31.07.2020
Botanische Seltenheit blüht erstmals in einem Botanischen Garten
Im Botanischen Garten der TU Dresden ist nach zehnjähriger, intensiver Pflege am vergangenen Sonntag, 26. Juli, eine botanische Kostbarkeit erblüht: die Aristolochia impudica.
Der kleine Strauch gehört zu den sogenannten Pfeifenwinden und stammt aus Mexiko. Der Botanische Garten in Dresden beherbergt eine der weltweit größten und wertvollsten Forschungssammlungen dieser Gattung. Gartendirektor Christoph Neinhuis zufolge ist die jetzt blühende Aristolochia impudica das einzige Exemplar dieser Art, das sich bekanntermaßen in einem Botanischen Garten befindet. Dabei gelangte sie eher „nebenbei“ in die Sammlung.
Die Aristolochia impudica gehört zu einer besonderen Gruppe der Pfeifenwinden, die, anders als die meisten anderen Vertreter der Gattung, nicht als Liane wachsen, sondern als kleiner bis mittelgroßer Strauch. Das weckte vor etwa zehn Jahren das Interesse der Forscher des Instituts für Botanik, die diese Gruppe und ihre besondere Wuchsform im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projekts untersuchten.
Die damalige Doktorandin Sarah Wagner interessierte sich dafür, wie sich der Wechsel zwischen verschiedenen Wuchsformen in einem engen Verwandtschaftskreis vollzieht, also von einem Baum zur Kletterpflanze oder eben von einer Liane zum Strauch. Dazu erhielt sie die Genehmigung auch eine Pflanze der Aristolochia impudica auszugraben und zu untersuchen. Nach Abschluss dieser Untersuchungen blieb die Wurzel zurück und wurde auf Wunsch des Direktors im Botanischen Garten der TU Dresden getopft – in der Hoffnung, dass sie vielleicht noch einmal austreibt. Nach mehreren Monaten intensiver Pflege durch speziell zur Pflege außergewöhnlicher Pflanzen ausgebildete Gärtner trieb sie tatsächlich aus und entwickelte sich zu einem kleinen Strauch, wie er auch in der Natur zu finden ist.
Insgesamt gibt es unter den etwa 500 bis 600 Arten der Pfeifenwinden nur sechs kleine bis mittelgroße Sträucher und diese ausschließlich in den Regenwäldern Mittelamerikas. Alle sechs Arten sind im Botanischen Garten Dresden zu finden und zeichnen sich, neben der Wuchsform, vor allem durch ihre außergewöhnlich aufgebauten Blüten aus. Die bekannteste unter ihnen ist Aristolochia arborea, die eine rötliche Blütenhülle aufweist, und in deren Mitte die Attrappe eines kleinen Hutpilzes zu finden ist. Weniger spektakulär, aber ebenfalls Pilze imitierend, sind die Blüten der nahe verwandten Aristolochia salvadorensis und Aristolochia kalebii.
Die fast zehnjährige Wartezeit auf die erste Blüte von Aristolochia impudica entschädigt die Forscher und Gärtner mit der wohl spektakulärsten Blüte. Es ist mit sieben bis acht Zentimetern nicht nur die Größte unter den sechs Arten. Sie besticht auch durch die ähnlich perfekte Nachahmung eines Pilzes wie die Aristolochia arborea.
In der Natur sind nur wenige Fundstellen von Aristolochia impudica bekannt, die zum Teil schon wieder zerstört wurden. Die Art wurde erst von knapp 30 Jahren durch mexikanische Botaniker entdeckt und muss, aufgrund des rapiden Verlustes an natürlichen Lebensräumen und dem geringen Wissensstand über die Art, als gefährdet eingestuft werden. Das gilt auch für etliche andere Arten aus der Gattung, da viele von ihnen nur kleine Verbreitungsgebiete und spezielle Anforderungen an den Lebensraum aufweisen.
Die Aristolochia impudica wird in den kommenden Wochen immer wieder neue Blüten bilden und ist im Schaukasten des Eingangsbereichs zum Sukkulentenschauhaus des Botanischen Gartens Dresden zu sehen. Der Garten ist derzeit täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Ein Blick in die Gewächshäuser – und damit auch auf Aristolochia impudica – ist ab 10 Uhr möglich. In den Gewächshäusern gelten beschränkte Besucherzahlen sowie die Empfehlung eine Mund-Nasebedeckung zu tragen. Der Eintritt ist frei.
Informationen für Journalisten:
Prof. Christoph Neinhuis
Tel.: 0351 463-36032