23.01.2019
Damit Wasserquellen verbinden können - Interaktiver Webatlas eines Projekts von tschechischen und TUD-Wissenschaftlern
Mathias Bäumel
Da hatten wir uns etwas vorgenommen! – Nämlich eine grenzüberschreitende sogenannte Gipfeltour im Lausitzer Gebirge, die uns von der Lausche über das Jägerdörfel (tschechisch Myslivny) vorbei an der Finkenkuppe (Pěnkavčí vrch) zum Tannenberg (Jedlová) und zum Tollenstein (Tolštejn), dann am Dreiäckerstein (Trojhran) vorbei zurück zur Lausche führen sollte. Das ist eine Tageswanderung, die mit den teils bunt bemalten Holzfiguren in Jägerdörfel einen ersten kleinen Höhepunkt und nach etwa drei Kilometern, etwas abseits von der Wegkreuzung »Beim Johannes« (U Jana), etwas sehr geheimnisvoll Wirkendes hat: die im Wald befindliche Schwefelquelle, die eigentlich gar keine Schwefelquelle, sondern eher eine Eisenquelle ist. Aber das Wasser wirbelt voller gelb-bräunlicher und rostbrauner Flocken! Früher dachten die Leute eben, es wären Schwefelflocken.
Erst 1907 stellte Professor Hans Molisch von der k. k. deutschen Karl-Ferdinands- Universität Prag fest, dass diese Färbung von fadenähnlichen Bakterien Leptothrix ochracea kommt, die ihre Energie aus der Oxidation von im Wasser gelösten Verbindungen des zweiwertigen zu dreiwertigem Eisen gewinnen. Tatsächlich also nix mit Schwefel! Die Eigenheiten und Geheimnisse dieser – und etwa 40 anderer – Quellen werden nun in einem einzigartigen webbasierten Quellenatlas des internationalen Projektes »Quellen verbinden – Prameny spojují« erfasst und erläutert, der von Geoinformatikern, Kartografen, Geografen und Geologen von der Technischen Universität in Reichenberg (Liberec), von Hydrologen und Biologen der Tschechischen Agraruniversität Prag und von Hydrochemikern der Technischen Universität Dresden (IHI Zittau) in fast drei Jahren entwickelt und geschaffen wurde.
Übersichtlich und anschaulich zeigt dieser Quellenatlas Fachinformationen über die erforschten Quellen, wie z. B. Wasserqualität, Temperatur, Ergiebigkeit oder Vegetation in der Quellumgebung. Die Fachleute besuchten mehrfach die Quellen, führten Messungen durch, entnahmen Wasserproben, erhoben weitere Geländedaten und widmeten sich in den Laboren der Analyse der Proben. Der interaktive, nicht nur für Fachleute, sondern auch für naturinteressierte Laien bestimmte Atlas stellt eine Zusammenfassung der erhobenen Daten und Informationen dar, die mit modernen Methoden der Webkartografie und der geografischen Informationssysteme präsentiert wird.
Zu jeder Quelle werden im Atlas die GPS-Koordinaten, ein Hinweis zu mapy. cz, der Ortschaftsname, in deren Kataster sie sich befindet, und Höhenlage angezeigt. Bei jeder Quelle werden zu sieben Kategorien die Eigenschaften aufgelistet, die die Wissenschaftler beobachteten: Typ der Quelle, Anwesenheit von Schwermetallen, geologischer Untergrund, Grad der menschlichen Beeinflussung, Wasserqualität, überwiegende Vegetation in der Quellumgebung und der sogenannte »Grad der Belebung«.
Die Fachinformationen werden durch Multimediabeiträge ergänzt – mittels Drohnen erworbene Fotos und Videoclips, die den Forschern den Zugang auch zu schwer zugänglichen Stellen ermöglichten.
»Das multidisziplinäre Projekt hat uns einen riesigen Komplex an Möglichkeiten eröffnet. In unserem Forschungsteam arbeiten Experten aus den Bereichen der Hydrologie, Hydrochemie, geografischer Informationssysteme, Kartografie, Geologie, Zoologie und Botanik, Humangeografie und Didaktik. Alle arbeiten mit und tragen mit ihrem Wissen zum Projekt bei. Wir arbeiten mit Kollegen aus der Tschechischen Agraruniversität in Prag und dank der grenzüberschreitenden Ausrichtung haben wir die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus der sächsischen Universität in Zittau. Die Einstellung jedes Experten ist ein bisschen anders, was für unsere Zusammenarbeit und berufliche Entwicklung enorm bereichernd und aufschlussreich ist. Gerade der Atlas der Quellen ist eine Synthese der Arbeit des gesamten Teams und wir alle sind stolz darauf, wie es uns gelang, ihn vorzubereiten«, beschreibt der Projektleiter Jiří Šmída von der TU in Reichenberg die Arbeit im Projekt. »Eine solch komplexe Recherche zu Quellen fand bisher in unserem Land nicht statt. Mit den Kollegen beschäftigen wir uns mit der Qualität des Wassers, des Sediments, der Beurteilung des ökologischen Zustands der Quellen, ihrer Bedeutung und Nutzung«, beschreibt Dana Komínková, Teamleiterin an der Tschechischen Agraruniversität in Prag, ihre Aufgaben.
Aus ihrer hydrologischen Forschung ging auch hervor, wie schon eine winzige Beeinflussung durch den Menschen zur Beschädigung oder sogar Vernichtung einer Quelle führen kann. Das dokumentieren zwei Quellen in der Nähe von Jägerdörfel am südöstlichen Fuß der Lausche. »Obwohl sie weniger als 400 Meter voneinander entfernt liegen und man voraussetzen kann, dass sie aus demselben Grundwasserleiter versorgt werden, ist ihre Qualität erheblich unterschiedlich«, so Dana Komínková. Die Quelle BS1212 (intern als »Pod Smrkem« – »unter der Fichte« bezeichnet) zeichne sich durch eine hohe Wasser- und Sedimentqualität, das Vorkommen von sensiblen Arten und dem Fehlen von toxischen Metallen aus. Im Vergleich dazu weise die Quelle BS1210 (intern als »Pod jímáním« – »unterhalb der Wasserfassung« bezeichnet) deutlich schlechtere Qualität auf. Komínková: »Im abgelagerten Sediment wurden höhere Konzentrationen von Kupfer sowie Nickel gefunden, die ein erhebliches Risiko für das Wasserökosystem darstellen können. Eine Erklärung ist die Lage der Quelle in der Nähe der Straße, von der eine große Menge Kies gespült wurde, wahrscheinlich verwendetes Streugut.«
Der als Internetportal ausgeführte Quellenatlas ist nicht nur ausgestattet mit vielen wissenswerten Informationen, sondern er ist zudem attraktiv gemacht, gut nutzbar und kann somit keineswegs »nur« Wissenschaftlern vieler Fachdisziplinen, sondern auch heutigen Naturfreunden und Wanderern helfen. Vielleicht geht eine der kommenden Touren mal nicht über die Gipfel des Lausitzer Berglandes, sondern – vorher mittels dieses Atlasses gut geplant – von Quelle zu Quelle. Das könnte ein lohnenswertes Vorhaben sein; ein Tag wird da wohl kaum reichen.
Weitere Informationen:
Quellenatlas: http://prameny.tul.cz/de/atlas
Beispiele – Informationen zu einzelnen Quellen:
Schwefelquelle (Sirný pramen): https://bit.ly/2Rbl2eo
Polzen-Quelle (Pramen Ploučnice): https://bit.ly/2ran5UU
Vacek-Quelle (Vackův pramen): https://bit.ly/2DP6NrZ
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 01/2019 vom 15. Januar 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.