22.04.2016
Bierbrauen in Forschung und Lehre
Vom Hörsaal in die Minibrauerei: Bierbrauen als Teil des Studiums
Man könnte es auch im Lehrbuch nachlesen, doch selbständig in der Minibrauerei zu probieren macht das Lernen eindrucksvoller. Egal, ob es um die Grundlagenforschung geht (Reaktionen beim Trocknen und Rösten von Malz, neue Reaktionen von Bierhefe, Bildung von Aromastoffen bei der Lagerung) oder um Anwendungsversuche im Kleinmaßstab von ca. 50 Litern (Transfer von Grundlagenforschung in die Anwendung, Entwicklung neuer Bierrezepturen unter Variation der Ausgangsstoffe sowie der Prozessparamater) oder gar um den Transfer der Forschungsergebnisse in die wirtschaftliche Praxis: die Minibrauerei an der Fachrichtung Chemie und Lebensmittelchemie der TU Dresden macht es möglich.
Die Professuren für Anorganische Molekülchemie (Prof. Jan J. Weigand) und Lebensmittelchemie (Prof. Thomas Henle) haben für die Ausbildung in den Studiengängen Chemie und Lebensmittelchemie diese Versuchsbrauereianlage aufgebaut. Seit dem Wintersemester 2015/16 wird sie im Praktikum Technische Chemie betrieben und sowohl für die Lehre als auch die Forschung und Produktentwicklung genutzt.
Somit kommen die Studierenden der Fachrichtung während ihres Studiums in den Genuss, selbst Bier zu brauen. Innerhalb eines Versuchstages entsteht, ausgehend von den natürlichen Rohstoffen (gemäß Reinheitsgebot Wasser, Malz, Hopfen und Hefe), durch entsprechende Technologien ein fertiges Produkt, welches dann nach Durchlaufen des Gärprozesses auch selber konsumiert werden kann. Damit ist das Bierbrauen ein Musterbeispiel für einen sowohl wissenschaftlich wie auch wirtschaftlich hochrelevanten technischen Prozess, der zur Vermittlung praxisrelevanter Fragestellungen geeignet ist: Wie schafft man es, ein Produkt konstant und reproduzierbar herzustellen? Welche Herausforderungen hinsichtlich Rohstoffqualität, Prozesssteuerung, Hygiene usw. müssen bewältigt werden? Wie errechnet sich ausgehend von den Kosten die mögliche Wertschöpfung? Wie schmeckt das, was ich da herstelle?
Insgesamt studieren an der Fachrichtung Chemie und Lebensmittelchemie zurzeit rund 600 Studierende. Jedes Semester nutzen 70 - 80 Studierende des 6. Fachsemesters Chemie bzw. 7. Fachsemesters Lebensmittelchemie die Minibrauerei für ihr Praktikum.
Bierbrauen für die Forschung: Kreation einer eigenen Biersorte
An der Fachrichtung Chemie und Lebensmittelchemie der TU Dresden wird seit mehreren Jahren zum Thema „Bier“ geforscht. Die Arbeitsgruppe von Prof. Thomas Henle beschäftigt sich vor allem mit chemischen Reaktionen während des Trocknens, Röstens und Würzekochens. Dabei laufen chemische Umsetzungen zwischen den Zuckern und den Eiweißstoffen ab, die man als „Maillard-Reaktionen“ bezeichnet. Die Reaktionsprodukte sind entscheidend für die Farbe und das Aroma des Biers. In aktuellen Forschungsarbeiten konnte das Team um Prof. Thomas Henle zeigen, dass sich verschiedene Biersorten deutlich im Gehalt sogenannter „Dicarbonylverbindungen“ unterscheiden. Diese Verbindungen entstehen beim Erhitzen aus der Glucose, die ihrerseits aus der Stärke des Malzes freigesetzt wird. Die Lager- und Aromastabilität des fertigen Biers wird maßgeblich durch diese Zuckerabbauprodukte beeinflusst. Kenntnisse über die Bildungswege dieser Dicarbonylverbindungen sowie hinsichtlich der Einflussgrößen auf die Bildung (Zusammensetzung des Malzes, Heißhaltung beim Würzekochen usw.) können zur Verbesserung der Produktqualität dienen.
In einem weiteren Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich das Brauerteam um Prof. Jan Weigand und Prof. Thomas Henle mit der Entwicklung eigener Bierkreationen. Dabei fließen aktuelle Forschungsergebnisse unmittelbar in die Produktentwicklung ein. So entstand in den vergangenen Monaten eine Reihe von Versuchsbieren, die in sensorischen Prüfungen problemlos mit kommerziellen Produkten mithalten können. Die Brauer der TU Dresden arbeiten hinsichtlich der praktischen Umsetzung eng mit dem Ball- und Brauhaus Watzke in Dresden zusammen. Ein von den TUD-Brauern entwickeltes Pils wird derzeit erstmals in die Praxis überführt: Anlässlich des anstehenden 20-jährigen Firmenjubiläums wird das Ball- und Brauhaus Watzke das „TU-Dresden-31Pils“ in großem Maßstab brauen und im September 2016 ausschenken – ein gelungenes Beispiel für die Überführung von Forschungsergebnissen in die Praxis.
Auch auf die Bezeichnung des Biers 31Pils sind die Chemiker stolz: „Das ist unser Markenname, der sich vom Phosphor ableitet - Symbol „P“, Atommasse 31, -. halt ein richtiges Chemikerbier“, erklärt Prof. Jan Weigand.
Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. Thomas Henle
Tel.: +49 (0) 351 463-34647