14.01.2025
Bessere Psychotherapie durch Forschung: »Auf Arbeit mit ...« Neurowissenschaftler Philipp Kanske
Was passiert bei zwischenmenschlicher Interaktion in unserem Gehirn? Das ist eine der zentralen wissenschaftlichen Fragestellungen, denen sich Philipp Kanske, Professor für Klinische Psychologie und Behaviorale Neurowissenschaft an der TU Dresden, widmet. "Das Gehirn ist ein irres Organ von unglaublicher Komplexität“, zeigt sich der Wissenschaftler fasziniert und ergänzt: „Wie kriegt es unser Gehirn eigentlich hin, so komplexe Dinge wie soziale Interaktion gut zu managen? Und was passiert im Gehirn, wenn das schiefgeht?"
Kanske und sein Team nehmen für die Beantwortung dieser Fragen Prozesse im Gehirn unter die Lupe, die mit den Fähigkeiten, sich in andere einzudenken und einzufühlen, einhergehen. "Bei Menschen mit Autismus sehen wir zum Beispiel, dass insbesondere die Fähigkeit sich einzudenken problematisch ist. Wohingegen bei Menschen, die zu antisozialer Persönlichkeitsstörung tendieren, die Fähigkeit sich einzufühlen nicht so stark ausgeprägt ist."
Die Forscherinnen und Forscher vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie feilen gerade noch an einem neuen Experiment zu Empathie und Perspektivenübernahme. Proband:innen bekommen dabei in einem MRT-Scanner über 40 Videosequenzen mit unterschiedlich emotionalen Gesprächsinhalten zu sehen. Der Scanner misst, welche Gehirnregionen viel sauerstoffreiches Blut hinfließt. Die Wissenschaftler:innen können daraus ableiten, welche Regionen im Gehirn besonders aktiv sind.
Psychotherapie durch Forschung verbessern
Studien wie diese helfen, die Mechanismen im Gehirn besser zu verstehen – gerade auch bei psychischen Erkrankungen. Veränderungen bei psychischen Störungen werden so gewissermaßen messbar. Die Daten bilden die Grundlage für neue Ansätze in der Psychotherapie. In weiterführenden Studien können die Wissenschaftler:innen ermitteln, ob schnellere und stärkere Verbesserungen erfolgen oder längerfristige Effekte erzielt werden.
"Das Gehirn ist sehr viel veränderbarer – auch im Erwachsenenalter – als wir vermutet haben", erklärt Philipp Kanske und ergänzt: "Wenn ich mir jeden Tag Zeit dafür nehme, darüber nachzudenken, wofür ich heute dankbar bin, verändert das auch das Gehirn."
Behaviour in Context: Wie steuert das Gehirn unser Verhalten in bestimmten Kontexten
In einem neuen interdisziplinären Forschungsvorhaben möchten Kanske und weitere Wissenschaftler:innen herausfinden, wie es das Gehirn schafft, unser Verhalten in bestimmten Kontexten zu steuern. "Das Gehirn macht im Prinzip die ganze Zeit Vorhersagen, was als nächstes kommt. Wir verstehen deswegen Sprache so gut, weil das Gehirn ständig Vorhersagen produziert, wie der Satz wohl weitergeht und Verhalten dementsprechend vorbereitet", erläutert Kanske.
Gelingt es den Forscher:innen, die Mechanismen zu entschlüsseln, wie das Gehirn unser Verhalten in hochkomplexen Situationen wie dem Straßenverkehr steuert, könnten diese Prinzipien zum Beispiel auf maschinelles Lernen übertragen werden. Das Forschungsvorhaben mit dem Titel Behaviour in Context befindet sich derzeit im Antragsverfahren für ein Exzellenzcluster. "Umso präziser wir unser Verhalten beschreiben können, desto leichter wird es, Phänomene zu erklären, Vorhersagen zu treffen und diese auch zu verändern", ist Philipp Kanske überzeugt.
In der Video-Reihe »Auf Arbeit mit ...« begleitet das Social-Media-Team der TU Dresden einen Tag lang Mitarbeiter:innen der TU Dresden oder ihrer Partner-Einrichtungen. Die Videos gewähren einen Einblick in die vielfältigen Arbeits- und Aufgabenbereiche an der TU Dresden und zeigen: Hinter allem was uns auszeichnet, stehen Menschen, die ihren Job mit Leidenschaft und Hingabe machen! Weitere Videos gibt es auf den YouTube-Kanälen »TU Dresden entdecken« und »TU Dresden probieren«.