26.05.2020
Eine Brennstoffzellenkur könnte das Automobil genesen lassen
TUD-Experten befragt: Prof. Gerhard Golze vom Zentrum Car Business Management der Fakultät Wirtschaftswissenschaften
In der TU Dresden forscht eine ganze Reihe anerkannter Wissenschaftler zu vielfältigen Fragen des Verkehrs. Immer wieder geht es dabei auch um Beiträge zur nachhaltigen Verkehrsentwicklung. Bereits im Februar plante die UJ-Redaktion einen Interview-Beitrag zur Geschichte und der Vermarktung des Elektroantriebs im Verhältnis zum Verbrenner-Antrieb. Interviewpartner sollte Prof. Gerhard Golze vom Zentrum Car Business Management an der BWLProfessur für Industrielles Management der TUD sein. Dann kamen die Corona- Pandemie und die UJ-Erscheinungspause dazwischen, das Führen und die Bearbeitung des Interviews verzögerten sich. Fragen nach grundsätzlichen Strategien der Automobilwirtschaft und der Pandemie-Einfluss darauf traten in den Vordergrund. Die UJ-Redaktion entschloss sich, hier zuerst den Beitrag zur Geschichte und der Vermarktung des E-Antriebs sowie in der nächsten Ausgabe das Interview zu den grundsätzlicheren Fragen zu veröffentlichen.
UJ: Seit wann gibt es denn relevante Bemühungen in Forschung und Entwicklung, alternative Technologien zum Verbrenner-Antrieb (Benzin, Diesel) zu entwickeln?
Prof. Gerhard Golze: Alternative Antriebe waren im Automobilbau immer ein Thema. Die ersten kommerziellen Privatfahrzeuge um 1900 waren sogar elektrisch betrieben, der Verbrenner setzte sich erst im Laufe der Jahre durch. Die Probleme der Elektromobilität waren wie auch heute die fehlende Reichweite sowie die fehlenden Lademöglichkeiten, weshalb der anfangs verpönte, stinkende Benzinmotor sie nach und nach verdrängte. In anderen Bereichen mit stationärer oder leichter zu gewährleistender Stromversorgung war der Elektromotor hingegen immer präsent und bevorzugt.
Erste Bemühungen im Fahrzeugbau sind dann in den 1970er-Jahren festzustellen, als VW im Zuge der Ölkrise einen ersten rein elektrischen Golf auf den Markt brachte. Dieser blieb jedoch Nischenprodukt und verkaufte sich nur in sehr, sehr geringen Stückzahlen. Entwicklungen zum Thema batterieelektrischer Mobilität und der Brennstoffzelle wurden aber von allen namhaften Herstellern seit vielen Jahren betrieben, jedoch waren Benzin und Diesel lange Zeit ökonomisch einfach nicht zu schlagen. Daimler beispielsweise hat seit 2003 mit dem Mercedes F-Cell ein Brennstoffzellenfahrzeug in Kleinserie hergestellt, ohne dass dieses jemals den Durchbruch geschafft hätte. Vorreiter in Sachen hybrider Technologie sind wohl Toyota, die seit Ende der 90er mit dem Prius zumindest ein hybrides Elektrofahrzeug mit Batterie und Verbrenner erfolgreich vertrieben haben.
Was waren damals die Motive für diese Bemühungen?
In den 70er-Jahren war es tatsächlich die Angst vor einer Ölknappheit, die zur Entwicklung von Alternativen drängte. Womit sollten Fahrzeuge fahren, falls kein Öl mehr importiert werden könnte? Das Motiv der Umweltverträglichkeit wurde erst in den 90er-Jahren populärer, wenngleich mit nachhaltigen Fahrzeugen zunächst nur spezifische Kundengruppen angesprochen werden sollten. Maßgebliche Motive beim Automobilkauf waren und sind auch weiterhin die Sicherheit des Fahrzeugs, eine hohe Zuverlässigkeit sowie eine gute Verarbeitung. Der Spritverbrauch wurde erst im Laufe der Zeit wichtiger, hier ist aber hauptsächlich der Kostenfaktor entscheidend gewesen.
Was sind die wichtigsten jeweiligen technischen Vorteile des Brennstoff-(Wasserstoff-) Antriebs einerseits und des Elektromotorenantriebs andererseits?
Die Brennstoffzelle, die mit nachhaltig hergestelltem Wasserstoff betrieben wird, ist per se frei von jeglichen Abgasen. Hier bleibt als Abfallprodukt lediglich Wasser übrig. Letztlich wird aber auch das Brennstoffzellenauto von einem Elektromotor angetrieben, da in der Brennstoffzelle durch die Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff Strom erzeugt wird. Der Unterschied zwischen Brennstoffzelle und Batteriefahrzeug besteht eigentlich in der Speicherung des Energieträgers und nicht in der Antriebstechnik. Während Brennstoffzellenfahrzeuge mit Wasserstoff betankt werden, der während der Fahrt in Strom umgewandelt wird, speichern Batteriefahrzeuge den Strom in einer großen Anzahl von Batteriezellen. Der Strom wird dabei an einem anderen Ort erzeugt und per Ladekabel in die Batterie gebracht. Elektromobilität schließt jedoch beides ein und sinnvollerweise sollten wir auch beide Technologien für eine nachhaltige Mobilität nutzen. Während mit Wasserstoff oder auch Methan betriebene Brennstoffzellenfahrzeuge durch Tanks große Reichweiten erzielen können, eignen sich batterieelektrische Fahrzeuge vor allem für kurze Distanzen und kleinere Fahrzeuge. Hier fällt das große Gewicht der Batterien nicht so sehr ins Gewicht und der hohe Wirkungsgrad der Elektromotoren kann seine Vorteile ausspielen. Die Erzeugung von Wasserstoff wiederum ist mit hohem energetischem Aufwand verbunden und sollte deshalb für Schwerlast- und Nutzverkehr zum Einsatz kommen, wo die Batterien sonst gewaltige Ausmaße annehmen müssten.
Über den gesamten Lebensdauer-Zyklus gesehen und nicht nur auf die Nutzungsregion begrenzt soll der E-Antrieb einige wesentliche Nachteile haben und damit ziemlich umweltunfreundlich sein, oder? Denkt man beispielsweise an die Gefahr bei Fahrzeugbränden und Unfällen oder an den Verbrauch seltener Materialien bei der Herstellung. Wie sieht da im Vergleich der Wasserstoff-Antrieb aus?
Die Vorteile von Elektrofahrzeugen sind mittlerweile in einer Vielzahl von Studien belegt, auch das Vorurteil der sehr »schmutzigen« Herstellung ist nachweislich widerlegt. Es ist aber richtig, sich den ganzen Prozess der Herstellung anzuschauen. Wesentliches Element der batterieelektrischen Fahrzeuge ist nun mal die Batterie und diese wird aufwendig und energieintensiv hergestellt. Deshalb ist es für die gesamte Umweltbilanz der Elektrofahrzeuge von großer Bedeutung, mit welchem Strommix sowohl die Batterie als auch später der Strom hergestellt wird, mit dem das Fahrzeug angetrieben wird. Geht man vom aktuellen Strommix Deutschlands aus, schrumpft der rechnerisch mögliche Umweltvorteil von Elektrofahrzeugen deshalb zusammen, Elektrofahrzeuge haben aber schon heute auf Sicht der gesamten Nutzungsdauer einen geringeren CO2-Ausstoß als Benziner und Diesel. Werden die Batterie und der Strom dann auch noch mit erneuerbaren Energien hergestellt, wird dieser Umweltvorteil noch um ein Vielfaches größer. Wie bereits oben genannt, macht es jedoch nicht viel Sinn, große SUVs mit Batterien für Reichweiten über 500 Kilometer und mehr auszustatten. Selbst mit steigender Energiedichte führt das zu tonnenschweren Batterien, die dann natürlich überall mit hinbewegt werden müssen. Brennstoffzellenfahrzeuge besitzen ebenfalls eine Batterie, um die Differenz zwischen einer kontinuierlichen Stromerzeugung in der Zelle und dem dynamischen Verbrauch im Fahrbetrieb zu überbrücken. Diese Batterie fällt jedoch deutlich kleiner aus und dient lediglich zur Überbrückung und nicht als primäre Energiequelle. Der ökologische Fußabdruck ist deshalb deutlich kleiner, auch bei Herstellung mit aktuellem Energiemix. Was aktuell zu einer unzureichenden Umweltbilanz des Brennstoffzellenfahrzeugs führt, ist die schlechte Ökobilanz des künstlich hergestellten Wasserstoffs. Wasserstoff besitzt eine sehr viel geringere Energiedichte als beispielsweise Benzin, zudem geht bei der Herstellung mittels Elektrolyse viel Energie verloren. Wird also Kohlestrom zur Herstellung genutzt, hat das auch negative Auswirkungen auf die Ökobilanz der Fahrzeuge. Auch hier liegt der Schlüssel zur Nachhaltigkeit deshalb im Energiemix, der bei der Herstellung zugrunde liegt. Nichtsdestotrotz sind sowohl Brennstoffzellen- als auch batterieelektrische Fahrzeuge bereits jetzt in der Gesamtbilanz nachhaltiger und vor allem lokal emissionsfrei, stoßen also im Betrieb keine Schadstoffe aus.
Beim Thema Sicherheit lässt sich festhalten, dass diese wie für alle anderen Komponenten eines Fahrzeugs auch für Batterien regelmäßig überprüft wird, auch im Hinblick auf große Aufprallenergien und Beschädigungen. Die Gefahr eines Fahrzeugbrandes ist nicht völlig auszuschließen, diese Gefahr besteht jedoch ebenso bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.
Neben der geringen Reichweite ist die lange Ladezeit der Akkus ein weiterer Grund für die geringe Akzeptanz des E-Antriebes.
In der Tat ist ein wesentliches Hemmnis bei der Verbreitung der Batteriefahrzeuge die lange Ladezeit, die selbst bei Hochvoltsystemen deutlich länger als das Betanken eines Verbrenners dauert. Zudem sind die Intervalle zwischen Ladevorgängen kürzer als zwischen dem Betanken, da die Batterie nur eine geringere Reichweite vorhalten kann. Wasserstoff nachzutanken dauert etwa drei Minuten, wie auch ein normaler Tankvorgang eines Benziners oder Diesels.
Beide Antriebsarten benötigen umfangreiche Investitionen, damit sie massenhaft akzeptiert (gefahren) werden können – »Tankstellen«-Netz, Sicherheitstechnik, Werkstätten … Wie sehen diesbezüglich Vergleiche zwischen beiden Antriebsarten aus?
Beim Ausbau der Infrastruktur ist die batterieelektrische Mobilität aktuell deutlich weiter fortgeschritten, was allerdings auch in einer sehr viel größeren Förderung der Technologie begründet ist. Sowohl in den Städten als auch entlang der wichtigsten Autobahnen existiert mittlerweile ein großflächiges Schnellladenetz von 3000 Ladepunkten mit Gleichstrom, zudem wurden zirka 21 000 Ladepunkte mit langsamerem Wechselstromladen installiert. Dies entspricht aktuell einer Quote von zirka neun Fahrzeugen je Ladepunkt, bis Ende 2022 soll das Netz auf eine Million Ladepunkte ausgebaut werden. Hinsichtlich des Gleichstromladens werden jedoch weitere Maßnahmen zu ergreifen sein, um die lokalen Energienetze auf eine erhöhte Zahl von Ladungen vorzubereiten. Die Kosten für diesen Ausbau sind schwer zu beziffern, allein bis Ende 2023 sind dazu drei Milliarden Euro allein durch die Bundesregierung veranschlagt.
Der Ausbau der Tankstelleninfrastruktur für Wasserstoff geht sehr viel langsamer voran, aktuell sind deutschlandweit 83 Tankstationen eröffnet. Allerdings liegt die Anzahl der Fahrzeuge in Betrieb auch deutlich niedriger, aktuell sind deutschlandweit nur knapp 400 zugelassen. Um ein flächendeckendes Netz zu erreichen, muss deshalb weiterhin stark investiert werden. Dazu vielleicht ein Vergleichswert zur Einordnung: Deutschlandweit sind aktuell zirka 14 000 Tankstellen für Kraftstoffe gemeldet.
Welche Rolle für die Entwicklung und Durchsetzung dieser Antriebsarten spielen Konkurrenz zwischen den Unternehmen einerseits und staatliche Vorgaben bzw. Förderungen andererseits? Inwiefern hemmt der Wettbewerb die Durchsetzung des besseren Konzeptes (weil man schon sehr viel in ein anderes Konzept investiert hat), inwiefern hilft der Wettbewerb?
Aktuell wird die batterieelektrische Mobilität in Deutschland deutlich stärker gefördert, der Volkswagen Konzern als größter Automobilhersteller der Welt hat sich zudem vollständig dieser Variante verschrieben und setzt alles auf diese Karte. Dass es überhaupt soweit gekommen ist, liegt dabei im Wesentlichen am Auftreten von Tesla aus den USA, die den Markt von Elektrofahrzeugen momentan anführen. Insofern hat der Wettbewerb den Prozess der Wandlung schon deutlich beschleunigt. Wie eingangs aber bereits bemerkt wurde, gibt es nicht das eine überlegene Konzept. Vielmehr sollte man im Hinblick auf die Nutzung der Fahrzeuge entscheiden, welche Antriebsform am sinnvollsten ist. Dabei sind Alternativen wie weiterentwickelte Verbrennungsmotoren und synthetische Kraftstoffe hier bisher noch gar nicht besprochen worden, für die weltweite Mobilität aber von großer Bedeutung. Nicht jedes Land wird es sich wie Deutschland leisten können, eine umfassende Ladeinfrastruktur aufzubauen, geschweige denn diese erhöhten Energiebedarfe allein aus erneuerbaren Energien zu decken. Insofern ist die Fokussierung in Deutschland allein auf die batterieelektrische Mobilität zumindest kritisch zu sehen, da der zukünftige Mobilitätsmix nicht nur aus Batteriefahrzeugen bestehen wird.
Welche Erfordernisse für erfolgreiches Marketing resultieren aus den beiden Antriebsarten?
Die Frage ist, ob wir weiterhin ein Fahrzeug für alle Situation benötigen, oder ob es nicht sinnvoller ist, ein Fahrzeug zu besitzen, das für 99 Prozent der Bedarfe optimiert ist, und für das übrige Prozent eine Alternative bereitzustellen. Batterieelektrische Fahrzeuge sind im Stadtverkehr emissionsfrei und für nahezu alle Anforderungen geeignet, ein Großteil der Lieferverkehre mit planbaren Tourlängen ebenso. LKWs und Vielfahrer aber in ein Fahrzeug mit riesiger Batterie zu zwingen, geht am Ziel der Umweltverträglichkeit vorbei, dort eignen sich Brennstoffzellenfahrzeuge und auch weiterhin Diesel sehr viel besser. Anders als sein Ruf ist der Diesel nämlich keineswegs so schlecht für die Umwelt, vor allem im Hinblick auf den Ausstoß von CO2.
Wo sehen Sie in der Zukunft die typischen Einsatzgebiete für Benziner, Diesel, E-Antrieb und Wasserstoffantrieb? Denn es wird ja nicht auf ein Entweder-Oder hinauslaufen ...
Wie vorher bereits beschrieben wird es auf den Einsatzzweck ankommen. Kurze Strecken und Stadtverkehre sind mit Batteriefahrzeugen sehr gut zu bewältigen, hier hat die Technologie ihre Vorteile. Natürlich wird dazu aber auch die Frage zu klären sein, wie Stadtbewohner ihre Fahrzeuge laden können. Wasserstoffantriebe sind zunächst vor allem für Schwerlastverkehre oder den öffentlichen Nahverkehr von Bedeutung, da hier die Vorteile gegenüber den Batterien zum Tragen kommen. Benziner und Diesel werden jedoch keineswegs von heute auf morgen aus unserer täglichen Mobilität verschwinden. Synthetische Kraftstoffe und sinnvolles Downsizing werden auch diese hochentwickelte Technologie noch auf lange Zeit unverzichtbar machen.
Die Fragen stellte Mathias Bäumel.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 10/2020 vom 26. Mai 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.