26.11.2019
Exzellenz ohne Nachhaltigkeit ist keine Exzellenz
Die nachhaltige Entwicklung der TU Dresden bekommt neuen Schwung
Anne Vetter
Die TU Dresden klimaneutral im Jahr 2030 und klimapositiv im Jahr 2050? Ist das verrückt, visionär? Oder, mit Blick auf das globale Ziel, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, einfach geboten?
Auf der Konferenz »A Roadmap to sustainable Universities« diskutierten am 5. und 6. November 125 Besucher, wie der Weg zu einer nachhaltigen Universität aussehen könnte. Erste Schritte ist die TUD bereits vor Jahren gegangen. Seit 2003 gibt es das Umweltmanagement nach der EG-Öko-Audit-Verordnung (EMAS). Damit sichert die TUD zu, sich für den Schutz der Umwelt zu engagieren und Umweltbewusstsein als wichtigen Teil der Bildungsarbeit in Forschung und Lehre zu verankern. Die Arbeit wird in einem Umweltbericht dokumentiert und durch Gutachter überprüft. Darüber hinaus gibt es an der Universität mit der Kommission Umwelt ein mit Vertretern von Hochschule, Stadt und Land besetztes Gremium zur Beratung des Rektorats. Und nicht zuletzt wäre da die Gruppe Umweltschutz in der Universitätsverwaltung: Fünf engagierte Menschen, die sich um das Abfallmanagement, die Gefahrstoffe, den Gewässer- und Immissionsschutz kümmern, solche Konferenzen organisieren und Projekte zu Energie, Mobilität, Campusgestaltung und vielem mehr initiieren und koordinieren. Angesichts von etwa 40 000 Studenten und Beschäftigten an der TU Dresden eine Mammutaufgabe.
Zeit für den großen Aufschlag
»Wir haben dennoch viel geschafft«, sagt die Sachgebietsleiterin und Umweltmanagementbeauftragte Kathrin Brömmer. »Wir sind viele kleine Schritte hin zu einer nachhaltigeren Entwicklung der Universität gegangen. Jetzt ist es Zeit für den nächsten großen Aufschlag.« Die Konferenz sollte der Startschuss sein, um die am Thema interessierten und in verschiedenen Gruppen arbeitenden Studenten und Mitarbeiter (wieder) miteinander in Kontakt zu bringen. »Im kommenden Jahr legen wir dem Rektorat einen Fahrplan mit konkreten Punkten zu einer nachhaltigen Entwicklung der Universität vor, wo wir Aufgaben, Ziele, Verantwortung und Termine festlegen. Basis sind die bereits existierenden Umweltleitlinien«, erklärt Kathrin Brömmer.
Eine Vision muss her
Ein gemeinsames Leitbild, wie es auf der Konferenz angeregt wurde, wäre dafür hilfreich: »Wenn wir so eine Vision hätten wie TU Dresden klimaneutral im Jahr 2030 und vielleicht klimapositiv im Jahr 2050, könnte man daraus eine Strategie und sämtliche Folgeprozesse ableiten«, schlug Marlene Odenbach, Dezernentin für Strategie und Kommunikation, vor. Der Vorstoß des Kanzlers Dr. Andreas Handschuh, die bislang nur beratende Kommission Umwelt mit Entscheidungsbefugnissen und Budget auszustatten, wäre eine wichtige zweite Säule. Als weitere Notwendigkeit sieht Kathrin Brömmer die Verstetigung von Personal, zum Beispiel bei Großprojekten wie Camper, das sich mit dem Energieverbrauch und Dienstreisen an der Uni sowie Ideen zu deren Reduktion beschäftigt, und im Umweltmanagement, damit Vorhaben wie das Mobilitätskonzept und der Masterplan Campus tatsächlich umgesetzt werden können.
»Graswurzelbewegung«
Neben diesen Prozessen, die nur mit Unterstützung des Rektorats funktionieren, ist im Sinne einer »Graswurzelbewegung« auch jede und jeder Einzelne an der TUD gefragt. »Nachhaltigkeit sollte in Forschung und Lehre fest verankert sein«, wünscht sich Kathrin Brömmer. »Jeder Student, jede Studentin sollte mit dem Thema in Berührung kommen. Sie sind diejenigen, die ihr Wissen später in die verschiedensten Bereiche weitertragen.« Auch Weiterbildungen für Lehrkräfte und Verwaltungsangestellte hält sie für einen wichtigen Ansatz. Zudem könnte sich Kathrin Brömmer einen regelmäßigen »Nachhaltigkeits-treff« vorstellen – eine Möglichkeit für alle, um einen festen Anlaufpunkt für Probleme und Ideen zu haben. Für die Digital Natives wäre eine Online-Version denkbar, ergänzt Lutz Thies, der sich als studentischer Vertreter in die Konferenz eingebracht hat: »Es wäre doch toll, wenn die Leute eine Stelle hätten, an die sie sich mit konkreten Vorschlägen richten können und unkompliziert Unterstützung bei der Umsetzung bekommen. Das nimmt alle mit und setzt Potenziale frei, ohne viel Geld für Stellen ausgeben zu müssen.«
Insgesamt freut sich Lutz Thies, dass wieder mehr Bewegung in das Thema Nachhaltigkeit gekommen ist und hofft, dass dieser Schwung ausreicht, um insbesondere bei den großen Themen Energie und Mobilität Veränderungen erreichen zu können. Hier liegen die wesentlichen (CO2-)Einsparpotenziale der TUD, aber auch die größten Schwierigkeiten. Denn einerseits werden energieintensive Großrechner und Labortechnik für eine erfolgreiche Forschung gebraucht, andererseits trägt die Energiekosten das Land. »Das reizt natürlich nicht zum Sparen«, weiß Kathrin Brömmer. »Niemand muss sich bei der Anschaffung fragen, wie viel verbrauchen die neuen Geräte eigentlich und gäbe es Möglichkeiten, dies zu verringern?« Das gilt auch im Kleinen. Denn aufgrund der Datensammlung und -auswertung durch die Gruppe Camper wurde offenbar, dass etwa ein Fünftel der Energie durch bewusstes Verhalten der Einzelnen an ihren Arbeitsplätzen eingespart werden könnte, dazu zählen Selbstverständlichkeiten wie Computer und Licht auszuschalten, wenn nicht gearbeitet wird.
Intensiver verhandeln
»Da wir beim Thema Energie und Bauen über das Sächsische Immobilien- und Baumanagement, kurz SIB, vom Land abhängig sind, wollen wir uns für eine bessere Verhandlungsposition stärker mit den DRESDEN-concept-Partnern und anderen sächsischen Universitäten und Hochschulen vernetzen«, erklärt Kathrin Brömmer. Etliche Vertreter waren ebenfalls zur Konferenz gekommen, da am zweiten Veranstaltungstag der Erfahrungsaustausch über bei EMAS zertifizierte Organisationen und Mitglieder bei HOCHN, ein vom Bund gefördertes Verbundprojekt für nachhaltige Entwicklung an Universitäten und Fachhochschulen, im Mittelpunkt stand. »Es ist einfach wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Wir können von den Erfahrungen der anderen profitieren und eine ganz andere Kraft entwickeln«, betont Brömmer.
Die ist auch notwendig. Denn für Nachhaltigkeit sprechen sich fast alle gern aus. Geht es aber um die konkrete Umsetzung im Alltag, sind Bequemlichkeit und Bedenken eine so große Hürde, dass wenig passiert. »Als Technische Universität sind wir stolz auf unsere Entwicklungen. Die können und müssen wir doch auch dafür einsetzen, die globalen Klimaziele zu erreichen«, findet Lutz Thies. »Ein ›geht nicht‹, sollte Ansporn sein, nach einem Weg zu suchen, dass es doch funktioniert.« Oder wie es Edeltraud Günther, Wirtschaftswissenschaftlerin an der TU Dresden und Direktorin von UNU-FLORES auf den Punkt brachte: »Exzellenz ohne Nachhaltigkeit ist keine Exzellenz.«
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 19/2019 vom 26. November 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.