14.10.2009
In Dresden wird in diesen Tagen ein Stück Mobilfunkgeschichte geschrieben
Die Internationale Fernmeldeunion (ITU), eine Organisation der UN, tagt derzeit im Zentrum der Landeshauptstadt und diskutiert die Festlegung der so genannten Luftschnittstelle für IMT-Advanced, das heißt des Mobilfunks der nächsten Generation. Im Rahmen dieser Tagung demonstrieren Mobilfunkexperten der Technischen Universität Dresden neueste kooperative Übertragungskonzepte, die es ermöglichen, die Datenrate gegenüber einem herkömmlichen System zu verdoppeln und eine bessere Fairness zwischen den Nutzern herzustellen. Diese Ergebnisse entstanden im Rahmen des Projektes EASY-C (Enablers for Ambient Services and Systems – Wide Area Cellular), das vom Bundesforschungsministerium (BMBF) gefördert wird.
Regierungsvertreter aller wesentlichen Industrie- und Schwellenländer sowie Vertreter der Industrie sind der Einladung der Bundesnetzagentur gefolgt, die im Auftrag des Bundeswirtschaftministeriums (BMWi) die Tagung ausrichtet. Die Teilnehmer der Tagung bringen in den nächsten Tagen ihre Vorschläge ein, welche Technologien und Funkfrequenzen in fünf bis zehn Jahren dazu genutzt werden können, um die stetig steigende Nachfrage nach mobiler Kommunikation zu decken. Diese Nachfrage ist zweifelsohne immens. Bereits im letzen Jahr wurden weltweit mehr als 4 Milliarden Mobilfunknutzer gezählt, so dass drei von fünf Menschen inzwischen mobil vernetzt sind.
Neben der reinen Telefonie spielt dabei zunehmend die mobile Internetnutzung eine entscheidende Rolle. Gemäß Prognosen mehrerer Systemhersteller wird sich der mobile Datenverkehr jährlich verdoppeln, so dass das Datenvolumen in 2015 in etwa dem 60fachen von heute entsprechen wird [Quelle: Cisco]. Dies stellt Mobilfunkbetreiber vor große Herausforderungen. Zum einen müssen Frequenzbänder immer effizienter genutzt werden, d. h. es müssen mehr Daten pro Frequenzbereich übertragen werden, und Frequenzen müssen häufiger wiederverwendet werden, insbesondere in Ballungszentren. Dies führt dazu, dass heutige Mobilfunksysteme im Wesentlichen durch Interferenz begrenzt sind, d. h. das Übersprechen von Signalen zwischen benachbarten Zellen.
Schlüsseltechnologien zukünftiger Systeme sind so genannte Coordinated Multi-Point (CoMP)-Techniken, bei denen Basisstationen kooperieren und sich z.B. bezüglich der generierten Interferenz absprechen, oder sogar kooperativ die Signale mehrerer Mobilfunkteilnehmer verarbeiten. In diesem Fall wird die Interferenz zwischen Zellen vom Flaschenhals des Systems zu einem Vorteil, denn sie kann ausgenutzt werden, um speziell die Datenraten von Nutzern an Zellrändern signifikant zu steigern. Da dies diejenigen Nutzer sind, die in herkömmlichen Systemen die geringste Signalqualität erfahren, kann so gewährleistet werden, dass in zukünftigen Systemen allen Nutzern unabhängig von ihrer Position eine ähnlich hohe Dienstgüte angeboten werden kann – eine zunehmend wichtige Erwartung von Mobilfunkkunden an Ihren Betreiber.
Die deutsche Industrie- und Forschungslandschaft spielt bei der Entwicklung innovativer Mobilfunkverfahren, und dadurch auch bei der Mitgestaltung der Standards von morgen, eine zentrale Rolle. So wurde bereits im Juni 2009 mit der IEEE International Conference on Communications (ICC) eine der weltweit bedeutendsten Fachkonferenzen für Kommunikationssysteme nach Dresden geholt – mit einem langjährigen Teilnehmerrekord. Im Rahmen dieser Konferenz wurde von Mobilfunkexperten der TU Dresden weltweit erstmals demonstriert, wie zwei Basisstationen kooperativ zu zwei Handys senden können, so dass diese eine bessere Signalqualität erfahren, als gäbe es gar keine Interferenz.
Hiermit ist die spektrale Effizienz der Übertragung gegenüber einem herkömmlichen System mehr als verdoppelt worden. Dieses Ergebnis entstand im Rahmen des Projektes EASY-C (Enablers for Ambient Services and Systems – Wide Area Cellular), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird und von der Technischen Universität Dresden, der Deutschen Telekom, Vodafone und dem Heinrich-Hertz-Institut geleitet wird.
Die Teilnehmer der gegenwärtigen ITU Tagung in Dresden können in den kommenden Tagen die konsequente Weiterentwicklung dieser Technologie hautnah erleben, da sie sich inmitten des weltweit größten Testsystems für innovative Mobilfunkkonzepte befinden. Dieses ist in den letzten Jahren im Rahmen des Projektes EASY-C entstanden und umfasst insgesamt 28 Mobilfunkzellen. Diese Größe ist notwendig, um die Konzepte fundiert unter realistischen Bedingungen zu testen, und mit den Ergebnissen eine maximale Akzeptanz in der Branche zu erreichen. Hierbei stellt die Stadt Dresden eine repräsentative, mittelgroße europäische Stadt dar, die durch ihre Tallage, eine Flusslandschaft und eine historisch bedingte heterogene Bebauung eine Vielzahl von Signalausbreitungs-Szenarien bietet. Die Einwohner der Stadt haben sich inzwischen an den Anblick von schweren Test-Handys gewöhnt, die von Studenten der TU Dresden auf Fahrrad-Rikschas durch die Prager Straße, die zentrale Einkaufsmeile Dresdens, bewegt werden.
Auch die Zukunftsperspektiven des Mobilfunkstandorts Dresden sind vielversprechend. Bereits im April 2010 werden die Experten der Branche wieder zu Gast sein, wenn die LTE-SAE Trial Initiative (LSTI) in Dresden tagt – ein Zusammenschluss von Mobilfunkunternehmen, die sich mit dem Test von zellularen Systemen befassen. Und ab Sommer 2010 wird das Testsystem im Kontext weiterer Forschungsprojekte eine zentrale Rolle spielen. Hierbei wird es um die flexible Hinzuschaltung von kooperativen Verfahren gehen, wenn diese gewinnbringend sind, bzw. um ein weiteres, zukunftsweisendes Forschungsthema: Den energieeffizienten Mobilfunk.
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