieriger, die Patienten von der assistierten Beatmung zu entwöhnen. Dennoch stehen dem behandelnden Arzt in diesem Fall bisher fast ausschließlich monotone Beatmungsmodi zur Verfügung, also Beatmungsformen, die sich durch starre respiratorische Frequenzen und Atemzugvolumina auszeichnen.
Die Dresdner Forscher griffen die Erkenntnis auf, dass zufallsvariierte Volumina von Atemzügen die Aufnahme von Sauerstoff durch die Lunge verbessern. Zudem ist das Ausmaß der Variabilität von entscheidender Bedeutung. Ziel der Forschungen war es, diese Variationen weder auf der Basis rein mathematischer Modelle zu generieren noch aufgezeichnete Atemmuster gesunder Probanden als Grundlage zu nehmen. Ein weiterer Mangel dieser bereits etablierten Formen der variablen Beatmung ist, dass sie bisher nur am vollständig narkotisierten Patienten angewendet wird. In den letzten Jahren stellte sich jedoch heraus, dass Intensivpatienten insbesondere von einer maschinellen Unterstützung ihrer Spontanatmung (assistierte Beatmung) profitieren.
Die Dresdner Forscher setzten sich deshalb das Ziel, beide Therapieansätze - die Variation der Beatmung und die Unterstützung der Spontanatmung - in Form der "noisy pressure support ventilation" (noisy PSV) zu vereinen: Das Grundprinzip basiert auf der Anwendung unterschiedlich hoher Druckunterstützungsniveaus, welche unabhängig von der Atemanstrengung des Patienten verabreicht werden. Bei festgelegtem mittleren Unterstützungsdruck und dessen vordefinierter Variabilität resultieren so von Atemzug zu Atemzug unterschiedliche Beatmungsdrücke und -volumina. Um diese Methode experimentell zu erproben, entwickelten die Dresdner Anästhesisten eine Software zur Steuerung von Beatmungsgeräten und testeten die "noisy PSV" in mehreren Versuchsserien erfolgreich an Tieren. Erste Ergebnisse lassen darauf schließen, dass diese innovative Methode in Bezug auf Gasaustausch und Atmungskomfort dem bisher bevorzugten Modus überlegen ist.
Die Forschungsergebnisse werden auch auf dem Jahrestreffen der American Society of Anesthesiologists am 13. bis 17. Oktober 2007 in San Francisco vorgestellt. Ein Abstract des Vortrags ist unter www.asaabstracts.com veröffentllicht.
Informationen für Journalisten:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
PD Dr. Marcelo Gama de Abreu
Tel.: 0351 458-3908
http://www.tu-dresden.de/medkai